Michael Stegmann, Jürgen E. Schwab: Evaluieren und Forschen für die Soziale Arbeit
Rezensiert von Dr. Robert Lehmann, 17.12.2012

Michael Stegmann, Jürgen E. Schwab: Evaluieren und Forschen für die Soziale Arbeit. Ein Arbeits- und Studienbuch - Reihe Hand- und Arbeitsbücher (H 4). Lambertus Verlag GmbH Marketing und Vertrieb (Freiburg) 2012. 256 Seiten. ISBN 978-3-7841-2113-0. D: 25,90 EUR, A: 26,70 EUR, CH: 36,50 sFr.
Thema
Das vorliegende Werk versteht sich als Lehrmittel für Studierende und Praktikerinnen und Praktiker, die sich die Grundlagen der Praxisforschung und Evaluation aneignen wollen. Dabei werden Grundlagen sowohl quantitativer als auch qualitativer Verfahren behandelt.
Aufbau und Inhalt
Das Buch versteht sich als Lehr- und Arbeitsbuch und ist daher im inhaltlichen Aufbau sehr an didaktischen Erfordernissen ausgerichtet.
Im ersten Teil wird in die gesamte Thematik eingeführt. Nach der Darstellung, der Bedeutung von Forschung und Evaluation in der Sozialen Arbeit, wird auf die empirische Forschung im Allgemeinen eingegangen. Dabei wird nach einer kurzen philosophisch-erkenntnistheoretischen Einführung auf Modelle der qualitativen und der quantitativen Forschung eingegangen. In kurzen Kapiteln werden anschließend Aspekte der angewandten Forschung, sozialwissenschaftlicher Studien und der Selbstevaluation dargestellt. Explizit wollen die Autoren hier nur einen Überblick geben, für vertiefte Beschäftigung mit den Themen werden Verweise auf andere Lehrbücher gegeben. Der zweite Teil der Einführung beschäftigt sich mit Forschungskonzepten im Kontext angewandter Forschung und Evaluation. Darin werden ebenfalls eher überblicksartig Formen der Aktionsforschung und verschiedene Ansätze der Evaluations- und Wirkungsforschung vorgestellt. Außerdem werden hier Überlegungen zur Entwicklung von Hypothesen aus dem eigenen Forschungsinteresse und den bestehenden Forschungsfragen angestellt. Abgerundet wird die Einführung mit einer Darstellung des Forschungsprozesses in einem Phasenmodell. Dadurch ist ein schneller pragmatischer Einstieg in eigene Forschungsprojekte möglich.
Der zweite Abschnitt ist der quantitativ orientierten Datenerhebung und Auswertung gewidmet. Bereits in den einleitenden Bemerkungen machen die Autoren deutlich, dass sie mit den weitverbreiteten Vorurteilen gegenüber Statistik und quantitativen Ansätzen in der Sozialen Arbeit vertraut sind. Sie stellen jedoch überzeugend Szenarien vor, in denen quantitative Ansätze notwendig sind. Ein wichtiger Fokus liegt hier auf Datensätzen, die über die verschiedenen Anbieter amtlicher Statistiken und von großen Forschungsinstituten kostenlos bereitgestellt werden. Es wird auch darauf eingegangen, wie prozessgenerierte Daten einer quantitativen Analyse zugeführt werden können und schließlich, welche Szenarien für eine eigene Erhebung naheliegend erscheinen. Danach werden Aspekte der repräsentativen Befragung erörtert. Dazu werden zunächst die häufigsten Befragungsformen (persönlich-mündlich, telefonisch, schriftlich, online) jeweils sehr knapp vorgestellt. Neben einer kurzen Darstellung wichtiger Faktoren der Instrumentenentwicklung und einer vergleichenden Darstellung der Frageformen, wird über Stichprobenkonstruktion und Repräsentativität reflektiert. Daran anschließend werden Fragen von Variablentypen, Skalen und Messniveaus und Indikatoren auf geringem Raum besprochen. Dagegen erörtern die Autoren ausgiebig, welche Schritte nötig sind, um aus den ausgefüllten Fragebögen einen Datensatz zu erlangen, der die Grundlage für