Friederike Westerholt: Kommunikation im Kindergarten
Rezensiert von Thomas Buchholz, 22.04.2013

Friederike Westerholt: Kommunikation im Kindergarten. Erzieher, -innen im Gespräch mit Kindern und Eltern ; [mit Download-Materialien].
Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2012.
135 Seiten.
ISBN 978-3-407-62846-6.
D: 19,95 EUR,
A: 20,60 EUR,
CH: 28,90 sFr.
Reihe: Frühpädagogik.
Thema
Kommunikation ist in Kindertageseinrichtungen allgegenwertig. Die gesamte Interaktion in Kindertageseinrichtung beinhaltet verbale oder non-verbale Kommunikation mit einem Gegenüber. Kommunikation wird damit zur Grundlage des pädagogischen Handelns. Sie wird bewusst als Medium für Lernprozesse eingesetzt, etwa wenn ErzieherInnen in einen Dialog mit Kindern gehen oder Verhaltensweisen von Kindern sprachlich begleiten. Sie findet aber auch unbewusst und ungerichtet statt, etwa wenn Kinder ErzieherInnen bei einer Tätigkeit beobachten oder wenn durch Aussagen auch Bewertungen oder Wertvorstellungen transportiert werden. Welche Botschaft beinhaltet z.B. der Satz „Ich brauche hier mal zwei starke Jungs, die einen Karton tragen“? Müssen Jungs immer die Starken sein? Dürfen Mädchen nicht auch ihre Kräfte demonstrieren?
Neben der Bedeutung für den Spracherwerb, ist Kommunikation also auch Grundlage für Bildungsprozesse jeder Art: Gemeinsame Beobachtungen werden sprachlich begleitet. Kinder erhalten über Sprache Anregungen für Spiel, Kinder bekommen Anweisungen, Bitten, Forderungen. Kinder werden mit Wertvorstellungen konfrontiert. Kinder und PädagogInnen reflektieren gemeinsam, philosophieren gemeinsam und finden gemeinsam Antworten und noch mehr ungelöste Fragen. Kurz: Bildung und auch Selbstwerdung finden im Raum einer gemeinsamen Kommunikation statt.
Obwohl Kommunikation die Grundlage für pädagogisches Handeln ist, wurde das Thema bisher noch nicht systematisch für den Bereich der Kindergartenpädagogik aufgearbeitet. Die Autorin möchte mit dem vorliegenden Buch hierzu einen Beitrag leisten. Ihr Ziel ist es, eine theoretische Einführung in die Kommunikation im Kindergarten zu geben, das Thema theoretisch zu verankern und Wege für die grundlegende Umsetzung in der Praxis aufzuzeigen.
Autorin
Friederike Westerholt ist Absolventin des Studienganges „Bildung und Förderung in der Kindheit“ und „Elementar- und Integrationspädagogik“. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Aufbau und Inhalt
Das Buch beginnt mit einer theoretischen Annäherung.
Im ersten Teil führt die Autorin in fünf Kapitel theoretisch in das Thema Kommunikation im Kindergarten ein. In Kapitel 1 beschreibt sie die Grundlagen der Kommunikationstheorie und stellt die Axiome der Kommunikation u.a. nach Watzlawik vor. Im nächsten Kapitel nähert sich die Autorin der Kommunikation in institutionellen pädagogischen Kontexten an und beschreibt deren Bedeutung für pädagogische Prozesse. Aus systemtheoretischer Perspektive wird Kommunikation in Kapitel 3 betrachtet, wobei Komplementarität und Symmetrie im Fokus stehen. In Kapitel 4 fasst die Autorin ihre theoretische Bearbeitung des Themas in 5 Thesen und einem Zwischenresümee zusammen, um anschließend in Kapitel 5 in einen Exkurs über die Kommunikation mit den Eltern zu gehen.
Im zweiten Teil des Buches befasst sich die Autorin mit den Rahmenbedingungen der Kommunikation in Kindertageseinrichtungen, wobei sie in Kapitel 6 auf die bildungspolitische Vorgaben, z.B. in den Bildungsplänen der Länder eingeht und in Kapitel 7 die professionellen und strukturellen Rahmenbedingungen der pädagogischen Kommunikation ausleuchtet.
