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Fredrike P. Bannink: Praxis der positiven Psychologie

Rezensiert von Prof. Dr. Mark Galliker, 07.12.2012

Cover Fredrike P. Bannink: Praxis der positiven Psychologie ISBN 978-3-8017-2406-1

Fredrike P. Bannink: Praxis der positiven Psychologie. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG (Göttingen) 2012. 182 Seiten. ISBN 978-3-8017-2406-1. D: 24,95 EUR, A: 25,70 EUR, CH: 35,50 sFr.

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Autorin

Die in Amsterdam wirkende Fredrike P. Bannink ist Klinische Psychologin und Kognitive Verhaltenstherapeutin. In der „Vereniging voor Gedragstherapie en Cognitieve therapie“ (VGCt) ist sie als Ausbildnerin und Supervisorin tätig.

Thema

In der Psychologie stellt die sog. „Positive Psychologie“ (PP) eine noch relativ junge Strömung dar. Die PP entwickelte sich innerhalb des Mainstreams der akademischen Psychologie unter Einbezug von ‚Einflüssen′ aus der Humanistischen Psychologie. Den Grundstein zu dieser Bewegung innerhalb der Kognitiven Psychologie hat Seligman, der Entdecker der erlernten Hilflosigkeit, im Jahre 1998 mit seiner Rede als Präsident der American Psychological Association (APA) gelegt. Zwei Jahre später erschien die Sondernummer des American Psychologist zur PP, die so viel Aufsehen erregte wie selten zuvor eine Nummer einer wissenschaftlichen psychologischen Fachzeitschrift.

Aufbau und Inhalt

Fredrike Bannink, die Autorin von „Positieve psychologie in de praktijk“, einem Werk, das von Alice Velivassis aus dem Niederländischen ins Deutsche übersetzt wurde, geht davon aus, dass der Fokus in der psychologischen Arbeit nicht (nur) auf die Defizite und Schwächen der Klienten gelegt werden sollte, sondern in erster Linie auf deren Ressourcen: Bereits sog. ‚gut funktionierende Fertigkeiten′ sollten gestärkt und weiter ausgebaut werden, anstatt sich wie bis anhin auf das Negative, die Symptomatik, zu konzentrieren.

Im ersten Teil des Buches werden die grundlegenden Theorien und der aktuelle Forschungsstand zu den einzelnen Aspekten der PP vorgestellt. Es werden nicht wie gewöhnlich die wichtigsten Beschwerden wie Depressionen oder Angstzustände behandelt, sondern positive Phänomene wie Optimismus, Hoffnung, Selbstwirksamkeitserwartung und Selbstwertgefühl. Dabei wird großes Gewicht auf Wissenschaftlichkeit i.S. der Durchführung empirischer Untersuchungen gelegt.

An dieser Stelle kann nicht auf die zahlreichen Forschungsarbeiten eingegangen werden, mit deren Ergebnissen belegt wird, wie heilsam Optimismus, Selbstwertgefühl, Widerstandskraft und Verbundenheit sowie die zehn häufigsten positiven Emotionen (Freude, Dankbarkeit, Gelassenheit, Interesse, Hoffnung, Stolz, Vergnügen, Inspiration, Bewunderung, Liebe) in der Therapie und im Leben sich auswirken, sondern nur kurz auf Fredericksons „Broaden-and-build-Theorie“ hingewiesen werden: „Diese ‚Erweiterungs-und-Aufbau′-Theorie geht von der Annahme aus, dass positive Emotionen, wie Interesse, Zufriedenheit, Freude, Glück, Stolz, Erleichterung, Zuneigung und Liebe, das Bewusstsein eines Menschen erweitern und ihn so zu neuen Kognitionen und Verhaltensweisen ermuntern. Auf Dauer sorgt dieses erweiterte Verhaltensrepertoire für umfangreichere Fähigkeiten und Stärken (...). Im Unterschied dazu bewirken negative Emotionen eingeschränktes und kurzfristiges Überlebensverhalten.“ (S. 41).