weitere Analysen bildet. Dabei wird sehr genau auf das Anlegen eines Datensatzes in die weitverbreitete Statistiksoftware SPSS eingegangen und die einzelnen Schritte mit gut lesbaren Bildschirmfotos illustriert. Auch bei den weiteren Ausführungen werden Beispiele verwendet, die auf öffentlich zugänglichen Datensätzen basieren. Dadurch haben die Leserinnen und Leser die Möglichkeit, ohne größere Kosten selbst mit authentischen Daten zu experimentieren. Anschließend wird die Bedeutung der Darstellung von Häufigkeitsverteilungen und der Verallgemeinerung von Variablenwerten allgemein erörtet. Danach werden die wichtigsten Kennwerte der univariaten Verteilung anschaulich hergeleitet. Die entsprechenden Berechnungsformeln werden ebenfalls dargestellt und auch für Personen mit begrenzter Mathematikaffinität verständlich erläutert. Um bei den Leserinnen und Lesern ein Verständnis des Konzepts der statistischen Signifikanz zu generieren, wird versucht, über eine sehr anschauliche Darstellung der Normalverteilung und der Z-Transformation die Logik statistischer Tests verständlich zu machen. Darauf aufbauend wird in die Kreuztabellenanalyse eingeführt. Neben einer sehr genauen Behandlung der deskriptiven Qualitäten der Kreuztabelle, werden verschiedene Maßzahlen erläutert, die zur statistischen Prüfung der gefundenen Beziehungen verwendet werden können. Für die Analyse metrischer Variablen wird am Schluss auf die Korrelation und die Regression eingegangen. Ausgehend vom Streudiagramm wird in die Produkt-Moment Korrelation und die einfache lineare Regression eingeführt.
Im dritten Abschnitt werden Ansätze der qualitativen Sozialforschung dargestellt. Zunächst werden verschiedene Interviewformen (offen, leitfadengestützt, problemzentriert, Experteninterview, Fokusinterview) dargestellt. In kurzen Abschnitten werden deren Spezifika herausgearbeitet. Ein weiterer Abschnitt widmet sich der Gruppendiskussion. Diese Form wird etwas breiter dargestellt und auch von den anderen Befragungsformen abgegrenzt. Danach werden Aspekte der Vorbereitung und Durchführung der Datenerhebung behandelt. Dabei wird besonderer Wert auf die Gestaltung der Interviewsituation gelegt. Weiterhin werden Fragen der Gesprächsführung und der Entwicklung eines Leitfadens erörtert. Zur Dokumentation des Materials wird zunächst auf die Bedeutung des Postskriptums eingegangen. Anschließend werden die verschiedenen Aspekte und Systeme der Transkription von Interviewmitschnitten erörtert. Zur Datenverarbeitung und Auswertung werden zunächst verfahrensunabhängig, Hinweise zur computergestützten Auswertung mit der Software MAXQDA gegeben. Insbesondere die Gestaltung der Dateinamen und eines Codesystems wird an realen Beispielen erklärt. Als eigentliche Auswertungstechnik wird sehr kurz die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring eingeführt. Darauf aufbauend wird ein vom Autor selbst entwickeltes, sehr pragmatisches Verfahren vorgestellt, das sich insbesondere durch seine leichte Handhabbarkeit auszeichnet. Zu einzelnen Forschungsfragen werden dabei gezielt Thesen am Material entwickelt und durch Ankerzitate belegt. Diese Ergebnisse werden dann in der Forschungsgruppe in kritischer Diskussion validiert. Zuletzt wird dargestellt, wie die Ergebnisse einer qualitativen Studie sinnvoll interpretiert werden können und wie eine angemessene Berichterstattung erfolgen kann. Ein achtstufiges Auswertungsraster soll dabei unterstützen, einen hochwertigen Abschlussbericht für ein qualitatives Forschungsprojekt zu erstellen.
