Thiemes Altenpflege in Lernfeldern
Rezensiert von Dr. phil. Hubert Kolling, 12.11.2012

Thiemes Altenpflege in Lernfeldern. Georg Thieme Verlag (Stuttgart) 2012. 1007 Seiten. ISBN 978-3-13-145532-1. D: 39,99 EUR, A: 41,20 EUR, CH: 56,00 sFr.
Thema
Seit 1969 gibt es den Beruf der Altenpflege. Altenpfleger und Altenpflegerinnen pflegen und betreuen kranke beziehungsweise alte Menschen im Rahmen der ambulanten und häuslichen Krankenpflege beispielsweise durch Sozialstationen in deren Wohnung oder stationär in Alten- und Pflegeheimen. Daneben kommen sie auch in Rehakliniken, Tagesstätten und in geriatrischen Krankenhäusern zum Einsatz; einige sind auch freiberuflich tätig. Die entsprechende Ausbildung zu dem Beruf, die heute drei Jahre mit mindestens 2.100 Stunden Unterricht und 2.500 Stunden praktischer Ausbildung umfasst, war lange Zeit uneinheitlich, weil sie von den einzelnen Bundesländern individuell geregelt wurde. Erst nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes bezüglich der „Bundeskompetenz zur Regelung der Zulassung und der Ausbildung der Altenpflegerinnen und Altenpfleger“ wurde das bundeseinheitliche Altenpflegegesetz (AltPflG) angenommen, das am 1. August 2003 in Kraft trat. Während die Altenpflege seither explizit zu den Heilberufen gehört, wird die Ausbildung in der Altenpflegehilfe weiterhin von den einzelnen Bundesländern geregelt.
Autorenteam, Fotos und Grafiken
„Thiemes Altenpflege in Lernfeldern“ stammt aus der Feder von über 50 AutorInnen der Thieme-Verlagsgruppe, die verschiedenen Berufsgruppen angehören, darunter neben ÄrztInnen, PflegepädagogInnen, Fachkranken- und GesundheitspflegerInnen auch die beiden PflegewissenschaftlerInnen Prof. Dr. Sabine Bartholomeyczik (Witten) und Prof. Dr. Michael Ewers (Berlin).
Die Fotografien stammen von Werner Krüper, Roman Stöppler, Alexander Fischer und aus dem Pflegefotoarchiv der Thieme Verlagsgruppe; die Graphiken (Neuzeichnungen) besorgten Angelika Brauner und Helmut Holtemann. Gestaltung und Layout lag in Händen von Tina Hinkel.
Entstehungshintergrund
Die dreijährige Ausbildung in der Altenpflege soll nach dem Gesetz die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln, die zur selbstständigen und eigenverantwortlichen Pflege einschließlich der Beratung, Begleitung und Betreuung alter Menschen erforderlich sind. Während die Gesundheits- und Krankenpflege die Versorgung der gesamten Bevölkerung einbezieht, zielt die Ausbildung in der Altenpflege auf die Versorgung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, die jedoch nicht ganz klar umschrieben werden kann. Sie umfasst neben der Krankenpflege auch sozialpflegerische, gerontopsychologische, betreuende und auch unterhaltende Anteile. Die früheren Schulfächer, jetzt Schwerpunkte genannt, zum Beispiel Pflege, Biologie und Gerontologie, sind nach dem neuen Gesetz thematisch sortiert und verteilt worden. Es gibt Klassenarbeiten in sogenannten „Lernfeldern“, die eventuell von verschiedenen Lehrern in verschiedenen Schwerpunkten unterrichtet werden. Während manche Lernfelder nach wenigen Unterrichtstagen abgeschlossen sind, gibt es andere dagegen in allen drei Schuljahren. Diese Lernfelder wiederum wurden in vier „Lernbereiche“ zusammengefasst. Diese Lernbereiche, neben Religion und Deutsch, heißen:
- Aufgaben und Konzepte in der Altenpflege
- Unterstützung alter Menschen bei der Lebensgestaltung
- Rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen (altes Fach Rechtskunde)
- Altenpflege als Beruf (altes Fach Berufskunde).
Unter der Überschrift „Thiemes Altenpflege in Lernfeldern“ legte der Thieme-Verlag (Stuttgart) im Jahre 2008 erstmals die Inhalte von drei Jahren Ausbildung – immerhin 4.600 Stunden Theorie und Praxis – zusammengefasst in einem Buch vor. Dabei orientierte sich das knapp 2,5 kg schwere Werk im DIN-A-4-Format mit seinen rund 1.000 Seiten eng am Altenpflegegesetz und der Altenpflegeausbildungs- und Prüfungsordnung (AltPflAPrV) sowie an den Vorgaben der Länder und deren Curricula. Nach vier Jahren liegt nun die zweite, aktualisierte Auflage des Buches vor.
Aufbau und Inhalt
Zum Aufbau und Inhalt des Buches heißt es im Vorwort: „Das Buch wurde nach dem Gesetzeswortlaut strukturiert. Die Angaben für die Unterrichtsstunden wurden zu den Seiten des Buches ins Verhältnis gesetzt. Somit haben die Themen mehr Umfang, die auch mit einer höheren Stundenzahl unterrichtet werden. Jedes Bundesland hat zudem seine spezifischen Themen. In einem großangelegten Abgleich wurden die Inhalte der Curriculum des KDA und die Curricula aus NRW, Saarland, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg miteinander verglichen. Besondere Themen wurden ergänzend aufgenommen, um die Wünsche aller Bundesländer befriedigen zu können“ (S. V).
Entsprechend den gesetzlichen Rahmenbedingungen gliedert sich der Band in die folgenden vier, farblich markierten Lernbereiche:
- Aufgaben und Konzepte in der Altenpflege (S. 1-623)
- Unterstützung alter Menschen bei der Lebensgestaltung (S. 625-764)
- Rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen altenpflegerischer Arbeit (S. 765-832)
- Altenpflege als Beruf (S. 833-957).
