Sascha M. Buchinger: Personalmarketing in der stationären Altenhilfe
Rezensiert von Prof. Dr. Bernd Halfar, 27.05.2014
Sascha M. Buchinger: Personalmarketing in der stationären Altenhilfe. Fachkräfte gewinnen und halten.
Kohlhammer Verlag
(Stuttgart) 2012.
217 Seiten.
ISBN 978-3-17-022121-5.
32,00 EUR.
Reihe: Pflegemanagement.
Thema
Das Thema „Personalmangel in der stationären Altenhilfe“ wird, zumeist im Jammerton, aller Orten vorgetragen. Die Aufführung dieses Klagegesangs wird in der Regel durch die Forderung an die Politik begleitet, die Bedingungen für den Altenpflegeberuf sofort zu verbessern. Der Klagechor gehört zu einem Ensemble, das JETZT etwas bemerkt, was seit Jahrzehnten klar erkennbar war: demographische Entwicklungen, Personalkapazitäten, Ausbildungskapazitäten… Viele Manager in der Altenhilfe haben jahrelang die anstehenden und klar erkennbaren Aufgaben im Personalmanagement verschlafen und berichten nun vom Personalmangel wie von einem plötzlichen Vulkanausbruch.
Da ist es wohltuend, dass Sascha Buchinger ein fundiertes Buch vorlegt, das offensichtlich nicht mit dem Blick auf die Klagemauer, sondern mit unverstelltem Blick auf das weite Feld der Möglichkeiten geschrieben wurde.
Aufbau
Das Buch hat zehn Kapitel.
Das erste Kapitel ist richtig gut, und berichtet, komprimiert und kompetent, von den Entwicklungen in der stationären Altenhilfe. Man erfährt „alles“: von einem Heimsogeffekt über das Einzugsalter in Pflegeheimen, über Multimorbidität, Demenz und Fachkräftemangel. Das Kapitel ist eine Fundgrube, kein aufgeräumtes Regal, aber anregend.
Was kann man kurzfristig gegen Personalknappheit tun? Das 2. Kapitel lesen und sich mit den dort aufgeführten Vor- und Nachteilen der Leiharbeit auseinandersetzen.
Wenn man nach nachhaltigen Strategien sucht, den Personalmangel anzupacken, liest man das dritte Kapitel. Da lernt man einiges über Fluktuation im Pflegebereich, über Fluktuationskosten, über Personalakquise, über Employer Branding (es ist nicht ganz falsch, das mit einem Arbeitgeber, der brennt, zu übersetzen…).
Im 4. Kapitel werden die Beschäftigungsverhältnisse in der Altenhilfe erläutert: die Aufnahme in dieses Kapitel wirkt etwas zufällig, aber trifft einige Nägel auf den Kopf, andere eben nicht.
Das anschließende 5. Kapitel ist ein Kernstück des Buches und analysiert die Arbeitsbedingungen in der Pflege. Alle einzelnen Punkte, die Buchinger hier aufführt, haben mich interessiert; ob es das Image des Berufes ist oder die Aufstiegschancen oder die ständige Überforderung oder der Zeitdruck oder Aspekte der Schichtdienstes und der Arbeitsorganisation, Absentismus oder – ausführlich – Mobbing im Altenpflegeberuf –, und mich haben auch die vom Autor vorgeschlagenen Lösungsansätze interessiert, ob es sich um Konzepte der Arbeitszufriedenheit, der reduzierten Arbeitsbelastung, der Entlohnung undundund handelt. Alles interessant. Ein kleines Aber hat der Rezensent dennoch: findet man empirisch oder zumindest in der Literatur nur diese Dramaturgie, gibt es nicht auch nicht überlastete, nicht unzufriedenene, nicht gemobbte Mitglieder des Berufsstandes? Sind wirklich alle Schwäne schwarz? Und trotzdem: ein informationsreiches Kapitel.
Wenn man die vorgetragenen Lösungsalternativen in Betracht ziehen will, kommt man ohne das direkte Verhalten und über das indirekte Verhalten von Führungskräften nicht aus, und sollte deshalb die Kapitel 6 und 7 des Buches lesen. Diese beiden Kapitel zeigen, und zwar ziemlich konkret und umsetzbar, die Bedeutung und Handlungschancen von Führungskräften zur Abfederung der kritischen Personalsituation in stationären Einrichtungen. Da in der wissenschaftlichen Literatur die Bedeutung des unmittelbaren Vorgesetzten als zentraler Erfolgsfaktor für Dienstleistungsunternehmen klar bewiesen ist, ist dieser Abschnitt zu Recht ausführlicher geraten und befasst sich mit einer Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten, und auch indirekten, aber beeinflussbaren Faktoren, in der Personalführung.
Das Personal selbst wird in seiner physischen und psychischen Verfassung im anschließenden achten Kapitel beschrieben. Auch hier bleibt der Autor nicht an der Oberfläche, sondern liefert gute Informationen und begründet die Relevanz dieser Informationen. Wir lesen über Gewichtszunahmen, über betriebliche Gesundheitsprogramme in der Altenpflege, über Altersstrukturen des Personals und über Potenziale altersgemischter Pflegeteams.
Nach den Möglichkeiten des Personalmanagements für das Bestandspersonal entwickelt Buchinger im neunten Kapitel gute Vorschläge für das Ausbildungswesen im Pflegeberuf. Auch hier argumentiert der Autor fundiert, empirisch abgesichert und praxistauglich.
Auch die Möglichkeiten der Institution, die im anschließenden und abschließendem zehnten Buchkapitel dargelegt werden, bieten viele gute Anregungen: von der systematischen Einarbeitung, über verschiedene Formen der Arbeitszeitgestaltung, für Dienstplan und persönliche Arbeitszeitmodelle – , über Kinderbetreuungsangebote und konzeptionelle Ideen in der Pflegeorganisation.
Fazit
Das Buch ist gelungen. Es ist kein Marketingbuch, das etwas Praxisgeschmack, in Form von einigen Beispielen aus einem Praxisfeld als Illustrationsmaterial anbietet, aber ansonsten das elendig oft durchgekaute Marketingmix mit den üblichen, lärmenden Parolen „Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler…“ wiederholt, sondern es ist ein gutes Marketingbuch: es gibt ein Problem, es gibt Lösungsansätze auf verschiedenen Ebenen, es gibt jeweils eigene Methoden und Verfahren und es gibt segmentspezifische Informationen, die man kennen muss, wenn man Personalmarketing in der stationären Altenpflege erfolgreich gestalten will.
Rezension von
Prof. Dr. Bernd Halfar
Es gibt 38 Rezensionen von Bernd Halfar.
Zitiervorschlag
Bernd Halfar. Rezension vom 27.05.2014 zu:
Sascha M. Buchinger: Personalmarketing in der stationären Altenhilfe. Fachkräfte gewinnen und halten. Kohlhammer Verlag
(Stuttgart) 2012.
ISBN 978-3-17-022121-5.
Reihe: Pflegemanagement.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/14166.php, Datum des Zugriffs 08.09.2024.
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