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Guido Knopp, Stefan Brauburger et al.: Der Heilige Krieg

Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 11.12.2012

Cover Guido Knopp, Stefan Brauburger et al.: Der Heilige Krieg ISBN 978-3-570-10079-0

Guido Knopp, Stefan Brauburger, Peter Arens: Der Heilige Krieg. Mohammed, die Kreuzritter und der 11. September. C. Bertelsmann (München) 2011. 384 Seiten. ISBN 978-3-570-10079-0. D: 24,99 EUR, A: 25,70 EUR, CH: 38,90 sFr.

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Ohne Wissen voneinander gibt es kein Verständnis füreinander,

„Kein Krieg ist heilig!“, diese Erkenntnis ist in der Geschichte der Menschheit eine zwar immer wieder geäußerte Hoffnung, dass der Mensch als zôon politikon, als politisches Lebewesen, aufgrund seiner Vernunftfähigkeit und Tugendhaftigkeit danach strebt, ein „gutes Leben“ zu führen (Aristoteles); gleichzeitig aber wird deutlich, dass die Zuversicht, dass der Mensch des Menschen Gott wäre, immer wieder und zu allen Zeiten konterkariert wird durch die Wirklichkeit, dass der Mensch des Menschen Feind sei (Thomas Hobbes). Insbesondere seit die Welt sich immer interdependenter, entgrenzender, globalisierter und unübersichtlicher entwickelt, kommt der Frage „Krieg oder Frieden“ eine immer größere, existenzsichernde Bedeutung für die Menschheit zu (Matthias Lutz-Bachmann / Andreas Niederberger, Hrsg., Krieg und Frieden im Prozess der Globalisierung, 2009, www.socialnet.de/rezensionen/8045.php).

Entstehungshintergrund und Autorenteam

Der Begriff „Heiliger Krieg“ wird im allgemeinen definiert als eine gewaltsame, militärische Auseinandersetzung, die auf religiösem Denken und Glaubensvorstellungen beruht. Der Krieg wird im Namen und im Auftrag Gottes geführt, gegen Anders- und Ungläubige. Bereits in der Antike und sicherlich auch schon vorher wurden Götter befragt, ob ein Krieg geführt werden solle, und das Orakel legitimierte gleichsam zum Krieg. Im Römischen Reich, im Judentum und Christentum werden die Götter und wird der Gott als Krieger und Retter vor den ungläubigen Feinden dargestellt, und ein Sieg über die Feinde wird dem göttlichen Schutz und Verdienst zugerechnet. Auch wenn im frühen Christentum theologisch begründet wurde, dass der Krieg und der Kriegsdienst unchristlich seien, wurde in den Glaubenskriegen, die zur Ausdehnung des „einen wahren Glaubens“ führten, als „heilige Kriege“ legitimiert. Die Kreuzzüge der christlichen Heere zur Verteidigung der Geburtsstätte Jesu und des Glaubensortes Jerusalem und gegen die Ketzer, Heiden und Glaubensfeinde wurden von den Päpsten und Bischöfen mit der Formel begründet und gefördert: „Gott will es!“. Und den im „heiligen Krieg“ gefallenen Kämpfern aus den eigenen Reihen wurde ein besonderer Platz im Paradies in Aussicht gestellt. In den späteren Jahrhunderten war es der „gerechte Krieg“, der Legitimation und Bestätigung für das Kriegshandwerk bot und politische Begründungen ermöglichte: Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln (Clausewitz). Vaterländische, nationalistische, faschistische, imperiale, koloniale und ethnische Vorstellungen führten zur Bestätigung, dass Kriege unvermeidbar seien, um Macht(geltung) zu erringen. Die mittelalterlichen Kreuzzüge dienten dabei als Grundlage für die Heiligung und Segnung des Krieges durch die Religion. Ideologien der kulturellen, moralischen und geistigen Vormachtstellung und der Aufteilung der Menschheit in arisierte und barbarische Geschöpfe waren schließlich im Ersten und Zweiten Weltkrieg die bestimmenden Merkmale für „heilige Kriege“ auf beiden Seiten. Die „neuen“ Kriege, etwa im ehemaligen Jugoslawien (Kurt Gritsch, Inszenierung eines gerechten Krieges? Medien und der „Kosovo-Krieg“ 1999, 2010, www.socialnet.de/rezensionen/13691.php) nehmen die Terminologie und die Begründungszusammenhänge auf.