Die einzelnen Lernbereiche sind in insgesamt 14 Unterbereiche (die sogenannten Lernfelder) gegliedert, die ihrerseits in zirka 700 jeweils in sich abgeschlossenen Unterthemen unterteilt sind. Dank einer übersichtlich gestalteten Gesamtgliederung (S. XI-XVI), die eine rasche Orientierung erlaubt, ist das mit 618 Farbfotos, 359 Grafiken und 109 Tabellen ansprechend gestaltete Buch sehr benutzerfreundlich.
Durchgehend zeigen zur schnellen Orientierung in einer Marginalspalte folgende farbliche Hervorhebungen:
- B – Beispiele aus der Pflegepraxis (orange)
- D – Definitionen wichtiger Begriffe (blau)
- M – Sachverhalte, die man sich merken sollte (rot)
- P -Tipps für die Praxis (grau)
- I – Infos über weiterführende Literatur und Internetadressen (lila).
Darüber hinaus verweisen umfangreiche Querverweise darauf, wo man innerhalb des Buches „Zusätzliches zum Thema“ findet. Wer dann noch weitergehende Informationen wünscht, wird in einem Literaturverzeichnis (S. 958-973) auf vertiefende Nachschlagewerke verwiesen. Hier sei darauf hingewiesen, dass das im Jahre 1997 von Dr. Horst-Peter Wolff herausgegebene „Biographische Lexikon zur Pflegegeschichte“ inzwischen drei Bände umfasst, denen – als neuer Herausgeber – Dr. Hubert Kolling 2008 einen vierten, 2011 einen fünften (vgl. die Rezension von Dr. Karin Hermanns unter www.socialnet.de/rezensionen/11459.php) und 2012 einen sechsten Band folgen ließ.
Bestens erschlossen wird der opulente Band durch ein sehr detailliertes Sachverzeichnis (S. 974-1007).
Diskussion
Aufgrund des demographischen Wandels ist die Zukunft pflegebedürftiger Menschen zu einer Schlüsselfrage unserer Gesellschaft geworden. So ist der Pflegebedarf mit der Zahl etwa altersverwirrter Personen in den letzten Jahren enorm angestiegen, wobei noch kein Ende der Entwicklung in Sicht ist. Angesichts durchaus begrenzter Ressourcen wird daher verstärkt auf Pflegekonzepte gesetzt, welche die Elemente der Prävention, der Rehabilitation sowie der Beratung und Schulung stärker berücksichtigen. Spätestens mit der Einführung der Pflegeversicherung 1995 wurde – unter dem Motto „ambulant vor stationär“ – auch der ambulante Bereich in der Pflege gestärkt. Seither ist vor allem auch die Bedeutung der häuslichen Pflege gestiegen. Keine Frage also, dass es in der Altenpflege einer qualifizierten Ausbildung beziehungsweise kompetenter Lehrbücher bedarf. „Altenpflege in Lernfeldern“, ein in doppeltem Sinne schwergewichtiger Band, vereint hierbei die wichtigsten Inhalte aus der Pflege, Krankheitslehre, Anatomie und Physiologie in einem Buch.
Für den vom Verlag unter dem Motto „Alles was Sie brauchen – kurz und gut!“ beworbenen Band dienten als Ausgangsbasis die folgenden Werke aus dem Georg Thieme Verlag:
- Andreae / Hayek / Weniger: Krankheitslehre, 3. Auflage, Stuttgart 2011
- Charlier: Soziale Gerontologie, 2. Auflage, Stuttgart 2010
- Ekert / Ekert: Psychologie für Pflegeberufe, Stuttgart 2005
- Hell: Alles Wissenswerte über Staat, Bürger, Recht, 5. Auflage, Stuttgart 2007
- Köther: Altenpflege, 3. Auflage, Stuttgart 2011
- Kellnhauser: Thiemes Pflege, 11. Auflage, Stuttgart 2009
- Lauber: Grundlagen beruflicher Pflege, 2. Auflage, Stuttgart 2007
- Lauber / Schmalstieg: Wahrnehmen und Beobachten, 2. Auflage, Stuttgart 2007
- Lauber / Schmalstieg: Prävention und Rehabilitation, 2. Auflage, Stuttgart 2007
- Perrar: Gerontopsychiatrie für Pflegeberufe, 2. Auflage, Stuttgart 2011.
Es ist zu begrüßen, dass „Altenpflege in Lernfeldern“ nach vier Jahren auf den aktuellen Stand gebracht und nun in einer zweiten, aktualisierten Auflage vorliegt. In Hinblick auf den enormen Umfang, die praktische Handhabbarkeit und nicht zuletzt wegen der starken Beanspruchung beziehungsweise Abnutzung, die die Nutzung von einem Buch („3 in 1 – Pflege, Krankheitslehre, Anatomie und Physiologie“) während der dreijährigen Ausbildung zwangsläufig mit sich bringt, wäre die Ausstattung des Bandes mit einem festen Einband sinnvoll gewesen.
Fazit
„Thiemes Altenpflege in Lernfeldern“ bietet seinen Nutzern die gesetzlich vorgeschriebenen Inhalte der dreijährigen Ausbildung zur AltenpflegerIn in einem übersichtlich gegliederten und benutzerfreundlichen Buch vereint. Wer unterdessen über die geforderten Mindestanforderungen hinaus tiefer in die Materie einsteigen möchte, muss auf andere Lehrbücher zurückgreifen.
Rezension von
Dr. phil. Hubert Kolling
Krankenpfleger, Diplom-Pädagoge und Diplom-Politologe
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