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Klaus Grunwald, Christina Kuhn et al.: Demenz bei Menschen mit geistiger Behinderung

Rezensiert von Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind, 08.11.2013

Cover Klaus Grunwald, Christina Kuhn et al.: Demenz bei Menschen mit geistiger Behinderung ISBN 978-3-7815-1888-9

Klaus Grunwald, Christina Kuhn, Thomas Meyer, Anna Voss: Demenz bei Menschen mit geistiger Behinderung. Eine empirische Bestandsaufnahme. Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung (Bad Heilbrunn) 2013. 244 Seiten. ISBN 978-3-7815-1888-9. D: 18,90 EUR, A: 19,50 EUR.

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Thema

Demenzen treten bei geistig Behinderten aufgrund der steigenden Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten verstärkt auf. Einrichtungen der Behindertenhilfe stehen dadurch vor neuen Herausforderungen, denn es geht teils um neue oder veränderte Wohn-, Pflege- und Betreuungskonzeptionen für die Demenzkranken.

Entstehungshintergrund

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die Ergebnisse des Forschungsprojektes „Demenz bei Menschen mit geistiger Behinderung“, das von Februar 2011 bis März 2012 durchgeführt wurde. Das Projekt bestand u. a. aus einer Literaturrecherche und aus qualitativen Experteninterviews mit Vertretern der baden-württembergische Behinderten- und Altenhilfe und aus der Dokumentation eines Fachtages zum Thema „Demenz bei Menschen mit geistiger Behinderung“ im Dezember 2011 in Stuttgart. Das Projekt wurde mit Mitteln des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren des Landes Baden-Württemberg gefördert. Projektträger der Untersuchung war das Institut für angewandte Sozialwissenschaften an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart in Kooperation mit Demenz Support Stuttgart.

Autoren

Die vorliegende Veröffentlichung wurde von den Mitarbeitern der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Fachbereich Sozialwesen in Stuttgart Prof. Dr. Klaus Grunwald, Thomas Meyer und Anna Voss in Zusammenarbeit mit Christina Kuhn von Demenz Support Stuttgart erstellt.

Aufbau und Inhalt

Die Arbeit ist in acht Kapiteln, einem Literaturverzeichnis und einem Anhang unterteilt.

Kapitel 1 (Einleitung, Seite 11 - 18) enthält eine kurze Darstellung über die Thematik Demenzen bei geistig Behinderten, beschreibt das Vorgehen des Projektes mit den einzelnen Schwerpunkten und vermittelt einen knappen Überblick über die Inhalte des Buches.

In Kapitel 2 (Epidemiologie und Diagnostik, Seite 19 – 56) wird zu Beginn das Themenfeld Demenz mit den Schwerpunkten Demenzformen, Symptome und Epidemiologie umrissen. Es folgen Ausführungen über die Aspekte Demenzen bei geistig Behinderten bezüglich der angemessenen Diagnostik mit entsprechenden Instrumentarien. Kritisch angemerkt wird u. a., dass die flächendeckende Übertragung dieses Wissens bei den Fachärzten und den Betreuern bisher noch nicht gelungen ist.

Kapitel 3 (Internationale Forschungslage – eine Bestandsaufnahme, Seite 57 – 117) beinhaltet Ergebnisse der Literaturrecherche. So werden die Wohn- und Betreuungsformen für demenzkranke geistig Behinderte aus Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Großbritannien, Irland, Nordamerika (USA und Kanada) und Australien dargestellt. Zentral hierbei sind die generell unterschiedlichen Versorgungsformen, die entweder beim Auftreten der Demenz einen Verbleib in der bisherigen Wohneinrichtung und damit im bestehenden Umfeld („Ageing-in-Place“) erlauben oder für die ein Umzug in eine Einrichtung gemäß der pflegerischen Versorgungsbedürftigkeit angezeigt ist. Von den Autoren wird diesbezüglich der Umzug geistig Behinderter in Altenpflegeheime aufgrund der demenziellen Erkrankung problematisiert, da die Mitarbeiter in diesen Einrichtungen nicht über das nötige Fachwissen im Umgang mit geistig Behinderten verfügen.

In Kapitel 4 (Ein Querschnittsthema: Palliative Versorgung, Seite 119 – 125) werden Aspekte der palliativen Versorgung bezüglich der eventuellen Übertragbarkeit dargestellt, wobei besonders die pflegerische und medizinische Versorgung nebst Fragen der Ernährung vertieft werden. Auch die fachlichen, ethischen und emotionalen Herausforderungen für die Mitarbeiter der Behindertenhilfe werden hierbei thematisiert.

