Britta Redmann: Erfolgreich führen im Ehrenamt
Rezensiert von Prof. Dr. Harmut Bargfrede, 19.10.2012

Britta Redmann: Erfolgreich führen im Ehrenamt. Ein Praxisleitfaden für freiwillig engagierte Menschen. Springer Gabler (Wiesbaden) 2012. 226 Seiten. ISBN 978-3-8349-3282-2. D: 34,95 EUR, A: 36,00 EUR, CH: 43,50 sFr.
Seit Erstellung der Rezension ist eine neuere Auflage mit der ISBN 978-3-8349-4678-2 erschienen, auf die sich unsere Bestellmöglichkeiten beziehen.
Thema
Freiwilliges oder Bürgerschaftliches Engagement, die Wahrnehmung eines Ehrenamtes (die Begrifflichkeiten wechseln oder werden synonym verwendet und werden in der Literatur selten trennscharf und in die entsprechenden Bezugsrahmen eingeordnet, betrachtet) hat eine große Bedeutung in unserer Gesellschaft. Über freiwilliges Engagement bildet sich nicht zu Letzt der „soziale Kitt“ aus, ein Fundament der Bürgergesellschaft. Über den Freiwilligensurvey (Gensicke/Geiss, TNS Infratest Sozialforschung, 2010) und den Engagementatlas (Prognos AG, Generali Deutschland, 2009) wissen wir viel über Größenordnungen und Verteilungen und auch über den Wandel im freiwilligen Engagement, ohne das in manchen Bereichen nichts oder nicht viel vonstatten gehen würde. So im Breitensport, aber auch bei Geselligkeit und Brauchtum (Schützen- und Karnevalsvereine), im sozialen Bereich oder denken wir zum Beispiel einmal an den Bevölkerungsschutz mit den Freiwilligen Feuerwehren, oder beim Technischen Hilfswerk, bei der Seenotrettung und beim DLRG. Ohne die über 25 Millionen Freiwillige läuft da wenig. Dann stehen aber auch die Freiwilligen ganz schön unter Druck, wie Rauschenbach und Zimmer (Opladen 2011)im letzten Jahr verdeutlichten und über den demographischen Wandel, der in manchen Regionen über Wanderungsverluste noch potenziert wird, wird allzu deutlich, dass „Führung“ im Sinne von Gewinnen, Halten, Motivieren, Fördern, Koordinieren, Einbinden … von Freiwilligen oder wie es Reifenhäuser, Hoffmann und Kegel nennen, ein Freiwilligen-Management (Augsburg 2012, 2. überarb. Aufl.) zu implementieren, von herausragender Bedeutung ist. Diese drei genannten gehören zum Kern derer, die in und mit der Akademie für Ehrenamtlichkeit in Berlin ein Curriculum für die Ausbildung zum Freiwilligenkoordinator (operatives Freiwilligenmanagement) und Freiwilligenmanagement (strategisches Freiwilligenmanagement) entwickelten und fortschrieben und in Berlin und vor Ort (durch die „Beratergruppe Ehrenamt“)bspw. beim Erzbistum in Köln, bei der AWO Thüringen, beim DRK bundesweit und an der Fachhochschule Nordhausen bisher bereits über 1.800 im Themenfeld „ehrenamtliche Mitarbeiterführung“ ausgebildet haben. Insofern stimmt es nicht, was die Autorin in ihrem Vorwort bedauernd ausführt, in dem sie schreibt: „Genauso wenig gibt es eine »Ausbildung« für ehrenamtliche Mitarbeiterführung.“ Die gibt es seit 1998. Das zeigt aber nur, dass dies viel zu wenig bekannt ist und unterstreicht die Bedeutung des Themas, dem sich auch dieses Werk annimmt.
Autorin
Britta Redmann ist Rechtsanwältin und Mediatorin, die auch als Coach und Beraterin tätig ist. Sie war in einigen Branchen als Personalverantwortliche und im Bereich der Personal- und Organisationsentwicklung tätig und kennt sich über ihr eigens freiwilliges Engagement und die bis vor Kurzem ausgeübte Position, als Personalleiterin beim Malteser Hilfsdienst in Nordrhein-Westfalen auch im Non-Profit-Bereich recht gut aus. Nun ist sie Personalleiterin in einem Unternehmen der Informationstechnologie und -dienste. Ferner ist sie Lehrbeauftragte an der Rheinischen Fachhochschule in Köln und ist auch Autorin von Fachpublikationen, vor allem zum Thema „Mediation“.
