Wir zwei! (Partnerschaft)
Rezensiert von Prof. Dr. Jochen Schmerfeld, 14.03.2013

Wir zwei! Das Abenteuer Partnerschaft - und wie es gelingen kann.
Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2012.
98 Seiten.
ISBN 978-3-407-48218-1.
D: 7,50 EUR,
A: 7,50 EUR,
CH: 12,00 sFr.
Reihe: Psychologie heute compact - H. 31.
Thema
Es geht um Liebe und Partnerschaft, das „Abenteuer Partnerschaft“ wie im Titel angekündigt und es geht um Hinweise, wie man es bestehen kann. Die Herausgeberin Ursula Nuber im Vorwort: „Die meisten Menschen wissen realistisch einzuschätzen, was das Leben zu zweit an Herausforderungen mit sich bringt. Es stimmt: Manchmal fühlen sich Paare davon überfordert – dann kann die Psychologie mit Informationen und Erkenntnissen hilfreich zur Seite stehen. In diesem Sinne sind auch die Artikel in dieser Ausgabe von Psychologie Heute compact zu verstehen: Sie wollen informieren, nicht belehren.“ (S.3) Das Heft soll also ermutigen, Partnerschaft zu wagen, will dem angeblich verbreiteten Pessimismus etwas entgegensetzen und entspricht dabei dem immer noch aktuellen therapeutisch-beraterischen Trend des Empowerments oder der Ressourcenorientierung: „Denn Paare können darauf vertrauen, dass sie – „Wir zwei!“ – im Grunde selbst am besten wissen, wie sie die Höhen und Tiefen ihres gemeinsamen Lebens meistern.“ (S.3)
Herausgeberin
Ursula Nuber ist Diplompsychologin und Psychotherapeutin mit eigener Praxis, Autorin, stellvertretende Chefredakteurin von Psychologie Heute.
Aufbau und Inhalt
Die Artikel werden unter drei Überschriften geordnet, die typischen Stadien der Liebesbeziehung entsprechen:
- Zunächst geht es darum, einen Partner, eine Partnerin zu finden, was sich aus verschiedenen Gründen schwierig gestalten kann: Liebe finden.
- Hat man ihn oder sie gefunden, dann geht es um die nicht minder komplizierte Gestaltung der Liebesbeziehung: Liebe leben.
- Schließlich werden die Probleme und Schwierigkeiten übermächtig: man trennt sich oder findet doch noch einen Weg miteinander: Liebe retten.
Zu jedem der drei Themenbereiche finden sich Artikel, die jeweils einen Teil enthalten, der Forschungsergebnisse oder theoretische wissenschaftliche Einsichten zum jeweiligen Thema referiert und einen zweiten Teil, der eher dem Stil der Ratgeberliteratur entspricht und praktische Tipps und Hinweise gibt, die dem Leser, der Leserin helfen wollen ihre Probleme zu lösen.
1. Liebe finden. Unter der Überschrift: ‚Liebe finden‘ werden die folgenden Themen behandelt:
- Ursula Nuber: ‚Die überforderte Liebe‘ beschäftigt sich mit den möglicherweise überhöhten und damit unlösbar werdenden Ansprüchen an den Liebespartner und die Beziehung.
- Wolfgang Krüger: ‚Komm her – geh weg!‘ behandelt das Problem der Nähe-Distanz-Regulierung von zwei möglicherweise in dieser Hinsicht verschiedenen Menschen.
- In:“ Wer passt zu wem?“ einem Gespräch mit Helen Fisher geht es um die von Fisher entwickelte Typologie der Liebe, die im folgenden Beitrag von
- Ani Sturm: ‚Die vier Liebestypen‘ vorgestellt wird.
- Ani Sturm: ‚Die Stecknadel im Heuhaufen‘ behandelt die Partnersuche im Internet sowie die dabei zu beachtenden Schwierigkeiten und Chancen.
