Peter Massing (Hrsg.): Politik vermitteln
Rezensiert von Dr. Harald Schmidt, 09.04.2013

Peter Massing (Hrsg.): Politik vermitteln. Legitimationsfragen in der Demokratie ; eine Einführung.
Wochenschau Verlag
(Frankfurt am Main) 2012.
108 Seiten.
ISBN 978-3-89974-739-3.
D: 9,80 EUR,
A: 10,10 EUR.
Reihe: Uni-Studien Politik.
Thema
Ein fundamentaler Baustein der Demokratie ist die Kommunikation. Die Vermittlung von politischen Entscheidungsprozessen in kommunikativen Akten stellt ein wesentliches Element der Legitimation dieser Akte dar. Zugleich mit der vielseits wahrgenommenen Zunahme von Komplexität der politischen Prozesse ist auch ihre Vermittlung in die Krise geraten. Oftmals werden kommunikative Akte nicht mehr als informativ und damit die Urteils- und Handlungsfähigkeit fördernd wahrgenommen, sondern sie erscheinen als manipulative „Meinungsmache“. Medien stehen in dem Ruf, eigene (profitorientierte) Agenden zu verfolgen. Und überforderte Bürger kapitulieren vermehrt vor der substanzarmen Informationsflut einer komplexen Welt. Diesem Problemfeld widmet sich der vorliegende Band.
Herausgeber und Autoren
Peter Massing ist Professor für Politikdidaktik am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin. Als Herausgeber kompiliert er Beiträge des renommierten Parteienforschers Oskar Niedermayer (ebenfalls Berlin) sowie der Politkwissenschaftler Christoph Bieber (Duisburg-Essen), Stefan Marschall (Düsseldorf) und Christian Stock (Erlangen-Nürnberg) und der Medien- bzw. Kommunikationswissenschaftler Ralph Weiß (ebenfalls Düsseldorf) und Patrick Donges (Greifswald).
Aufbau
Der Band von etwa 100 Seiten beginnt mit einer konzisen Einleitung des Herausgebers, auf die fünf selbstständige Beiträge der Autoren(teams) in etwa gleich gewichteten Umfängen folgen.
Inhalt
Peter Massing hat für diesen Band eine Reihe Autoren versammelt, welche das Themenfeld in ihren Beiträgen aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. Dabei ergänzen sich die politikwissenschaftliche und die medien- bzw. kommunikationswisenschaftliche Expertise zu einer beachtlichen Bandbreite des Problemaufrisses.
In Ihrem grundlegenden Beitrag veranschaulichen Stephan Marschall und Ralf Weiß zunächst die Bedeutsamkeit des wechselseitigen Prozesses der Politikvermittlung für die Legitimität repräsentativ-demokratisch verfasster Regimes sowie die in diesen gefällten politischen Entscheidungen. Danach befasst sich ein eigener Beitrag von Oskar Niedermayer mit der besonderen politischen Kommunikation, welche von Parteien als den nach wie vor bedeutsamsten Akteuren in Wahlkämpfen praktiziert wird. Er verdeutlicht, wie sehr die wahlweise als „Amerikanisierung“, „Modernisierung“ oder auch „Professionalisierung“ bezeichnete „Anpassung der parteipolitischen Kommunikation an Prozesse des gesellschaftlichen, technologischen und politischen Wandels“ (S. 43) den Parteien und ihren Exponenten Veränderungen in der Wahlkampfführung abverlangt. Die angesichtes dieser Tendenzen attestierte fortschreitende Aushöhlung der Parteibasen scheint allerdings mit der jüngsten Mode des „grassroots-campaignings“ einen hoffnungsvollen Kontrapunkt erhalten zu haben (S. 45).
Professionalisierung der Akteure attestiert auch Patrick Donges in seinem Beitrag zur Rolle der Massenmedien bei der Politikvermittlung. Diese hat demnach auch bei den top to bottom kommunizierenden politischen Akteuren Einzug erhalten, so dass sich in der Arena Spieler begegnen, die sehr genau um die erwünschten und unerwünschten potentiellen Folgen massenmedialer Politikvermittlung wissen und entsprechend miteinander ringen. Somit sei bei Medienberichterstattung vielmehr von einem Konstrukt zu sprechen, welches von der Interaktion multipler Spieler herrühre als von einer simplen Botschaftsübertragung (S. 60). Trotz der Veränderungen in der Medienlandschaft und dem damit einhergehenden Wandel der Regeln der Politikvermittlung blieben auf absehbare Zeit die traditionellen Massenmedien wichtig und wesentlich (S. 61).