Aufbau
Zunächst einige Sätze zum allgemeinen Aufbau und den Inhalten des Buches. Die Ausführungen basieren auf einem ganzen Fundus an Interviews. Neun Interviews nutzt die Autorin für das zweite Kapitel,in dem sie Porträts von Engagierten zeichnet und darüber auch einen anschaulichen Überblick mit relevanten Streiflichtern über Felder des Engagements gibt. In der inhaltlichen Stoßrichtung des Werkes enthalten die Interviews (natürlich) ein inhaltliches Schwergewicht zum Thema „Führung“. Weitere Interviews zieht sie in Passagen zu weiteren Inhalten heran. So sind diese das wesentliche Fundament der Ausführungen, weitere Quellen werden nur punktuell heran gezogen, wie auch ein Blick ins übersichtliche Quellenverzeichnis zeigt. Dieses ist durchaus nicht kritisch angemerkt, Interviews sind eine solide (Daten-) Basis und mit Porträts kann man eine Menge Inhaltsreiches transportieren. Interviews bilden auch den Ausgangspunkt der Fallbeispiele zur Corporate Social Responsibility (CSR), bei dem Britta Redmann mit dem Zukunftsfond bei Generali Deutschland Holding AG und den Ford Werken Deutschland GmbH zwei große Unternehmen als Beispiele aufgegriffen hat, dem sie das Mainzer Unternehmen media machine GmbH mit nur 5 Beschäftigten beispielhaft an die Seite stellte.
Die meisten Kapitel schließen mit einer sehr leserfreundlichen, grau unterlegten pointierten Zusammenfassung. Daneben „lebt“ das Werk von einer Vielfalt an graphischen Darstellungen komplexer Zusammenhänge, die einerseits im Stil durchgängig bleiben und sich andererseits auch nicht in den Vordergrund drängen, sondern sich optisch einfügen.
Zu den Inhalten
In der Einleitung beschreibt die Autorin Freiwilliges Engagement als eine tragende Säule unserer Gesellschaft und verweist auf die Einflussgröße „demographischer Wandel“ für die künftige Struktur des Ehrenamtes, die sie im Ist-Stand anhand ausgewählter Daten aus dem jüngsten Freiwilligensurvey und aus dem Engagementatlas beschreibt. Im zweiten Kapitel finden sich die bereits angesprochenen Porträts, in denen sie den Motiven, dem Umfang der Zeitspende, der Rolle der Führung und besonderen Erlebnissen der Befragten nachgeht. Der Leser lernt Engagierte in einer sozialen Projektinitiative, im Schützenverein, in einem Berufsverband, in einem internationalen Frauenverband, in einem Kulturförderkreis, in einer gesellschaftlichen Initiative (Hebammen für Deutschland e.V.), in einer Landeselternvertretung, in einem Sportverein und in einer Jugendorganisation kennen.
Im dritten Kapitel „Motivation für ehrenamtliches Engagement“ befasst sich die Verfasserin mit Anreizen, Motiven und Belohnungen, beschreibt eine Anerkennungskultur und betont persönliche Beziehungen im Motivkontext. Weiterhin widmet sie sich den Motiven „Soziale Gerechtigkeit“ (herstellen wollen) und „Organisieren“, sowie „sich kümmern“ (wollen) und „Ansehen“ (erreichen), wie auch „Wissenserweiterung“ und „Wettkampf“ und wie diesen Motiven angemessen begegnet werden kann.
Im Kapitel vier fokussiert die Autorin Führung als Erfolgsfaktor und setzt sich zunächst mit der Frage auseinander „Was ist Führung?“. Dann wird Führung im Arbeitsverhältnis von Führung im Ehrenamt abgegrenzt und die Notwendigkeit von Führung hergeleitet. Ferner widmet sie sich dem Bewusstsein von Führungsqualität und schließt diese Kapitel mit einem Praxisbericht eines stellvertretenden Kreisbeauftragten des Malteser Hilfsdienstes in NRW.
Das fünfte Kapitel „Führungskraft als Erfolgsfigur“ greift Merkmale auf, die vertrauensbildend sind: Glaubwürdigkeit, Konsequenz, Authentizität, Vorbildfunktion, Charisma, Alter und Lebenserfahrung, Kompetenz und die Fähigkeit zur Selbstreflexion.
Das Folgekapitel (Kapitel 6)benennt und beschreibt Kernaufgaben von Führungskräften im Ehrenamt: Funktionierende Organisationsformen schaffen und steuern, Freiwillige gewinnen, diese motivieren und binden, die Nachfolge sichern und Erfolge gemeinsam erreichen.
Mit den Kernkompetenzen „Begeisterungsfähigkeit“, „strategisches Denken“, „Zielorientierung“, „Organisationsfähigkeit“, „Kontaktfähigkeit“ und „Kommunikationsfähigkeit“ befasst sich eingehend mit Auszügen aus Interviews, mit graphischen Veranschaulichungen und Beispielen das siebte Kapitel.
Das Folgekapitel achtnimmt sich den Herausforderungen und Grenzen ehrenamtlicher Führung an, die mit der hohen Werteorientierung in den Organisationen, mit den persönlichen Beziehungen untereinander und mit den heterogenen Gruppen als wesentliche Herausforderungen heraus gestellt werden.
