Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Erhard Gehlmann, Frank Nieslony et al.: Schriftsätze im Jugendamt

Rezensiert von Prof. Dr. rer. hort. habil. Herbert Schubert, 01.11.2012

Cover Erhard Gehlmann, Frank Nieslony et al.: Schriftsätze im Jugendamt ISBN 978-3-17-022181-9

Erhard Gehlmann, Frank Nieslony, Veszelinka Ildikó Petrov: Schriftsätze im Jugendamt. Ein Praxisleitfaden. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2012. 143 Seiten. ISBN 978-3-17-022181-9. 24,90 EUR.
Reihe: Sozialpädagogik.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Seit Erstellung der Rezension ist eine neuere Auflage mit der ISBN 978-3-17-031968-4 erschienen, auf die sich unsere Bestellmöglichkeiten beziehen.

Kaufen beim socialnet Buchversand
Kaufen beim Verlag

Thema

Aus der Praxis sind gerade in der letzten Zeit vermehrt Klagen zu hören, dass die Dokumentationsaufgaben so viel Zeit in Anspruch nähmen. Dabei wird oft ein Widerspruch zwischen diesen Tätigkeiten und der eigentlichen „fachlichen Praxis“ der Kommunikation und Interaktion mit Adressatinnen und Adressaten konstruiert. Die Publikation von Erhard Gehlmann, Frank Nieslony und Veszelinka Ildikó Petrov löst diesen scheinbaren Widerspruch auf und verdeutlicht, dass die dokumentierenden Tätigkeitsnachweise ein wesentliches Element der Fachlichkeit in der Sozialen Arbeit ausmachen.

Autoren und Autorin

Erhard Gehlmann weist Diplome als Theologe, Verwaltungsbeamter und Sozialarbeiter auf; er hat lange Zeit im ASD als Bezirkssozialarbeiter gewirkt und leitet aktuell ein Sachgebiet im Jugendamt der Stadt Hamm. Frank Nieslony ist Professor an der Evangelischen Hochschule Darmstadt; seine thematischen Schwerpunkte betreffen die Sozialadministration und Soziale Dienste. Veszelinka Ildikó Petrov ist Sozialarbeiterin und Sozialwissenschaftlerin; sie blickt auf Praxiserfahrungen in der Bezirkssozialarbeit zurück und arbeitet aktuell als sachverständige Gutachterin in Verfahren zur Sorge- und Umgangsregelung vor Familiengerichten.

Entstehungshintergrund

Bei den Recherchen zu dem Buch fiel dem Autorenteam auf, dass in den Studiengängen der Sozialen Arbeit kaum „systematisches Wissen über förderliche Formen des schriftlichen Ausdrucks“ vermittelt wird (S. 9). Vor diesem Hintergrund wurde diagnostiziert, das geschriebene Wort müsse im fachlichen Diskurs dieselbe Anerkennung erhalten wie das gesprochene. Insbesondere im Kontext der Qualitätsdebatte erhält die adressatenbezogene Dokumentation von Akten und Schriftsätzen und das formalisierte Berichtswesen zur Steuerung der fachlichen Arbeit einen höheren Stellenwert. Da das in der Fachliteratur bisher kaum Beachtung gefunden hat, will die Publikation Studierenden, Berufsanfängern sowie jungen Kolleginnen und Kollegen einen „Praxisleitfaden“ an die Hand geben, der hilft, den verwaltungsinternen Sprachgebrauch zu verstehen (S.11).

Aufbau

Das Buch ist in acht Kapitel gegliedert.

