Monika Zimmermann: Naturwissenschaftliche Bildung im Kindergarten
Rezensiert von Prof. Dr. Hilde Köster, 02.11.2012

Monika Zimmermann: Naturwissenschaftliche Bildung im Kindergarten. Eine integrative Längsschnittstudie zur Kompetenzentwicklung von Erzieherinnen.
Logos Verlag
(Berlin) 2011.
604 Seiten.
ISBN 978-3-8325-3053-2.
D: 54,00 EUR,
A: 55,50 EUR,
CH: 94,00 sFr.
Reihe: Studien zum Physik- und Chemielernen - Band 128.
Thema
Naturwissenschaftliche Bildung im Kindergarten: Eine integrative Längsschnittstudie zur Kompetenzentwicklung von Erzieherinnen.
Entstehungshintergrund
Die Dissertation zum Thema ‚Naturwissenschaftliche Bildung im Kindergarten: Eine integrative Längsschnittstudie zur Kompetenzentwicklung von Erzieherinnen‘ von Dr. Monika Zimmermann entstand im Rahmen eines an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg durchgeführten und von der Heidelberger Klaus-Tschira-Stiftung gGmbH unterstützten Forschungsprojektes mit dem Titel: „Mit Kindern die Welt entdecken“.
Forschungsleitend war das ambitionierte Ziel, eine Balance zwischen hohem wissenschaftlichem Anspruch und problem- und bedürfnisorientiertem Praxisbezug zu finden. Ohne der folgenden Besprechung vorweg greifen zu wollen, kann konstatiert werden, dass dieses ambitionierte Ziel erreicht wurde.
Aufbau und Inhalt
Forschungsfragen, -ziele und
Ergebnisse. Die neuere ausdrückliche bildungspolitische
Forderung nach einer stärkeren Betonung des Bildungsauftrags des
Kindergartens verstärkt die Fortbildungsflut im Bereich früher
naturwissenschaftlicher Bildung. Der hohen Anzahl und Variation
derartiger Maßnahmen steht ein verschwindend geringer Anteil an
Evaluationsmaßnahmen gegenüber, die sich mit der Frage der
tatsächlich nachhaltigen Qualität und Wirkung solcher
Fördermaßnahmen für Erzieherinnen theoriebasiert
auseinandersetzen. Die vorliegende Arbeit hat sich dieser Aufgabe
angenommen und versucht, grundlegende neue Impulse dafür zu
liefern.
Frau Dr. Zimmermann untersucht in ihrer
Studie, wie naturwissenschaftliche Bildung auf der Elementarstufe
durch Erzieherinnen und Erzieher erfolgreich realisiert werden kann.
In Ermangelung eines theoretischen und empirisch fundierten Konzepts
entwickelt sie einerseits ein umfassendes Forschungsprogramm, um
notwendige Kompetenzen zu bestimmen und andererseits ein komplexes
Fortbildungsarrangement zur Erhöhung der naturwissenschaftlichen
Frühförderkompetenz (NFFK) bei pädagogischen Fachkräften. Dabei
wird im Sinne der Optimismusforschung mit dem Trend gebrochen (nur)
Defizite oder Fehler in der herrschenden Praxis aufzudecken. Vielmehr
werden Indikatoren für gelingende Kompetenzentwicklung untersucht
und Erkenntnisse iterativ in den Entwicklungsprozess zurückgespeist.
Das Fortbildungskonzept wird auf diese Weise fortlaufend an die
Bedürfnisse und Entwicklungsaufgaben von Erzieherinnen im Bereich
früher naturwissenschaftlicher Bildung angepasst.
Die
interdisziplinäre Studie ist an der Schnittstelle zwischen
naturwissenschaftlicher Fachdidaktik, Psychologie und Elementar- und
Erwachsenenpädagogik angesiedelt. Theoretische Ansätze aus diesen
Gebieten werden in ein neues und umfassendes Theoriemodell
integriert, das anschließend empirisch geprüft und erweitert wird.
Frau Dr. Zimmermann verknüpft dabei die
Selbstbestimmungstheorie der Motivation von Deci und Ryan
(1993) mit den Grundlagen des Qualitätsmanagements (Deming
1994), dem Stufenmodell von Korthagen (2002), dem
Professionalisierungsansatz von Schäfer (2005) und Seligmans'
Theorie der positiven Psychologie (2005). Auf der Basis ihres
interdisziplinären Theoriemodells entwickelte Frau Dr. Zimmermann
eine auch für weitere Forschung überaus wertvolle eigene Definition
für die Kompetenz von Erzieherinnen im Bereich früher
naturwissenschaftlicher Bildung (NFFK).
Die Ergebnisse
der Begleitforschung zur langfristigen, kontinuierlichen Fortbildung
mit individuellem Coaching zeigen auf, welchen Dimensionen eine
besondere Rolle in der Kompetenzentwicklung zukommt und wie eine
Professionalisierung von Erzieher/innen in diesem Bereich möglichst
nachhaltig gefördert werden kann. Ein Schlüssel-Element der NFFK
stellt dabei die Reflexionskompetenz dar. Die Fähigkeit, die eigene
pädagogische Praxis professionell zu reflektieren, ermöglicht die
erfolgreiche Implementierung förderlicher Maßnahmen.