Das vorletzte Kapitel (Kapitel neun) stellt CSR heraus. Hier wird beschrieben, wo CSR herkommt, in welcher Form sich Unternehmen, ggfls. sogar in einem Corporate-Citizenship-Mix engagieren können und dann folgt die Vorstellung der drei bereits benannten Unternehmen, Generali Deutschland Holding AG, die mit ihrem Zukunftsfonds ein nachhaltiges Instrument zur Wahrnehmung der gesellschaftlichen Verantwortung des Unternehmens geschaffen haben. Dem schließt sich die Vorstellung der bei Ford Deutschland eingerichteten Abteilung „Corporate Citizenship“, deren Projekte, die Durchführung, was der Antrieb dazu war und welche Effekte das Unternehmen verzeichnen konnte. In gleicher Struktur wird abschließend das Kleinunternehmen media machine GmbH mit seinen Projekten u. a. im Rahmen von MUMM (Mainzer Unternehmen machen mit) vorgestellt.
Das Werk schließt mit einem zehnten Kapitel, in dem sich auf 34 Seiten Checklisten, Muster, Leitfäden und Beispiele finden, mit denen die Autorin einlädt, diese den eigenen Bedürfnissen bei der Förderung des Ehrenamtes anzupassen, die vor allem Orientierung geben.
Damit ist der Übergang zur Diskussion und zum Fazit erreicht, bei dem (nicht nur) mit Blick auf die zahlreichen Handreichungen im letzten Kapitel festgestellt werden kann, dass der Anspruch aus dem Untertitel des Werkes, ein Praxisleitfaden zu sein, endgültig als erfüllt anzusehen ist.
Diskussion und Fazit
Führung im Ehrenamt ist ein zentrales Thema. Dabei sind Geschäftsführer, Vereinsvorstände, Abteilungsverantwortliche in Organisationen, ganz gleich auf welchem Feld diese tätig sind, ungeachtet dessen, ob sie nun selbst ihr Amt ehren- oder hauptamtlich ausführen, auch gegenüber den freiwillig bei ihnen Engagierten in einer Führungsverantwortung oder -rolle. In loseren Organisationsformen des Engagements übernehmen Einzelne aus Eigenantrieb die Führung einer Gruppe. Sie organisieren die Kommunikation und Abläufe und wachsen in weitere Führungsaufgaben hinein. Daher kommt man um das Thema „Führung“ auch im Kontext von Engagement eigentlich gar nicht herum. So ist es wichtig, dass sich Britta Redmann dieses Themas angenommen hat und so vielfältig beleuchtet. Mit ihren Porträts macht sie sehr anschaulich, wie vielfarbig die Engagementfelder sind. Engagementmotive genau zu kennen, ist für (Führungs-)Verantwortliche enorm wichtig. Sie benennt die Bausteine erfolgreicher Führung und zeigt beispielsweise mit dem Thema „Freiwillige gewinnen“ ein bedeutsames Thema auf, da angesichts des demographischen Wandels und der weiteren Gründe für Ausscheiden und das Nicht- oder Noch-Nicht-Engagement, die durchaus vorhandenen Potentiale geweckt werden müssen. Mit der Thematisierung der Sicherung einer Nachfolge benennt sie lösungsorientiert ein Thema das vielerorts bereits verschlafen wurde, gerade dort, wo die jüngeren Alterskohorten ohnehin dünn geworden sind. Mit der klaren Benennung der Herausforderungen und Grenzen ehrenamtlicher Führung „rundet“ sie das Themenfeld ebenso ab, wie mit den Beispielen der Förderung des Engagements durch Unternehmen.
Das Buch „lebt von dem großen und bunten Strauß“ an Interviews, die die Autorin führte und von den Praxisbeispielen und kann daher auf vielfältige Verweise auf weiterführende Quellen verzichten – obwohl dem Rezensenten dazu manch ein Titel einfallen würde, der gut passend neben das besprochene Werk von Britta Redmann zu stellen wäre. Auf jeden Fall habe ich viele Leser vor Augen, denen die Lektüre dieses Buches „gut tun“ würde bzw. wird. Diese können manche Handreichung, manchen Rat auch gut annehmen, da diese entweder unterstrichen werden durch die Interviews oder im O-Ton nachzulesen sind. Eine, einer von ihnen spricht da – vermittelt über die Interviewerin und Autorin – das kann man dann insgesamt gut als Rat, als Praxisleitfaden annehmen!
Rezension von
Prof. Dr. Harmut Bargfrede
lehrt am Studiengang Sozialmanagement der Hochschule Nordhausen u. a. das Vertiefungsgebiet „Bürgerschaftliches Engagement, Freiwilligenmanagement und Bürgerstiftungen“
Es gibt 18 Rezensionen von Harmut Bargfrede.
Zitiervorschlag
Harmut Bargfrede. Rezension vom 19.10.2012 zu:
Britta Redmann: Erfolgreich führen im Ehrenamt. Ein Praxisleitfaden für freiwillig engagierte Menschen. Springer Gabler
(Wiesbaden) 2012.
ISBN 978-3-8349-3282-2.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/13947.php, Datum des Zugriffs 22.03.2023.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.