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Gerd E. Schäfer, Marjan Alemzadeh: Wahrnehmendes Beobachten

Rezensiert von Dipl.-Psychol. Aspasia Zontanou, 16.06.2014

Cover Gerd E. Schäfer, Marjan Alemzadeh: Wahrnehmendes Beobachten ISBN 978-3-86892-060-4

Gerd E. Schäfer, Marjan Alemzadeh: Wahrnehmendes Beobachten. Beobachtung und Dokumentation am Beispiel der Lernwerkstatt Natur. verlag das netz GmbH (Kiliansroda) 2012. 120 Seiten. ISBN 978-3-86892-060-4. D: 22,90 EUR, A: 23,60 EUR.

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Thema

Die Autoren stellen in einem theoretischen und praktischen Teil das professionelle Instrument des Wahrnehmenden Beobachtens vor als Methode bzw. Haltung des pädagogischen Handelns. „Beim wahrnehmenden Beobachten geht es nicht um Schwierigkeiten, die Kinder machen oder haben. Es geht auch nicht darum, was Kinder (noch) nicht können und deshalb lernen sollten. In erster Linie geht es um das, was Kinder an eigenen Möglichkeiten in ihre Bildungsprozesse einbringen.“ (S.27). Für die beiden Autoren ist dieser pädagogische Ansatz, angelehnt an die Reggio Pädagogik die „Grundlage einer Pädagogik, die inne hält, um zuzuhören, bevor wir fachlich antworten“. (S.9)

Herausgeber

Gerd E. Schäfer., ist Universitätsprofessor i.R. für Pädagogik der frühen Kindheit und Familie in der Universität zu Köln und Professor für Pädagogik der frühen Kindheit am Institut für musikalische Bildung in der Kindheit an der Hochschule für Künste in Bremen.

Marjan Alemzadeh arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „Lernwerkstatt Natur“ an der Universität zu Köln. Sie ist freiberufliche Fortbildnerin mit den Schwerpunkten Frühkindliche Entwicklung und Dokumentation, Kinder unter Drei und Bildungsbereich Natur.

Aufbau

Das Buch ist in einem DIN A4 Format optisch in grün und weiß gehalten mit zahlreichen Fotos von Kindergartenkindern im freien Spiel, in der Natur etc. Die sechs Kapitel sind nicht nummeriert, sondern werden durch eine grüne Seite und dem jeweiligen Titel des Kapitels mit weißen Buchstaben eingeleitet. Die beiden Autoren wechseln sich in den Kapiteln ab, wobei Gerd Schäfer mit dem theoretischen Teil: „Zum Bildungsverständnis“ und „Grundlegendes zum wahrnehmenden Beobachten“ startet und kurz vor Ende des Buches mit dem Kapitel „Wahrnehmendes Beobachten als Entwicklungsprozess“ abschließt, gefolgt von einem praktischen Teil von Marjan Alemzadeh „Die praktische Anwendung des wahrnehmenden Beobachtens – Eine Orientierungshilfe zum wahrnehmenden Beobachten“ und „Praktische Beispiele aus der Werkstatt Natur“. Zum Schluss fassen beide Autoren in „Rahmenbedingungen für das wahrnehmende Beobachten“ die wichtigsten Punkte, wie z.B. Bürozeiten, Ausstattung, etc. zusammen.

Außerdem ist dem Buch ein herausnehmbaren Poster in A3 Format, mit dem Titel: „Jasmins erste Erfahrungen im Wald“ auf dem verschiedene Fotos zu sehen sind, die den beschriebenen Prozess dokumentieren.

Inhalt

Im Vorwort schreiben die Autoren, dass sie beim Leser die „Freude am Beobachten wecken“ wollen und darüber hinaus „zeigen, was für die pädagogische Arbeit gewonnen werden kann wenn man Kindern im Sinne wahrnehmender Pädagogik begegnet“ (S.9).

Das ersten Kapitel „Zum Bildungsverständnis“ beginnt mit einer Beschreibung von Fotos, indem ein zweieinhalbjährigen Kind gezeigt wird, dass „ungefähr 25 Minuten lang fasziniert beobachtet und nachvollzieht, wie Buntstifte, die es mit der Spitze und nicht ganz senkrecht in eine kleine Platte aus Knete steckt, sich langsam zur Seite neigen und schließlich umfallen.“ Schäfer beschreibt ein „explorierendes Lernen“ indem der „Körper denkt“ (S.12) und nennt diese Art des Bildungsverständnisses „Bildung aus erster und zweiter Hand“ (S.13), Bilden aus erster Hand beruht auf den eigenen Erfahrungen, das von dem Wissen und Können anderer Menschen noch nicht vorgeordnet oder vorgedacht ist, es ist unbewusst- Während Lernen oder Bilden aus zweiter Hand „zuallererst ein Lernen über das Bewusstsein“ (S.13) ist und sich eignen muss die persönliche Erfahrungswelt verständlicher zu machen. Schäfer schlussfolgert in diesem Kapitel, dass eine Kultur des Lernens geschaffen werden sollte, indem die vier Potenziale (Selbstbildungspotenzial, Kommunikationspotential, Sachpotential und Strukturpotential) zusammenspielen.

