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Renate Hüls: Das Empfinden von Mitgefühl

Rezensiert von Prof. em. Dr. Helmut E. Lück, 10.01.2013

Cover Renate Hüls: Das Empfinden von Mitgefühl ISBN 978-3-8300-6582-1

Renate Hüls: Das Empfinden von Mitgefühl. Förderliche und beeinträchtigende Vorgänge.Eine empirische Untersuchung. Verlag Dr. Kovač GmbH (Hamburg) 2012. 281 Seiten. ISBN 978-3-8300-6582-1. D: 89,80 EUR, A: 92,40 EUR.
Schriftenreihe Schriften zur pädagogischen Psychologie - Band 55.

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Thema

Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht das Mitgefühl, dass in zwischenmenschlichen Beziehungen, besonders denen von Eltern mit ihren Kindern, von Lehrern mit ihren Schülern und von Ärzten mit ihren Patienten eine wichtige Rolle spielt. Eine Befragung, mit der die Bedingungen und Wirkungen von Mitgefühl untersucht werden, ist die Forschungsmethode dieser Arbeit. Die Thematik steht somit im weiteren Kontext der Empathie-Forschung.

Entstehungshintergrund

Bei dieser Arbeit handelt es sich um eine Dissertation, die von Reinhard Tausch, Universität Hamburg, betreut wurde. Da Empathie ein wichtiges Merkmal Klientenzentrierten Therapie nach Carl R. Rogers darstellt, kann die Arbeit auch dem Umfeld des Personzentrierten Ansatzes zugeordnet werden, der von Anne-Marie und Reinhard Tausch in Hamburg über viele Jahrzehnte weiterentwickelt und untersucht wurde.

Aufbau und Inhalt

Die Arbeit stellt nach Vorwort und Einleitung auf knapp zehn Seiten den Stand der Forschung zum Mitgefühl dar, wobei in Anbetracht der Kürze meist nur Hinweise gegeben werden. Der Hauptteil der Arbeit (S. 27-227) besteht aus der Darstellung einer Befragung der Autorin an 288 Personen zum Empfinden von Mitgefühl, zu Wirkungen des erhaltenen oder nicht erhaltenen Mitgefühls usw. Die Befragung erfolgte mit Fragebögen, „die in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Reinhard Tausch entwickelt worden sind“ (S. 31). Untersucht wurden vier Teilstichproben (S. 31):

  • I: Unspezifische Erwachsene (N=38)
  • II: Studenten der Universität Hamburg (N=115)
  • III: Mitarbeiter von Großunternehmen (N=68)
  • IV: Patienten unterschiedlicher Ärzte (N=67).

Diese vier Gruppen erhielten etwas unterschiedliche Fragebögen mit etwa einem Dutzend offener und einem halben Dutzend geschlossener Fragen. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt meist durch Wiedergabe typischer Antworten auf die offenen Fragen, durch statistische Vergleiche von männlichen und weiblichen Befragten und durch Prüfung von zuvor aufgestellten Hypothesen.

Die Arbeit schließt mit einer Diskussion der Ergebnisse (S. 229- 257).

Der Anhang enthält die verwendeten Fragebögen.

Diskussion

Man wird kaum bezweifeln, dass Mitgefühl überlebenswichtig ist. Die empirische Erforschung des Mitgefühls ist allerdings kein zentrales Thema der Sozialwissenschaften, wenn man einmal von der Empathie als einer der drei Basisvariablen des Personzentrierten Ansatzes nach Carl R. Rogers absieht. Auch evolutionspsychologische Arbeiten wären zu nennen wie auch Arbeiten der Bindungsstilforschung. Die Verfasserin dieser Arbeit geht auf die verschiedenen Ansätze kaum ein. Es wird jedoch eine ganz kurze Begriffsgeschichte gegeben und auf sozialwissenschaftliche Befunde verwiesen, nach denen die Fähigkeit zum Mitgefühl in der Zeitspanne 1979 bis 2009 abgenommen hat.

Ziel der Arbeit ist die Befragung verschiedenen Gruppen (s.o.) nach deren Mitgefühl.

Hierzu werde sechs Arbeitshypothesen aufgestellt (S. 28ff.), so z.B. die Erwartung, dass Frauen häufiger als Männer Mitgefühl empfinden und dass Mitgefühl positiv mit dem Alter der Befragten korreliert.

In den Jahren 2010 und 2011 fand die Befragung (wohl überwiegend im Raum Hamburg) statt. Der Rücklauf der Fragebögen betrug insgesamt etwa 40% (S.32). Bei der Gruppe IV hat es zwei verschiedene Versionen des Fragebogens gegeben, da die erste Fassung zu geringen Rücklauf erbrachte. Hier ist der Hinweis wichtig, dass die Befragten Mitglieder von Patienten-Selbsthilfegruppen waren.

Den Befragten wurde keine Definition von Mitgefühl vorgegeben. Frage 1 „Was ist Mitgefühl, was verstehen Sie darunter?“ erbrachte eine Vielzahl von Äußerungen, die von der Verfasserin kategorisiert wurden (S. 40). Signifikante Unterschiede zwischen den Antworthäufigkeiten für Männer und Frauen ergaben sich hier nicht.

Frauen berichteten häufiger über Mitgefühl als Männer (S. 207f.). Die Hypothese einer Zunahme an Mitgefühl mit dem Alter ließ sich ebenso wenig bestätigen wie die Vermutung, dass Mitgefühl mit höherer Schulbildung häufiger erlebt wird. Aber Mitgefühl wird häufiger von Studierenden der Erziehungswissenschaften als der Rechts- und Naturwissenschaften berichtet. Es scheint auch einen Zusammenhang zwischen dem von den eigenen Eltern erfahrenen Mitgefühl und der Häufigkeit des erlebten Mitgefühls zu geben (S. 212).

Fazit

Die Arbeit hat viele typische Züge einer Qualifikationsarbeit: Knapper Literaturüberblick; naheliegende, theoriearme Hypothesen; Durchführung einer Querschnittstudie an vergleichsweise leicht erreichbaren Stichproben; wenig differenzierte Auswertung und nur geringer Rückbezug der Befunde zu Theorien des Mitgefühls.

Die praktische Seite ist vermutlich höher zu bewerten: Viele Befragte benennen anschaulich Situationen, Gefühle und Wirkungen von Mitgefühl oder (fehlendem Mitgefühl); die Befunde zu den Lebensbereichen Familie, Schule, Hochschule, Beruf und Arzt-Patient-Beziehung sind anschaulich und können als Anregungen zu weiteren Untersuchungen dienen.

Rezension von
Prof. em. Dr. Helmut E. Lück
FernUniversität in Hagen, Fakultät für Psychologie
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Es gibt 13 Rezensionen von Helmut E. Lück.

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ISSN 2190-9245