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Stefan Gillich (Hrsg.): Streetwork/Mobile Jugendarbeit [...]

Rezensiert von Dipl. Soz.-Arb. Monica Wunsch, 06.07.2004

Cover Stefan Gillich (Hrsg.): Streetwork/Mobile Jugendarbeit [...] ISBN 978-3-89774-266-6

Stefan Gillich (Hrsg.): Streetwork/Mobile Jugendarbeit - Aktuelle Bestandsaufnahme und Positionen eigenständiger Arbeitsfelder. Burckhardthaus Laetare Körner Medien UG (München) 2003. 225 Seiten. ISBN 978-3-89774-266-6. 14,90 EUR. CH: 24,30 sFr.
Band 8 der Beiträge der Arbeit des Burckhardthauses, Gelnhausen.

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Zum Thema

Die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Streetwork/Mobile Jugendarbeit veranstaltet jährlich in Zusammenarbeit mit dem Burckhardthaus/Gelnhausen das Bundesweite StreetworkerInnen-Treffen. Die BAG vertritt als Fachverband ca. 1.300 Einrichtungen, die in 13 Landesarbeitsgemeinschaften organisiert sind. Das Buch ist eine Dokumentation des 17. Bundesweiten StreetworkerInnen-Treffen.

Streetwork und Mobile Jugendarbeit sind zwei eigenständige Arbeitsfelder im Bereich der niedrigschwelligen, bedürfnisorientierten und aufsuchenden Sozialarbeit. Sie sind lebensweltorientierte Angebote an Jugendliche und junge Erwachsene, die sich vorwiegend in öffentlichen Räumen/Straßenszenen aufhalten und von herkömmlichen Angeboten der Sozial- und Jugendarbeit nicht (mehr) erreicht werden (können). Streetwork/Mobile Jugendarbeit liegen niedrigschwellige Konzepte zugrunde, die Einzelne und Gruppen, die Stigmatisierung und soziale Ausgrenzung alltäglich erfahren, bei der Bewältigung ihrer Lebenssituation unterstützen und versuchen, präventiv auf eine Verfestigung problematischer und problemverursachender Verhaltensweisen einzuwirken.

Im Zuge der gesellschafts-politischen Veränderungen, der inhaltlichen Ausrichtung des neoliberalen Konzeptes und seiner Umsetzung und als "unmittelbare Folge" der ökonomischen Umstrukturierungen wachsen die Unterschiede innerhalb der Gesellschaft und verändern sich die Rahmenbedingungen und Lebensspielräume der Menschen, an die sich Streetwork/Mobile Jugendarbeit richtet. Diese Veränderungen erfordern für PraktikerInnen der sozialen Arbeit eine aktuelle Bestandsaufnahme eigenständiger Arbeitsfelder, eine Auseinandersetzung über Möglichkeiten der Einflussnahme auf gesellschaftliche Entwicklungen und eine damit einhergehende klare Positionierung.

Aufbau und Inhalt

Die Dokumentation des 17. Bundesweiten StreetworkerInnen-Treffen mit dem Titel: "Standpunkte: Streetwork/Mobile Jugendarbeit zwischen Fußballweltmeisterschaft und Bundestagswahl" enthält zwölf Fachbeiträge, Ergebnisse der Arbeitsgruppen, eine Presseerklärung der TagungsteilnehmerInnen und "Fachliche Standards für Streetwork und Mobile Jugendarbeit" der BAG.

Stefan Gillich führt in die inhaltliche Ausrichtung der Tagung, der (Neu) Entwicklung von und Orientierung an Standpunkten von Streetwork/Mobile Jugendarbeit ein und stellt die Abläufe des 5tägigen Arbeitstreffens vor.

Als Grundlage für die spätere Arbeit in den Arbeitsgruppen folgt ein Vortrag von Christoph Butterwegge zum Thema: "Streetwork/Mobile Jugendarbeit zwischen Globalisierung und Lokalisierung". Streetwork/Mobile Jugendarbeit ist als Bestandteil der Sozialpolitik beeinträchtigt von den aktuellen Debatten über die "Krise des Sozialen". Anhand aktueller Forschungsstudien widerlegt Butterwegge "interessierte" Fehlbewertungen und Fehlurteile, die den vorherrschenden Diskurs determinieren. Im Kontext der Entstehungsgeschichte der Globalisierung benennt er verschiedene Strömungen der Globalisierungsdebatte und erklärt die neoliberale Modernisierung, die angeblich den Wohlstand aller Wirtschaftsstandorte sichern und mehren könne, als Mythos. Standortpolitik und ihr implizit die Ökonomisierung sämtlicher Gesellschaftsbereiche bezweckt und verursacht soziale Ungleichheit und -Ausgrenzung durch eine Umverteilung von Reichtum, Macht und Lebensqualität. Im Weiteren beschreibt er die unmittelbaren Folgen neoliberaler Modernisierung: Pauperisierung, Dualisierung der Zuwanderung, soziale Polarisierung, sozio-ökonomische Polarisierung und die Herausbildung einer Doppelstruktur der Armut, sozial-räumliche (ethnische) Segregation, Entsolidarisierung und Entdemokratisierung. Er zeigt die geistig-politischen Berührungspunkte zwischen Liberalkonservatismus und Rechtsextremismus auf, in denen der Standortnationalismus ein ideologisches Bindeglied darstellt. Abschließend fordert er als Aufgabe der Sozialen Arbeit, sich politisch zu definieren, die neoliberale Standortlogik zu widerlegen, sich "mit kritischem Blick für die Realität ein[zu]mischen und engagiert Partei für die Opfer neoliberaler Modernisierung [zu] ergreifen" (S. 40), Lebenszusammenhänge solidarisch-emanzipatorisch zu organisieren und Solidarität neu zu begründen.