  • Im ersten Kapitel werden der Schriftverkehr und die Aktenführung in den Kontext der Qualitätssicherung gestellt.
  • Im zweiten Kapitel wird der Datenschutz als Rahmenbedingung der Sozialen Arbeit beschrieben.
  • Das dritte bis sechste Kapitel bilden den Kern der Publikation und behandeln den Schriftverkehr zu Leistungen der Jugendhilfe im rechtlichen Kontext und berücksichtigen dabei sowohl den Aufbau des Jugendamts als auch die Grundsätze von Verwaltung.
  • Im siebten Kapitel werden mit dem Thema „Amtshilfe“ und im achten mit dem Thema „Fallübergabe“ fachliche Perspektiven geöffnet, über die in der Fachliteratur selten etwas zu finden ist.

Inhalt

Die Diskussion um die Qualität der Sozialen Arbeit muss auch Schriftsätze und Dokumentationen als Teil der Fachlichkeit berücksichtigen. Denn in der systematischen Aktenführung sowie in den schriftlichen Berichten und Stellungnahmen drückt sich diese Qualität explizit aus. Das Buch will daher die Abwehrhaltung der Praxis aufbrechen, nach der überwiegend kommunikative und interaktive Beziehungsprozesse für die Soziale Arbeit konstitutiv seien. Auch vor dem Hintergrund der neuen Steuerungslogik des „New Public Management“ verlangen Kommunen und Wohlfahrtsverbände erweiterte Kompetenzen bei den Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern, die das schriftliche Ausdrucks- und Argumentationsvermögen in größerem Umfang als bisher beinhalten; denn die von den Fachkräften formulierten „Schriftsätze, Berichte und Stellungnahmen stellen für Verwaltungen, Einrichtungen, Dienste und Gerichte eine Entscheidungsgrundlage dar“ (S. 19). Die gestiegenen qualitativen Anforderungen bestehen darin, den spezifisch fachlichen Beitrag der Sozialen Arbeit zur Entscheidungsfindung auf den Punkt bringen zu können.

Vertiefend wird dies in der Publikation am Tätigwerden des ASD nach dem SGB VIII dargestellt. Dazu wird zuerst der „Datenschutz in der Jugendhilfe“ als wichtige Grundlage näher beleuchtet (S. 23-33). Es folgen differenzierte Betrachtungen des „Schriftverkehrs auf dem Dienstweg“ (S. 35-58). Mit Grafiken wird vermittelt, dass der Dezernatsverteilungsplan und der Aufgabengliederungsplan bekannt sein müssen, weil sie die Landkarte mit den Wegen des Schriftverkehrs bilden. Auch Geheimnisse wie das „Aktenzeichen“ oder die „Arbeitsplatzbeschreibung“ werden anschaulich gelüftet, weil sie für den internen Postverkehr die Eckpunkte setzen. In den weiteren Ausführungen wird beispielsweise ein Schema für die Aufgabenerledigung im ASD vorgestellt, das mit den Anforderungen des „Dienstweges“ kompatibel ist. Die landläufig negativ assoziierten Bedeutungen des Begriffs „Dienstweg“ werden in der Publikation überwunden, indem sachliche Anhaltspunkte in Bezug auf häufig vorkommende Angelegenheiten gegeben werden, in denen der Dienstweg einzuhalten oder alternativ der direkte Weg zu nehmen ist. Erklärt werden auch „Sicht- und Genehmigungsvermerke“, die Vorgesetzte an vordefinierten Stellen des Schriftverkehrs eintragen (S. 44ff.).

Vom Schriftverkehr auf dem Dienstweg werden „Schriftsätze und Dokumentationen bei sozialpädagogischen Intensivhilfen“ abgegrenzt, in denen die Leistungen der Jugendhilfe formuliert werden (S. 59-75). Im ersten Schritt wird – tabellarisch aufbereitet – der Unterschied zwischen Dienstleistungen und Sozialleistungen beschrieben. Am Beispiel des Vorgehens bei Hilfen zur Erziehung wird näher veranschaulicht, was auf welcher Prozessstufe wie und evtl. auf welchem Formular schriftlich festzuhalten ist. Dabei kommt eine eindrucksvolle Liste schriftlicher Produkte zum Vorschein, die von Gesprächsnotizen und Vermerken über Formblätter wie ein Genogramm bis hin zu Aktennotizen, Ergebnisprotokollen und Hilfeplanprotokollen reicht. Der Leitfadencharakter geht so weit, dass Musterschreiben abgebildet sind, die verdeutlichen, wie die Fachkräfte des ASD Bescheinigungen formulieren können.