2. Liebe leben
- Der zweite Teil: Liebe leben beginnt mit einem Beitrag, indem versprochen wird, wir wären dem Kommen und Verschwinden der Liebe nicht ausgeliefert, sondern könnten dieses Geschehen dank einer Wissenschaft der Liebe beeinflussen: Susan M. Johnson / Matthias Angelstorf: ‚Die Erschaffung der Liebe‘
- Terri Orbuch glaubt aufgrund langjähriger Erfahrungen in der Paarberatung zu wissen, worauf es in Liebesbeziehungen ankommt: „Sex ist sehr wichtig!“ Ein Gespräch mit Terri Orbuch
- Helga Levend beschäftigt sich in ihrem Artikel ‚Das Ringen um Gerechtigkeit‘ mit der Bedeutung des Gebens und Nehmens für eine gelingende Partnerschaft.
- Friederike von Tiedemann: ‚Wer hat die Macht?‘ nimmt an, dass die Tabuisierung des Machtthemas in der Paarkommunikation für einige Probleme in Liebesbeziehungen verantwortlich sei.
- Helga Levend: ‚Rituale: Der Kitt der Liebe‘ möchte die gering geschätzten und häufig bespöttelten Rituale von Paaren rehabilitieren, indem sie betont, dass Rituale in Krisensituationen Halt geben können.
- Susie Reinhardt: ‚Wie der Vater, wie die Mutter?‘ behandelt den Einfluss der kindlichen Erfahrungen mit der Partnerschaft der Eltern für die eigene erwachsene Liebesbeziehung.
3. Liebe retten
- „Man sollte sich erotische Freiräume lassen“. Der Philosoph Franz Josef Wetz fordert eine Sexualkultur, in der Seitensprünge toleriert werden
- ‚Man muss sich entscheiden, dem anderen zu verzeihen‘. Friederike von Tiedemann betont die Bedeutung des Vergebens in Liebesbeziehungen um die möglichen destruktiven Wirkungen von Verletzungen zu vermeiden.
- Barbara Kiesling: ‚Wenn Liebe unerfüllt bleibt‘ stellt einen Zusammenhang her zwischen frühkindlichen Erfahrungen und der Tendenz einiger Menschen unerreichbare Liebesobjekte zu begehren.
- ‚Die Sehnsucht nach dem Glück der frühen Jahre‘. Nancy Kalish berichtet über Forschungen zu ‚Rekindling‘: Menschen, die viele Jahre später wieder Kontakt zur Jugendliebe aufgenommen haben, hätten häufig dann ihr Liebesglück gefunden
- Susie Reinhardt: ‚Unfreiwillig allein?‘ plädiert dafür, das Singleleben nicht als defizitären Zustand zu stigmatisieren.
Diskussion
Das Heft präsentiert eine bunte Vielfalt von Aspekten und Perspektiven zum Thema Liebe und Partnerschaft. Ausgangspunkt ist dabei die Annahme, dass wir es hierbei mit etwas zu tun haben, was grundsätzlich problematisch, schwierig und eher fragil ist, aber gleichwohl eine hohe Bedeutung für das Leben der meisten Menschen hat. Auf Ansätze zu einer Klärung des Phänomens wird ebenso verzichtet wie auf eine einheitliche und inhaltlich zusammenhängende Perspektive, letztlich dominiert die Intention, der ratlosen LeserIn Tipps und Hinweise zu geben, die ihr/ihm helfen sollen bei der Suche nach dem richtigen Partner, bei der Lösung von Partnerschaftsproblemen oder, wenn das nicht gelingt, bei der Bewältigung des Scheiterns. Das kann die Lektüre eines solches Heft aber nicht leisten. So bleibt: entweder die eigenen Ressourcen zu mobilisieren, wie die Herausgeberin empfiehlt oder sich professionelle Hilfe zu holen.
Fazit
Das Heft ist nicht zu empfehlen für Menschen, die große Probleme mit Liebe und Partnerschaft haben, professionelle Therapeuten oder Berater hingegen finden hier möglicherweise Hinweise zu einer Lektüre des einen oder anderen Buchs, das mag auch für Studierende und Wissenschaftler gelten, die sich mit dem Thema beschäftigen wollen und einen ersten groben Überblick gewinnen wollen. Aber letztlich leistet dieses Heft keinen wichtigen Beitrag zu dem wirklich schwierigen Verständnis des Phänomens, um das es geht.
Rezension von
Prof. Dr. Jochen Schmerfeld
Professor für Pädagogik an der Katholischen Hochschule Freiburg
Es gibt 21 Rezensionen von Jochen Schmerfeld.