Kapitel 5 (Nationale Versorgungskonzepte, Seite 127 – 144) enthält Ausführungen über konkrete Versorgungsfragen demenzkranker geistig Behinderter im Kontext der unterschiedlichen rechtlichen und finanziellen Strukturgefüge der Behindertenhilfe und der Pflegeversicherung. Die eindeutige Zuordnung der Demenzkranken und zugleich geistig Behinderten in das sozialrechtliche Strukturgefüge ist gegenwärtig noch nicht geklärt, so dass teils unterschiedliche Versorgungsarrangements praktiziert werden.

Kapitel 6 (Künftige Anforderungen an die Versorgung, Seite 145 – 153) thematisiert einige Erwartungshaltungen an die Behinderten- und Altenhilfe angesichts der zunehmenden Alterung der geistig Behinderten auf dem Hintergrund der Erfordernisse einer zukünftigen Planung und Entwicklung entsprechender klientelspezifischer Versorgungsstrukturen. Hierbei werden u. a. die Themenbereiche Qualifikation der Mitarbeiter und die Gestaltung der Heime erörtert.

Kapitel 7 (Empirische Befunde, Seite 155 – 205) beinhaltet die Ergebnisse von sechs Expertengesprächen mit Verantwortlichen aus der Behindertenhilfe u. a. hinsichtlich der Schwerpunkte medizinische Versorgung und Diagnostik, geeignete Wohn- und Betreuungsformen und sozialpolitische Konsequenzen. Des Weiteren sind die Resultate einer Fragebogenaktion in Pflegeheimen hinsichtlich der Versorgung demenzkranker geistig Behinderter und die Auswertung einer Fragebogenaktion bei Teilnehmern einer Fachtagung dargestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass gegenwärtig die Thematik der Versorgung demenzkranker geistig Behinderter in der Altenhilfe noch ein seltenes und damit randständiges Problem darstellt.

In Kapitel 8 (Schlussbetrachtung und Diskussion, Seite 207 – 218) werden noch einmal die wichtigen Punkte des Forschungsprojektes zusammengefasst: u. a. der relativ geringe Wissensstand über die stationäre Versorgung demenzkranker geistig Behinderten im In- und Ausland, die fehlende Planung und Konzeptentwicklung seitens der Behinderteneinrichtung bezüglich dieser Klientel, die Bedeutung der Homogenisierung der Bewohnerschaft in den Einrichtungen, der Bedarf an Weiterbildung in den Themenfeldern der Demenzpflege seitens der Mitarbeiter der Behinderteneinrichtungen.

Diskussion

Die vorliegende Veröffentlichung weist auf ein recht neues Phänomen der Verflechtung von Altenhilfe und Behindertenhilfe bei der Thematik Pflege und hierbei besonders Demenzpflege hin. Die Akteure in den Einrichtungen und auch in der Sozialplanung scheinen unsicher zu sein, welche Wege hier eingeschlagen werden sollten. Bilden Pflegeheime oder Einrichtungen der Behindertenhilfe zukünftig die Zentren der Versorgung für diese Personengruppe? Sollen Verlegungen gemäß dem Abbaugrad und dem wachsenden Pflegebedarf vorgenommen werden, um eine angemessene Lebenswelt der Betroffenen nach den Prinzipien der Homogenisierung der Bewohnerschaft gestalten zu können? Auch die Fragen nach der Zuständigkeit im Sozialrecht – Behindertenhilfe oder Pflegeversicherung – sind ungelöst. Es fehlen aufgrund der neuen Sachlage in der Versorgungslandschaft der Alten- und Behindertenhilfe solide Erfahrungswerte aus dem In- und Ausland, die erste Orientierungswerte bieten könnten. Den Autoren ist es im Rahmen der Zugangswege Literaturrecherche und Befragung des Fachpersonals gelungen, diese gegenwärtig ungelösten Strukturfragen Demenz bei geistig Behinderten im Kontext zukünftiger Sozialplanung praxisnah zu thematisieren.

Fazit

Der vorliegende Forschungsbericht kann Interessierten aus den Bereichen Behindertenhilfe und Altenpflege zur Lektüre empfohlen werden.

Rezension von
Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind
Gerontologische Beratung Haan
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Es gibt 228 Rezensionen von Sven Lind.

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ISSN 2190-9245