In einem dritten Abschnitt werden „Berichte und Stellungnahmen bei ‚Anderen Aufgaben‘“ thematisiert (S. 77-105), die mit weitgehenden Eingriffen in die Grundrechte von Individuen und Familien verbunden sein können. Näher betrachtet werden die Mitwirkung in familiengerichtlichen Verfahren, bei Umgangs- und Sorgerechtsregelungen, in Jugendgerichtsverfahren und Mitteilungen gemäß § 8a SGB VIII. Auch dazu gibt es als Erläuterung zahlreiche Musterbriefe, die von der Fachkraft als Schriftsatz vorzubereiten sind.

In weiteren Abschnitten werden die „Amtshilfe“ (S. 107-113) und die „Fallübergabe“ (S. 115-119) dargestellt. Exemplarisch wird ein Amtshilfeersuchen vorgestellt, das das Jugendamt bei der Polizei stellt. Andere Beispiele betreffen Amtshilfeersuchen im Rahmen einer Mitwirkung im familiengerichtlichen Verfahren und die Weitergabe einer Mitwirkung an ein anderes Jugendamt. Die Fallübergabe spielt beim Wohnortwechsel eines Leistungsberechtigten eine Rolle; dazu wird exemplarisch der Antrag auf Zuständigkeitswechsel und Kostenübernahme behandelt.

Diskussion und Fazit

Die Publikation thematisiert einen vernachlässigten Qualitätsbereich der Sozialen Arbeit. Es wird eindrucksvoll gezeigt, dass die Professionalisierung in der Sozialen Arbeit nicht nur ein qualifiziertes methodisches Vorgehen in der Interaktion mit den Adressaten verlangt, sondern in gleicher Weise qualifizierte Schriftsätze.

Die Stärke der Publikation liegt darin, ein wissenschaftsbasierter Praxisleitfaden zu sein, der auf die berufliche Realität fokussiert ist und viele Musterschreiben und Musterdokumente umfasst. Sie verdeutlichen für verschiedene Praxisschritte und Aufgaben, wie ein Schriftsatz qualifiziert formuliert werden kann. Die Facette der fachlichen Anforderungen an schriftliche Dokumente in der Praxis der Sozialen Arbeit macht exemplarisch anschaulich, wie weit das fachliche Handeln reicht.

Besonders nützlich ist der Leitfaden für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD), weil Schriftsätze, Stellungnahmen und Berichte aus diesem Praxisfeld im Mittelpunkt stehen. Zu empfehlen ist sie aber auch für den Einsatz in Bachelor-Studiengängen der Sozialen Arbeit, damit die Studierenden sich frühzeitig mit der Qualitätsanforderung, Schriftsätze fachlich hinreichend ausformulieren zu können, auseinandersetzen können.

Rezension von
Prof. Dr. rer. hort. habil. Herbert Schubert
Ehem. Direktor des Instituts für angewandtes Management und Organisation in der Sozialen Arbeit (IMOS) an der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der Technischen Hochschule Köln
Mailformular

Es gibt 8 Rezensionen von Herbert Schubert.

Zitiervorschlag anzeigen Besprochenes Werk kaufen

Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht

Sponsoren

Wir danken unseren Sponsoren. Sie ermöglichen dieses umfassende Angebot.

Über die socialnet Rezensionen
Hinweise für Rezensent:innen | Verlage | Autor:innen | Leser:innen sowie zur Verlinkung

Bitte lesen Sie die Hinweise, bevor Sie Kontakt zur Redaktion aufnehmen.
rezensionen@socialnet.de

ISSN 2190-9245