Entwicklungs- und Gestaltungsaufgaben für die Professionalisierung von Erzieher/innen im Bereich früher naturwissenschaftlicher Bildung. Die Fortbildungsmaßnahmen im Konzept NFFK sind zwar auf die Förderung der Kompetenzen bei Erzieher/innen ausgerichtet, haben ihr Motiv allerdings im übergreifenden Ziel, Kindern im Kindergarten eine nachhaltige frühe naturwissenschaftliche Bildung zu ermöglichen, die sich idealerweise auf die Einstellung der Kinder gegenüber den Naturwissenschaften in späteren Bildungsphasen positiv auswirken soll. Deshalb werden ausgewählte Zusammenhänge zwischen der Förderung der Erzieher/innen und der Förderung der Kinder im Bereich der frühen naturwissenschaftlichen Bildung in Form von Entwicklungsaufgaben aufgezeigt. Die folgende Übersicht (entnommen aus Zimmermann S. 526) stellt ausgewählte Ziele heraus, die sich aus der entwickelten NFFK-Definition ableiten lassen. Es ergeben sich gemäß des Prinzips des „pädagogischen Doppeldeckers“ Entwicklungsziele auf zwei Ebenen: Sowohl Ziele für den Professionalisierungsprozess von Erzieher/innen als auch Ziele für die Gestaltung von Bildungsangeboten und Lernumgebungen für Kinder:
Professionelle Entwicklungsaufgaben mit Blick auf die Lernprozesse der Erzieherinnen |
Gestaltungsaufgaben mit Blick auf die Lernprozesse der Kinder |
Die Fähigkeit, eine fragende Grundhaltung einzunehmen und die eigene Rolle als Mitentdecker und Bildungsbegleiter ins professionelle Selbstkonzept zu integrieren. |
Die Fähigkeit, dem Forscherdrang der Kinder Raum zu geben, ihre Fragen und Erklärungsversuche zu stimulieren und ihre Handlungsweisen ernst zu nehmen. |
Die Fähigkeit, naturwissenschaftliche Phänomene in der Umwelt in einem für sie persönlich bedeutsamen Sinnkontext selbsttätig und spielerisch zu erkunden und Regelhaftes zu entdecken. |
Die Fähigkeit, den Kindern den Umgang mit naturwissenschaftlichen Phänomenen in einem für sie persönlich bedeutsamen Sinnkontext durch alltagsnahe und kindgerechte Aufgabenstellungen zu ermöglichen. |
Die Fähigkeit, eigene Ängste gegenüber Naturwissenschaften zu reflektieren und erfahrungsbasiert abzubauen. |
Die Fähigkeit, angstfreie, erfahrungsbasierte, handlungsergiebige situationsadäquate und selbstwirksame Lernumgebungen zu gestalten. |
Ein eigens dafür
entwickeltes Methodenrepertoire, das auch Strategien der
Persönlichkeitsbildung einbezieht, unterstützt die Erzieher/innen
dabei, entsprechende handlungsleitende Theorien und neue
Lösungsmuster für die Praxis aufzubauen. Im Rahmen der
Theoriereflexion zum Coaching konnte Frau Dr. Zimmermann
zeigen, dass der Personzentrierte Ansatz nach Rogers in enger
Verzahnung mit den Grundannahmen der Positiven Psychologie (Seligman)
auch für Coaching und Fortbildungen im Bereich früher
naturwissenschaftlicher Bildung ein kohärentes Theoriemodell zur
Persönlichkeitsentwicklung und Professionalisierung darstellt.
Für die Evaluation der Fortbildungs- und Coachingmaßnahmen
wurde ein eigenes, quantitative und qualitative Verfahren
verbindendes Methoden-Inventar zur Erfassung und Analyse von NFFK und
deren Entwicklung erprobt und validiert. Die Untersuchungsergebnisse
belegen, dass eine Reduzierung vorhandener Berührungsängste im
Hinblick auf naturwissenschaftliche Bildungsaufgaben über
langfristige und Prozess begleitende Fortbildungsmaßnamen möglich
ist. Diese positiven Effekte lassen sich durch ein
fortbildungsbegleitendes, individuelles Coaching signifikant
verstärken. Hier spielt insbesondere die Entwicklung der Selbst- und
Reflexionskompetenz der Erzieherinnen eine entscheidende Rolle.
Ein anderer interessanter Aspekt, der vor allem auch für die
weitere wissenschaftliche Diskussion bedeutsam ist, ist die
Typenbildung, die Zimmermann vornimmt (S. 366 ff.). Sie identifiziert
vier inhaltlich abgrenzbare Kompetenztypen, die sich charakteristisch
in der Ausprägung ihrer NFFK-Kompetenzdimensionen und in ihren
Voraussetzungen unterscheiden. Durch das validierte Typenkonzept kann
Kompetenzentwicklung im Rahmen des vorliegenden Fortbildungskonzeptes
prognostiziert werden.
Fazit
Frau Dr. Zimmermann leistet mit ihrer Arbeit also in mehrfacher Hinsicht Pionierarbeit. So stellt die Entwicklung eines theoriebasierten Fortbildungskonzepts zur naturwissenschaftlichen Frühförderkompetenz und deren sorgfältige empirische Überprüfung einen Meilenstein auf dem Wege in eine wissenschaftlich fundierte Förderung naturwissenschaftsbezogener Grundbildung dar. Darüber hinaus werden vielfältige Impulse für weitere Forschung gegeben und ein interessantes Modell entworfen, das mit großer Wahrscheinlichkeit Wirkungen auch in weiteren pädagogischen Feldern entfalten wird.
Rezension von
Prof. Dr. Hilde Köster
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