Die folgenden Beiträge stellen die inhaltlichen Auseinandersetzungen und Ergebnisse der Arbeitsgruppen dar. Die Themen reichen von

  • "Neueinsteiger-Workshop" (Christian Deckert, Jutta Zier),
  • "Recht auf der Straße: Rechtsnormen für Streetwork/Mobile Jugendarbeit" (Jürgen Schaffranek),
  • "Qualitätsentwicklung/ Qualitätssicherung - Evaluation und Dokumentation" (Jan Becker/Olga Glouftsi),
  • "Rechtsextremismus" ("Vom Fußball-Gott, der Eisen wachsen lässt") (Dieter Bott),
  • "Interkulturelle Arbeit/Interkulturelle Kompetenz" (Frank Dölker),
  • "Soziale Arbeit mit jungen Migranten" (Hartmut Wagner),
  • "Schuldnerberatung konkret" (Wolfgang Krebs),
  • "Alte Schachteln, Alte Knacker: Älter werden im Arbeitsfeld Streetwork/Mobile Jugendarbeit" (Ernst Botzenhardt),
  • "Sicherheit und Sauberkeit - Die Vertreibung aus dem (Einkaufs-)Paradies" (Uwe Buchholz/Uli Vollmer),
  • "Rauschkunde: Suchtprävention und -intervention" (Julia Elmer/Tristan Hellwig)
  • bis zu "Armut als Schicksal? Anforderung an und Standpunkte von Streetwork/Mobile Jugendarbeit" (Monika Brakhage).

Schwerpunkte der Auseinandersetzungen sind insbesondere:

  • der handlungspraktische Umgang mit den wesentlichen Rechtsgrundlagen für die Soziale Arbeit;
  • Möglichkeiten, Bedingungen und Grenzen interkultureller Kommunikation;
  • Migration und Armut;
  • die Umstrukturierung der Sozialpolitik durch ordnungspolitische Maßnahmen am Beispiel der "Kommunalen Kriminalprävention" (S. 166);
  • die daraus resultierenden Verhaltensveränderungen der unmittelbar betroffenen Personengruppen und die Folgen für aufsuchende Sozialarbeit;
  • "die wissenschaftliche Perspektive auf Armut" (S. 194) im Hinblick auf die Notwendigkeit. eine Handlungsfähigkeit gegen Ausgrenzung und Stigmatisierung von Menschen aus Straßenszenen zu entwickeln.

In der Presseerklärung fordern die TagungsteilnehmerInnen Politik und Wirtschaft dazu auf Grundlagen zu schaffen, welche die Ursachen der Armut und nicht die Armen bekämpfen. Sie fordern nachhaltige strukturelle Veränderungen als Voraussetzung für eine soziale Gesellschaft.

Zielgruppen

Das Buch ist interessant und lesenswert für alle MitarbeiterInnen akzeptierender, niedrigschwelliger Angebote Sozialer Arbeit. Darüber hinaus kann es Fachkräften, die in ihren Arbeitsbereichen die Arbeit von Streetwork/Mobile Jugendarbeit ergänzen, einen Überblick über die aktuellen Inhalte, Veränderungen und Notwendigkeiten aufsuchender Sozialarbeit vermitteln und somit dazu beitragen, dem Trend der Individualisierung und Entsolidarisierung entgegenzuwirken. (Angehenden)Sozial- und PolitikwissenschaftlerInnen eröffnet es ein erweitertes Verständnis von den Ursachen und Folgen einer gesamtgesellschaftlich-ökonomischen Orientierung und dem damit einhergehenden Sozialen Wandel, die Exklusion, soziale Ungleichheit, Stigmatisierung und Pauperisierung breiter Gesellschaftsschichten hervorbringen und eine neue Ausrichtung wissenschaftlicher Studien erfordern.

Fazit

Das Buch ist durch seine Vielseitigkeit in den Auseinandersetzungen sehr interessant, die Beiträge sind gut strukturiert und klar verständlich. Die BAG Streetwork/Mobile Jugendarbeit hat mit ihrem Vorhaben, Standpunkte zu entwickeln und sich als eigenständige Arbeitsfelder klar zu positionieren und adäquat zu (re-)agieren, einen wichtigen Schritt getan, als integraler Bestandteil des Sozialsystems Einfluss auf seine Entwicklung zu nehmen. Die Entwicklung von Standpunkten prozesshaft zu sehen, sie auf ihre Aktualität hin zu überprüfen, Kritik zu wagen und sich klar zu positionieren, ist ein notwendiges Muss für alle Arbeitsfelder im Kontext der sozialen Unterstützungsleistungen.

Rezension von
Dipl. Soz.-Arb. Monica Wunsch
Mercedes Monica Wunsch Dipl.-Soz.Arb. (FH) Geschäftsführender Vorstand Zug um Zug e.V. und Tochtergesellschaften (Köln)
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Es gibt 11 Rezensionen von Monica Wunsch.

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ISSN 2190-9245