Im Kapitel „Grundlegendes zum wahrnehmenden Beobachten“ definiert Schäfer wahrnehmendes Beobachten nicht als Diagnostikinstrument, indem es darum geht Schwierigkeiten, die Kinder haben oder machen zu beobachten, oder noch nicht können und deshalb lernen sollten. „In erster Linie geht es um das, was Kinder an eigenen Möglichkeiten in ihre Bildungsprozesse einbringen“ (S.27) und fasst als Schlusswort des Kapitels zusammen „Wie muss ich mir die Situation des Kindes und sein Erleben vorstellen, damit das was ich von ihm wahrnehme, sinnvoll erscheint? Gefragt ist also eine Perspektive, in der das Tun und Erleben des Kindes einen Sinn hat, auch wenn es aus der Außenperspektive vielleicht für sinnlos gehalten werden kann.“ (S.35).

Marjam Alemzadeh beschreibt ausführlich die praktischen Schritte des wahrnehmenden Beobachtens:

  1. Wahrnehmendes beobachten,
  2. Beschreiben,
  3. Reflektieren,
  4. Dokumentieren,

Und im nächsten Kapitel „Eine Orientierungshilfe zum wahrnehmenden Beobachten“ bieten beide Autoren durch verschiedene Fragen wie z.B. „Was ist wahrnehmendes Beobachten?“, „Wozu dient wahrnehmendes Beobachten?“ usw. eine Art Definitionsgrundlage oder Leitfaden, der sich im weiteren Kapitel „Praktische Beispiele aus der Lernwerkstatt Natur“ als nützlich erweisen wird, denn dort stellt Marjam Alemzadeh neun Beispiele oder neun Geschichten vor, so geht es z.B. in dem „Beispiel 1 Kinder sind Ästheten-Eine Einführung in wahrnehmendes Beobachten“ (S.61) angefangen mit dem Dokumentationsdatum, Name und Alter des Kindes, Name der Beobachterin, Dauer der Beobachtung und Ort der Beobachtung um die 4,6 Jahre alte Marie, die durch den Wald geht und auf ein paar Kinder aufmerksam wird die Moos gefunden haben. Die Beobachterin beschreibt in dieser Geschichte auch mit Hilfe von Fotos wie Marie mit dem Moos befühlt, sammelt, abkratzt mit der Schaufel den Eimer mit Moos füllt usw. ihre Interaktion mit der Beobachterin, den anderen Kindern Tieren. Sie entdeckt später eine matschige Stelle: „Marie hat eine Idee, was sie mit der lehmigen Erde machen kann, schaut mit leuchtenden Augen zu mir hoch und sagt: „Ich färbe den Baum“, Sie sammelt etwas Lehm auf ihrer Schaufel und streicht es über einen dicken Baum“ (S.62).

Abschließend erklärt Gerd Schäfer, in „Wahrnehmendes Beobachten als Entwicklungsprozess“, dass wahrnehmendes Beobachten keine Methode sondern eine Haltung sei, der Weg dorthin brauche Zeit, sei eine Entwicklung (S.115).

Die beiden Autoren stellen nochmal die Rahmenbedingungen vor, sowie das Projekt „Lernwerkstatt Natur“, dessen Leitung Prof. Dr. Gerd E. Schäfer hatte, den Standort, Stiftung sowie die Beteiligten.

Fazit

Beim Durchlesen dieses Buches, bekommt der Leser Lust, sich auf eine Entdeckungsreise zu machen und das bereits Vernommene in Bild und Sprache über die Selbstbildungspotentiale der Kinder selbst zu beobachten. Dabei wird deutlich, dass die eigene Haltung bzw. Perspektive verändert werden muss, es ist eine andere Annäherung ans Kind, die Welt wird durch dessen Augen gesehen und versucht zu verstehen, gleichzeitig ist der Bobachter auch nicht passiv. Ein spannendes neues Lernfeld, das gut ausprobiert werden kann im Kindergartenalltag, der Wechsel zwischen theoretischem und praktischem Teil ist angenehm, gut verständlich und in einer lebendigen, schönen Sprache geschrieben. Marjam Alememzadehs Freude, mit Kindern die Natur zu entdecken, ist ansteckend. Sie beschreibt einfach und übersichtlich wie dieses pädagogische Haltung im Alltag einer Kindertagesstätte umgesetzt werden kann.

Rezension von
Dipl.-Psychol. Aspasia Zontanou

Es gibt 11 Rezensionen von Aspasia Zontanou.

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Zitiervorschlag
Aspasia Zontanou. Rezension vom 16.06.2014 zu: Gerd E. Schäfer, Marjan Alemzadeh: Wahrnehmendes Beobachten. Beobachtung und Dokumentation am Beispiel der Lernwerkstatt Natur. verlag das netz GmbH (Kiliansroda) 2012. ISBN 978-3-86892-060-4. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/14099.php, Datum des Zugriffs 20.09.2024.


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