Der dritte Teil stellt den Praxisteil des Buches dar. In vier Kapiteln leitet die Autorin Implikationen für die pädagogische Praxis ab. In Kapitel 8 führt die Autorin grundlegend aus, was elementarpädagogische Kommunikation in der Praxis bedeutet und entwirft das Modell einer „inklusiven elementarpädagogischen Kommunikation“ (S. 75ff). Demnach sind Wertschätzung und Achtung dem Kind gegenüber zwei der wichtigsten Faktoren einer responsiven und inklusiven Kommunikationskultur. Mit diesen Basisvariablen setzt sich die Autorin in Kapitel 9 „Kinder wahr-nehmen, ernst nehmen, ihnen zuhören, sie wertschätzen“ näher auseinander. Authentizität und Kongruenz als weitere wichtige Bedingungsfaktoren für eine inklusive Kommunikation stehen in Kapitel 10 im Mittelpunkt. Der Praxisteil wird mit einem Kapitel über alltägliche Gesprächsanlässe und Metakommunikation beendet.
Im vierten Teil geht die Autorin nochmals auf die Kommunikation mit Eltern ein. Das Buch endet mit einem knappen Resümee und den Verweis auf offene Fragen.
Diskussion und Fazit
Die Autorin skizziert die Elemente einer responsiven, inklusiven Kommunikation, nimmt hierbei jedoch wenig Differenzierung nach den Bedürfnissen der Kinder vor. Auch die Art, wie PädagogInnen mit Kindern kommunizieren, sollte sich an deren Bedürfnissen ausrichten. Ob ein Kind also eine direktive Gesprächsführung mit klaren Anweisungen und Orientierungen benötigt oder eine auf Aushandlung basierende Kommunikation, die Entscheidungen dem Kind überlässt, ist in hohem Maße von der konkreten Situation und den Möglichkeiten des Kindes abhängig. Je nachdem welche Bedürfnisse für das Kind gerade handlungsleitend sind und sein Verhalten motivieren, sollte eine auf Kongruenz basierende Pädagogik diese Bedürfnis aufgreifen und beantworten. Eine entsprechende Differenzierung nach den Grundbedürfnissen findet hier jedoch nicht statt. Wenn ein Kind ein Bedürfnis nach Orientierung hat, sollte der Kommunikationsstil klar und richtungsweisend sein. Eine Kommunikation, die auf Aushandlung ausgerichtet ist und Entscheidungen im Dialog zwischen ErzieherIn und Kind treffen will, würde dem Bedürfnis des Kindes gegebenenfalls nicht gerecht werden und es überfördern.
Das Buch richtet sich an Lernende in Berufsfachschulen in der Erzieher-Ausbildung, an Studierende der sozialen Arbeit und Pädagogik der frühen Kindheit sowie an Dozenten und Referenten für den Bereich der Elementarpädagogik. Positiv sind die zahlreichen didaktischen Hinweise am Ende jedes Kapitel hervorzuheben, die die Lehre in Berufsfachschulen und Hochschulen erleichtern können. Diese beinhalten Vorschläge für Gruppenarbeiten, Vorschläge für Hausaufgaben und eine Zusammenfassung am Ende jedes Kapitels.
Für PraktikerInnen in den Einrichtungen der Kindertagespflege ist das Buch bedingt geeignet, da es kein Praxiskonzept für die Kommunikation mit Kindern beinhaltet. Transportiert werden zum einen eine theoretische Einführung in die Kommunikation im Kindergarten sowie die hierfür nötigen Basisvariablen, wie z.B. Wertschätzung, Kongruenz, Authentizität und Achtsamkeit. Daraus lassen sich Hinweise und Implikationen für die innere Haltung dem Kind und seinen Eltern gegenüber ableiten. Wer jedoch Antworten auf praktische Fragen erwartet, die sich aus dem Alltagsgeschehen ergeben können, wird nicht fündig. Konkrete Hinweise, wie Gesprächsanlässe geschaffen und genutzt werden, wie Gespräche mit Kinder geführt werden, wie Kinder an Entscheidungen beteiligt werden können, ohne sie zu beeinflussen, fehlen. Das konkrete „Wie“ bleibt offen und ist daher für PraktikerInnen wenig anschaulich.
Rezension von
Thomas Buchholz
M.A.
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