Bestimmend für die heutige Benutzung des Begriffs „Heiliger Krieg“ sind vor allem die im Islam formulierten Deutungen und Rechtfertigungen, wie sie sich im „Dschihad“ darstellen. Die unterschiedlichen Bewertungen der religiösen Formel entweder als Anstrengung auf dem Weg zu Allah, oder als Kampf gegen Ungläubige (Gilles Kepell, Jihad. Expansion et déclin de l?islamisme, Paris 2006, 751 S.), wie auch die Prognosen, dass Kriege künftig als „Kampf der Kulturen“ (Huntington) stattfänden, finden in den aktuellen Bemühungen um globale Verständigung einen neuen, hoffnungsvollen Ansatz (Kai Hafez, Heiliger Krieg und Demokratie. Radikalität und politischer Wandel im islamisch-westlichen Vergleich, 2009, www.socialnet.de/rezensionen/8667.php).

Es sind nicht zuletzt die von den Vereinten Nationen ausgehenden, in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 formulierten und in der Präambel der UNESCO vom 16. November 1945 grundgelegten Aufforderungen, Kriege zu verhindern und Frieden zu schaffen, weil „Kriege im Geist der Menschen entstehen, (müssen) auch die Bollwerke des Friedens im Geist der Menschen errichtet werden“, die Frieden neu definieren, als Ehrfurcht vor dem Leben, als kostbarstes Gut der Menschheit, mehr als das Ende bewaffneter Auseinandersetzung, als ganz menschliche Verhaltensweise, als tiefverwurzelte Bindung an die Prinzipien der Freiheit, der Gerechtigkeit, der Gleichheit und der Solidarität zwischen allen Menschen, und als harmonische Partnerschaft von Mensch und Umwelt (International Congress on Peace in the Minds of Men vom 26. 6. bis 1. 7. 1989, UNESCO, Paris 1989, Deutsche UNESCO-Kommission, Internationale Verständigung, Menschenrechte und Frieden als Bildungsziel, Bonn 1992, S.39).

Anlässlich des Jahrestages von „9/11“ haben der Leiter der ZDF-Redaktion „Zeitgeschichte“, Guido Knopp, der stellvertretende Redaktionsleiter Stefan Brauburger und der Leiter der Hauptredaktion “Kultur und Wissenschaft“, Peter Arens, 2011 ein Buch vorgelegt, das sich mit der Frage beschäftigt, warum Mächte in der Welt immer wieder Glaubenskriege gegeneinander führten (und führen), obwohl ihre Offenbarungsreligionen den Frieden verkünden. Es ist entstanden im Kontext der fünfteiligen ZDF-Dokumentation „Der Heilige Krieg“, die im August 2011 ausgestrahlt wurde.

Aufbau und Inhalt

Die Gliederung folgt den Titeln, die in der ZDF-Dokumentation „Der Heilige Krieg“ formuliert wurden:

  • „Das Schwert des Propheten“ (Dienstag, 16. August 2011, 20.15 Uhr),
  • „Kreuzzug nach Jerusalem“ (Sonntag, 21. August 2011, 19.30 Uhr),
  • „Die Türken vor Wien“ (Dienstag, 23. August 2011, 20.15 Uhr),
  • „Dschihad für den Kaiser“ (Sonntag, 28. August 2011, 19.30 Uhr) und
  • „Terror für den Glauben“ (Dienstag, 30. August 2011, 20.15 Uhr).

