Christopher Dell: Die improvisierende Organisation
Rezensiert von Prof. Dr. Paul Brandl, 27.03.2013

Christopher Dell: Die improvisierende Organisation. Management nach dem Ende der Planbarkeit.
transcript
(Bielefeld) 2012.
439 Seiten.
ISBN 978-3-8376-2259-1.
D: 39,80 EUR,
A: 41,00 EUR.
Reihe: Sozialtheorie.
Autor
Christopher Dell istTheoretiker, Musiker und Komponist, Institut für Improvisationstechnologie, Berlin.
Thema und Zielsetzung
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, vor dem Hintergrund organisationstheoretischer Veränderungen Aspekte einer Neukonzeption im Hinblick auf die Integration des Konzepts der Improvisation darzulegen. Ausgehend von der funktionalen Theorie. Der Autor geht dabei von einer Erosion der fixen langfristigen Regelungen durch neue Produktionsformen hin zu flexiblen, kurzfristigen und kleinteiligeren Organisationsformen. Dies führte hin zur projektorientierten Organisation.
Inhaltlicher Überblick
Im ersten Kapitel der Arbeit geht der Autor vom Scientific Management aus: Das Unternehmen als geschlossenes, rationales System. Über die Human-Relations-Phase, die Theorie X und Y bis hin zu den Entscheidungs- und Informationssystemen gelangt er dann zum Human Resource Management der 80/90er Jahr zum Performance Management. Das Kapitel schließt mit einer Zwischenbilanz: Prozessbezogene Organisation und Ziele sind an oberster Stelle.
Das zweite Kapitel ist denn Politiken der Performativität und den Problematiken der kybernetischen Wissenskonzeption gewidmet, um im dritten Kapitel auf Performanz und Performativität einzugehen. Insgesamt wird hier die sprachliche Eloquenz des Autors mit seinen bis zur Epistemologie der Performativität reichenden Ausführungen sichtbar.
Das fünfte und sechste Kapitel des Buches stellen den Hauptteil des Buches dar und sind auf die organisationale Improvisation sowie die Improvisationstechnologie fokussiert. Ausgehend von Definitionen, Metaphern, Strategien, minimale Strukturen, Regelungen, Annäherungswissen und Abstraktion reichen die Themen bis zum Teamplaying und Clustering. Ausgangspunkt sind immer wieder minimale Strukturen So führt etwa die Improvisation zum strukturellem Durchleuchten einer Situation. Eine Weiterentwicklung erfolgt etwa durch Variationstechniken oder dem Verdichten von Regeln. Dazu stellt der Autor einen Vergleich mit den minimalen Strukturen des Jazz an. Im zweiten Teil wird Ansätze zur Improvisationstechnologie vorgestellt. Der Autor unterscheidet hier vier Organisationsebenen:
- die Improvisation erster Ordnung, ein reaktiver und reparierender Modus
- die geplante Organisation, in der Funktion, Form und Struktur statisch sind.
- die performative, kybernetische Organisation, dieProzess auf Input/Output zu reduzieren versucht
- Improvisation zweiter Ordnung (als Improvisationstechnologie) konzentriert sich auf die Ordnung der Ordnung bzw. auf die Organisation von Unordnung.
Als Aspekte der Improvisation erweisen die Begriffe der Rekursivität, die performative Struktur, die Methodologie der Prozessgestaltung, die Handlung-Zeit-Struktur, (non)humane Akteure, Metalernen, Technologie der Subjektivierung als wegweisende Begriffe für ein neues Organisationsverständnis. Waren bisher die Sicherheit und Geschlossenheit von Systemen die Ausgangspunkte für die Gestaltung von Organisationen, so plädiert der Autor für Improvisation als gestaltendes Element für Organisationen.
Im siebten Kapitel steht an erster Stelle die Reflexion unterschiedlicher Theorien, Konzepte und Wissensbestände, die sich im Rahmen einer Fundierung der Improvisationstechnik dazu eignen, kritisch analysiert zu werden. Im ersten Teil geht es um Handlung versus Struktur, im zweiten um Transformation, Relationalität und Improvisationstechnologie.
Fazit
Die Flexibilisierung der Organisationen führte zur Aufteilung größerer Organisationen entlang der Kern- und Unterstützungsprozesse und so etwa zur Bildung von kleineren Organisationseinheiten, etwa Zulieferern. Dieser fortschreitende Prozess, ausgehend von den großen Massenfertigungen der Autoindustrie und mittlerweile auch im Dienstleistungsbereich, wird für Praktiker in einer sehr abstrakt konkreten Sprache das komplexe Feld der Improvisation dargelegt. Durch die Gestaltung der Organisationen etwa nach dem Prinzip „Just in time“ wird ein schnelles Auf- und Abbauen von Kapazitäten ermöglicht. Es entsteht ein sehr fragile und hochanfällige Organisationsform, die man im Sinne des Risikomanagements für viele Eventualitäten rüsten kann. Die vorliegende Arbeit ist hier ein verdienstvoller Blick in die Zukunft, der vom Denken der Improvisation als konstitutives Element getragen ist.
Rezension von
Prof. Dr. Paul Brandl
war Professor für Organisationsentwicklung und Prozessmanagement an der FH Oberösterreich, Department für Sozial- und Verwaltungsmanagement und ist Berater insbesondere für die prozessbasierte Optimierung und Neugestaltung von sozialen Dienstleistern
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