Im zweiten Teil des Buches werden Anwendungen der PP thematisiert. Es wird erläutert, wie die Prinzipien dieser Psychologie in der Psychotherapie eingesetzt werden können und wie auch der Therapeut oder die Therapeutin diese gewinnbringend nutzen kann. Im Weiteren wird der Einsatz der PP im Berufsleben und im Rahmen des Konfliktmanagements sowie in der Erziehung und Ausbildung von Kindern und in der Arbeit mit älteren Menschen dargestellt. Die Autorin führt zu den meisten von ihr behandelten Punkten praktische Übungen an, welche die Leser/innen auch selbst durchführen können. Ein Beispiel einer solchen Übung soll hier angeführt werden: „Achten Sie in der nächsten Zeit einmal auf alles, was in Ihrem Leben gut läuft und was nicht geändert werden muss. Wie kriegen Sie das hin? Achten Sie auch darauf, was auf keinen Fall verändert werden darf, da es gut funktioniert und Ihnen guttut. Beobachten Sie, was andere Menschen gut machen und wie sie das hinbekommen. Was könnten Sie davon gebrauchen?“ (S. 32)

Diskussion

Bei allem Staunen über die vielen positiven empirischen Befunde der PP verflüchtigt sich bei der Lektüre des Buches kaum je der Eindruck einer gewissen Oberflächlichkeit und Naivität. Dieser Eindruck scheint auf der fast durchgängigen Abstraktion von der Widerständigkeit gesellschaftlicher Realität zu basieren. So wird beispielsweise die Selbstwirksamkeitserwartung bruchlos mit der Selbstsuggestion „Yes, I can“ identifiziert, die auf Obamas Slogan „Yes, we can“ in dessen erstem Wahlkampf anspielt (vgl. S. 31).

Einiges, was im Buch eingehend beschrieben wird, mutet fast wie eine Erinnerung dessen an, was schon im Rahmen der Humanistischen Psychologie und insbesondere des Personzentrierten Ansatzes und der Gesprächspsychotherapie thematisiert wurde. Beispielsweise wenn die Bedeutung der Beziehung in der Psychotherapie betont wird oder wenn auf die wichtigsten Faktoren in der Entwicklungspsychologie wie folgt hingewiesen wird: „Die erste wichtige Voraussetzung für eine günstige Entwicklung ist die bedingungslose Akzeptanz des Kindes durch die Eltern. Der zweite förderliche Faktor ist das Entgegennehmen positiver Wertschätzungen und Reaktionen (Bewertungen) auf das eigene Verhalten von wichtigen Bezugspersonen.“ (S. 37).

Fazit

Die PP hat von der Humanistischen Psychologie nicht wenig bewusst oder auch unbewusst in mehr oder weniger adäquater Weise übernommen. Davon ist im Buch von Bannink wie schon bei den Pionieren der PP zwar viel zu spüren, aber wenig ausgedrückt und ausgewiesen. So wird Maslow nur am Rande zitiert, Rogers nie. Allein auf den Personzentrierten Ansatz und die Gesprächs-psychotherapie hätte im Buch mindestens ein Dutzend Mal explizit hingewiesen werden müssen, doch auch die Pioniere der PP haben die Exponenten der Humanistischen Psychologie namentlich weitgehend ignoriert.

Auf der anderen Seite ist es durchaus positiv zu werten, dass sich innerhalb des heutigen Mainstreams der Akademischen Psychologie, der Kognitiven Psychologie, eine Richtung herausbildet, die an die Humanistische Psychologie erinnert oder dieser zumindest in einigen Punkten nahekommt. Es ist sicherlich von Bedeutung, dass sich seit einigen Jahren deren Gedankengut auch innerhalb des Mainstreams der Psychologie (wieder)findet, ja sich dort durchsetzen und etablieren kann, so dass es auch an den Hochschulen und Universitäten (wieder) gelehrt werden kann. Es stellt sich die Frage, welche Rückwirkungen diese Entwicklung auf die Humanistische Psychologie und insbesondere auf den Personzentrierten Ansatz und die Gesprächspsychotherapie hat.

Die Lektüre dieses Buches kann Therapeuten und Therapeutinnen, Berater/innen sowie interessierten Laien empfohlen werden. Es überträgt auf die Leser/innen positive Gefühle und stimmt sie zuversichtlich und optimistisch, ähnlich wie dies auch etwa die Bücher der ‚Denker des positiven Denkens‘ oder die auf Erfolg hin programmierten Kurse des Dale Carnegie Trainings tun.

Rezension von
Prof. Dr. Mark Galliker
Institut für Psychologie der Universität Bern
Eidg. anerkannter Psychotherapeut pca.acp/FSP
Mitglied der Schweizerischen Gesellschaft für den Personzentrierten Ansatz
Weiterbildung, Psychotherapie, Beratung (pca.acp).
Redaktion der Internationalen Zeitschrift für Personzentrierte und Experienzielle Psychotherapie und Beratung (PERSON).
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Es gibt 16 Rezensionen von Mark Galliker.

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Zitiervorschlag
Mark Galliker. Rezension vom 07.12.2012 zu: Fredrike P. Bannink: Praxis der positiven Psychologie. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG (Göttingen) 2012. ISBN 978-3-8017-2406-1. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/14457.php, Datum des Zugriffs 25.03.2023.


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