Christoph Bieber ergänzt die Medienschau mit seinem Beitrag zu aktuellen Formen der Politikvermittlung im Internet. Dabei bestätigt auch er den Eindruck einer zunehmenden Professionalisierung der Politikvermittlung, die sich in beruflichen Rollenbildern niederschlägt. Andererseits ermögliche gerade das sogenannten Web 2.0 „mehr Menschen als je zuvor (…) eigenständiger Autor in öffentlichen Kommunikationsprozessen zu werden“ (S. 65/66). Es werden drei Arten der internetbasierten Kommunikation unterschieden. Während „klassisch“ politische Akteure über das Web Informationen – teils unter Umgehung der etablierten Medien – an Bürger übermitteln, hat sich längst auch die umgekehrte Kommunikationsrichtung etabliert. Vergleichsweise neu sei die „digitale Politikermittlung als kollaborativer Prozess“, bei der „dialogische Kommunikation zwischen Herrschenden und Beherrschten“ stattfinden soll (S. 77-80).
Auf die internationale Ebene hebt dann der letzte Beitrag von Christian Stock ab. Hier wird dargelegt, dass die Prozesse auf internationaler Ebene zwar zunehmend bedeutsam für die alltägliche Lebensführung des Einzelnen zugleich aber immer komplexer werden. Aufgrund einiger Strukturmerkmale der Internationalen Beziehungen sowie individueller Rezeptionsprobleme sei es besonders schwierig, die Verständnishürden zu überspringen und internationale Politik verständlich zu machen.
Diskussion
Der geringe Umfang dieses Bandes ist Stärke und Schwäche zugleich. Begrüßenswert sind die geringen Seitenzahlen als Einstiegsangebot für eine unter immer größerem Zeitdruck stehende Leserschar. Doch bei der Lektüre wird klar, dass die Autoren sich unter den knappen Raumvorgaben einer sehr dichten Darstellungsweise unter Auslassung jeglicher Exkurse verschreiben mussten. An vielen Stellen könnte sich der interessierte Leser mehr Details und eine raumgreifendere Darstellung der ausnahmslos wichtigen Teilaspekte wünschen. Aber der Band ist als Einführung angekündigt. Diesem Anspruch wird er zweifellos gerecht, indem er einen gut fundierten Problemaufriss liefert.
Leider gibt es nur in einem der Beiträge eine halbseitige Antwort auf die naheliegende Frage: „Wie geht es weiter?“. Christoph Bieber stellt sie und muss konzedieren, dass es gegenwärtig „noch vollkommen unklar“ sei, „inwiefern Formen der gemeinschaftlichen politischen Kommunikation im Vorfeld der Herstellung politischer Entscheidungen eine Zukunft haben“ (S. 80).
Ebenfalls nur in Teilen befriedigt wird die im Untertitel suggerierte Frage nach der Legitimität des noch jungen Wandels in der Politikvermittlung. Hier gäbe es interessante Aspekte näher zu beleuchten, so wie es in Ansätzen wiederum Christoph Bieber andeutet, wenn er die „Online-Kommunikation in sozialen Netzwerken als eher schwache Form politischer Meinungsäußerung und Unterstützung“ klassifiziert (S. 76/77).
Insgesamt überzeugt der Band durch seine leserfreundliche Gestaltung und handwerklich reife Aufmachung. Eine über die Einleitung hinaus gehende Zusammenfassung hätte als einendes Band fungieren und möglicherweise ein Zwischenfazit anbieten können.
Fazit
Die Kombination von politikwissenschaftlichen und kommunikationswissenschaftlichen Zugängen wird diesem facettenreichen und immens wichtigen Thema gerecht. In knappen Aufsätzen wird dem Leser viel Substanz geliefert, die zu einer eingehenderen Beschäftigung mit der Materie einlädt.
Rezension von
Dr. Harald Schmidt
M.A.
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