Rückblicke auf die Geschichte und die prägenden Ereignisse der jeweiligen Berichtsphase, zeitgeschichtliche Reflexionen und kulturelle, religiöse, politische und gesellschaftliche Analysen bilden eine faszinierende Vielfalt der historischen Ereignisse ab und bieten Begründungszusammenhänge und Erklärungsmuster an. Die ausgewählten, in Schwarz-Weiß und farbiger Qualität abgedruckten Bilddokumente und Kartenmaterialien veranschaulichen die Texte in herausragender didaktischer Ansprüchlichkeit. Hilfreich die jeweils zu den einzelnen Schwerpunktdarstellungen herausgehobenen kurzen und prägnanten Erklärungsabschnitte, wie z. B.:

  • „Christianisierung durch das Schwert“,
  • „Monotheismus und die Sakralisierung des Krieges“,
  • „Der Kreuzzug der Kinder“,
  • „Die Derwische“,
  • „Enver Pascha“,
  • „Völkermord an den Armeniern“,
  • „Ägypten als Wiege des modernen Islamismus“,
  • „Saudi-Arabien: Exporteur von Öl und Fundamentalismus“,
  • „Al-Qaida“,
  • „Osama Bin Laden“,
  • „Pakistan im Zwielicht“…

Die Geschichte geht weiter, mit dem so genannten „arabischen Frühling“, dessen Verlauf (und Erfolg) aktuell nicht vorhersehbar ist, jedoch von der Hoffnung genährt wird, dass sich demokratische Gesellschaftsmodelle durchsetzen, die den weltweit sich formierenden Terroraktivitäten, den islamistischen Bestrebungen, „Gottesstaaten“ zu errichten, einen energischen Riegel vorschieben. Es gilt, ein aufgeklärtes Bewusstsein aufzubauen, dass „der Islam als ‚dunkle Macht in der Welt von morgen‘ ( ) ein Zerrbild (war)“. Es ist notwendig, den interkulturellen und interreligiösen Dialog zu befördern mit Information und Aufklärung: „Eine Milliarde Muslime gibt es auf der Welt – Asiaten, Afrikaner, Araber, Perser, Turkvölker –, doch sie bilden keinen monolithischen Block und können deshalb auch keine geballte Gefahr darstellen“.

Ein Personen- und Orts- und Sachregister erleichtern dem Leser die Lektüre, und ein ausgewähltes Literaturverzeichnis zu den fünf Kapiteln des Buches bieten eine weitergehende Auseinandersetzung mit der Thematik an.

Fazit

Das Autorenteam will mit dem gut aufgemachten, bebilderten, mit Quellenmaterialien versehenen, inhaltlich gehaltvollen und sprachlich gekonnt formulierten Buch „Der Heilige Krieg“ mit der Reflexion über die Erbmassen der Vergangenheit, den „Dialog der Kulturen“ intensivieren: „Eine solche Kommunikation braucht zuallererst die Bereitschaft, etwas erfahren zu wollen über den anderen… neugierig auf das andere (zu) sein, sich aus(zu)tauschen über das Gemeinsame und Verschiedene“. Die ZDF-Dokumentation hat dazu geführt, dass mittlerweile eine Reihe von im Internet abrufbare Informations- und Unterrichtsmaterialien zur Thematik angeboten werden; ohne Zweifel und ohne Einschränkungen ist auch das Buch von Guido Knopp, Stefan Brauburger und Peter Arens geeignet, die schulische und außerschulische Auseinandersetzung darüber zu intensivieren, „dass sich religiöse Normen nicht über Prinzipien der freiheitlichen Verfassung erheben“ dürfen. Es gilt, die Aufklärung zu befördern, dass „Heilige Kriege“, wer sie auch immer propagiert, fordert oder visioniert, „nie heilig waren oder sind und dass sie einer vergangenen Zeit angehören“.

Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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Es gibt 1695 Rezensionen von Jos Schnurer.

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ISSN 2190-9245