Im vierten Abschnitt wird auf zwei Seiten ein Modell zur Entwicklung eines Evaluationsdesigns vorgestellt. Im Anschluss werden die Designs zweier realer Projekte dargestellt und im Anhang noch einige Materialien beigelegt, die bei eigenen Forschungsprojekten unterstützen können.
Diskussion
Mit dem Band „Evaluieren und Forschen für die Soziale Arbeit“ wollten die Autoren ein Arbeits- und Studienbuch herausbringen, das von hoher praktischer Relevanz ist. Es soll ausdrücklich kein Lehrbuch für Statistik oder qualitative Methoden sein. Insofern kann an das Buch nicht der Anspruch herangetragen werden, für alle verwendeten Forschungsmethoden theoretische und philosophische Grundlagen oder tiefergehende mathematische Beweise zu erörtern. Viel mehr muss sich das Buch an dem Anspruch der Praxistauglichkeit messen lassen. Hier stehen Autoren naturgemäß vor einer großen Herausforderung: Einerseits sollen Details, die nicht zwingend handlungsrelevant sind, vermieden werden, andererseits muss ausreichend Hintergrundwissen vermittelt werden, damit die verwendeten Verfahren verstanden werden und nicht im Sinne einer einfachen Schritt-für-Schritt Anleitung geistlos abgearbeitet werden. Vor diesem Erwartungshorizont ist eine Bewertung des Buchs nicht einfach. Relevante Aspekte der Forschung im Kontext der Sozialen Arbeit werden dargestellt und mit Beispielen und Übungen unterfüttert. Durch die Fragen zur Selbstkontrolle werden Lernende dabei unterstützt, sich vertieft mit den Inhalten der einzelnen Kapitel auseinanderzusetzen.
Kritisch ist anzumerken, dass die beiden Hauptkapitel zu quantitativer und qualitativer Forschung beinahe monolithisch nebeneinanderstehen und kaum Bezug aufeinander nehmen. Gerade im Hinblick auf die Triangulierung von Ansätzen aus beiden Bezugssystemen wird hier eine Chance vergeben, die Verzahnung der Forschungsmethoden innerhalb eines Lehrbuchs plastisch abzubilden. Weiterhin ist zu kritisieren, dass die einzelnen Elemente eines Forschungsprojekts meist sehr prägnant dargestellt werden, sodass Details, die bei der Planung eines eigenen Projekts von Belang wären, manchmal zu kurz kommen. Durch Verweise auf die jeweils relevanten Werke, erhalten die Leserinnen und Leser jedoch die Möglichkeit auf entsprechende Vertiefungsliteratur zurückzugreifen.
Fazit
„Evaulieren und Forschen für die Soziale Arbeit“ ist eine solide Einführung in alle relevanten Aspekte der Evaluationsforschung im Kontext der Sozialen Arbeit. Die Darstellung ist nicht so tiefgehend, dass es als alleiniges Lehrbuch ausreicht, es ist aber besonders geeignet für Studienanfängerinnen und -anfänger, sowie für Praktikerinnen und Praktiker, die in einem konkreten Forschungsprojekt unkompliziert Wissensbestände aus dem Studium reaktivieren wollen. Das Buch bietet eine leicht lesbare Einführung in die wichtigsten Techniken und Methoden sowohl im Bereich Statistik, als auch zu den Methoden qualitativer Sozialforschung. Gerade der Statistikbereich kann durch viele praxisnahe Übungsbeispiele, die am eigenen Rechner nachvollzogen werden können, dazu beitragen, erworbene Vorbehalte gegenüber mathematischen Verfahren abzubauen.
Rezension von
Dr. Robert Lehmann
Fachhochschule Nürnberg
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