Michael Bast: Die Schweigepflicht [...] im Strafvollzug
Rezensiert von Dr. iur. Marcus Kreutz, 06.04.2004
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Michael Bast: Die Schweigepflicht der Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter im Strafvollzug. Eine Untersuchung der innerbehördlichen Schweigepflicht nach §§ 182 StVollzG, 203 StGB.
Verlag Dr. Kovač GmbH
(Hamburg) 2003.
240 Seiten.
ISBN 978-3-8300-1159-0.
79,80 EUR.
Schriftenreihe Strafrecht in Forschung und Praxis ; Bd. 32.
Thema des Werks
Das vorzustellende Werk, welches eine juristische Dissertation der Universität Heidelberg darstellt, beschäftigt sich mit der Schweigepflicht der Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter im Strafvollzug nach den §§ 182 StVollzG, 203 StGB. Der Gesetzgeber regelte mit dem 4. Gesetz zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes (BGBl. I 1998 S. 2461 ff.) im Jahr 1998 diese Schweigepflicht. Ziel der gesetzlichen Regelung war es, die innerbehördliche Schweigepflicht von Angehörigen des sog. Sozialstabs des Strafvollzugs gegenüber der Vollzugsbehörde zu regeln. Die schwierige Aufgabe des Gesetzgebers bestand darin, die bestehende Schweigepflicht der Sozialstabsangehörigen durch die Schaffung von Offenbarungsbefugnissen und Offenbarungspflichten gegenüber dem Anstaltsleiter mit den allgemeinen Vollzugsaufgaben in Einklang zu bringen. Die unleugbare Existenz eines Spannungsfeldes zwischen der Schweigepflicht des Arztes, Psychologen oder Sozialarbeiters, der im Rahmen seiner Tätigkeit mit dem Gefangenen Kenntnisse über höchstpersönliche Lebensumstände und Gefühle, Gedankenwelten sowie krankhafte physische oder psychische Tatsachen erlangt, an deren Geheimhaltung der Gefangene u. U. ein überragendes Interesse hat, und der Notwendigkeit des Offenbarens derartiger Informationen zur Aufrechterhaltung z.B. der gefängnisinternen Sicherheit und Ordnung, macht die Lektüre des Buches äußerst anregend. Gerade spektakuläre Fälle der letzen Zeit, bei denen auch die Frage aufgetaucht ist, ob Mitglieder des Sozialstabs eines Gefängnisses strafrechtlich zu Verantwortung gezogen werden können, wenn sie im Rahmen einer verlangten Prognoseentscheidung fehlerhaft die vorzeitige Freilassung eines Gefangenen auf Bewährung in einem Gutachten befürworten, verschafft dem Werk eine große Aktualität.
Aufbau der Arbeit
Die Arbeit gliedert sich insgesamt in neun Kapitel. Zunächst stellt der Autor in einem Überblick die gesetzliche Regelung des § 182 StVollzG dar (Kapitel 1) um sich im Anschluss daran der Frage zuzuwenden, wie die Stellung der Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter im Strafvollzug ist (Kapitel 2). Im 3. Kapitel wird das von § 203 StGB geschützte Rechtsgut dargestellt. In den beiden folgenden Kapitel (Kapitel 4 und 5) diskutiert der Autor die Schweigepflicht des Sozialstabsangehörigen im Kontext des allgemeinen Problems der innerbehördlichen Schweigepflicht und den Grundsatz der Schweigepflicht nach den §§ 182 Abs. 2 Satz 1 StVollzG, 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und StGB dar. Daran schließen sich Ausführungen über die Frage der Durchbrechung der Schweigepflicht gegenüber dem Anstaltleiter an (Kapitel 6). In Kapitel 7 und 8 werden sonstige Durchbrechungen der Schweigepflicht dem Anstaltleiter bzw. der Aufsichtsbehörde, Vollzugsbediensteten und anderen Gefangenen gegenüber beleuchtet. Den Schluss der Arbeit bildet Kapitel 9, der sich mit den Konsequenzen eines Fehlverhaltens beim Umgang mit der Schweigepflicht beschäftigt.
Maßgebliche Ergebnisse der Arbeit
Da sich der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 182 StVollzG sich den Anstaltsarzt als Leitbild genommen hat und die anderen Mitglieder des Sozialstabs quasi als Annex betrachtet, liegt der Schwerpunkt der Arbeit bei einer kritischen Würdigung der Befugnisse und Pflichten des Anstaltsarztes hinsichtlich seiner Schweigepflicht im Spannungsfeld zu den gesetzlichen Offenbarungspflichten dem Anstaltsleiter gegenüber. Im insofern sicheres Terrain unter sich zu haben, untersucht der Autor richtigerweise zunächst den Einbindungsgrad des Arztes in die Strafvollzugsstrukturen (S. 39 f.). Dabei wird erfreulicherweise darauf hingewiesen, dass der Gefangene im Rahmen der Gesundheitsfürsorge im Strafvollzug gewissen Einschränkungen unterworfen ist. So ist der Anstaltsarzt im Rahmen der Gesundheitsfürsorge als "Zwangsansprechpartner" aufzufassen, da es im Strafvollzug keine freie Arztwahl gibt. Dies erhöht die Verantwortung des Arztes für die Einhaltung der Schweigeverpflichtung deutlich, führt aber auch leider oft dazu, dass Strafgefangene sich dem Anstaltsarzt überhaupt nicht anvertrauen. Hinzu kommt, dass Zweifel, die Diagnose des Anstaltsarztes bestehen, nicht durch einen zweiten Arzt überprüft und evtl. bestätigt oder revidiert werden können (S. 38). Wegen der zahlreichen Einbindungen des Anstaltsarztes in den Justizvollzug - zu nennen sind hier nur beispielhaft die Mitwirkung bei Entscheidungen über Urlaub, Ausgang und Ausführung auch wichtigem Anlass (§ 35 StVollzG, Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt (§ 9 StVollzG) oder bei der Entlassungvorbereitung (§ 15 StVollzG) - ist der Anstaltarzt mit einem Amtsarzt vergleichbar (S. 40). Als Vertreter der Vollzugsbehörde ist er mit einem über die Funktion als behandelnder Arzt deutlich hinausgehendes Aufgabenspektrum ausgestattet. Dies herausgestellt zu haben, ist u.a. der große Vorzug der Arbeit.
Der Autor gelangt auch zu dem begrüßenswerten Ergebnis, dass die Offenbarung von Geheimnissen gegenüber anderen Personen, die innerhalb des Gefängnisses ihren Dienst verrichten bzw. Insassen des selben sind, nur dann erlaubt sind, wenn der Anstaltsleiter selber nicht erreichbar ist (S. 201). Dies unterstreicht die herausgehobene Position der Anstaltsleitung, die im Rahmen des § 156 Abs. 2 StVollzG die Gesamtverantwortung für die Strafvollzugsanstalt hat. Dem Anstaltleiter allein obliegt es, zu prüfen, ob und welche andere(n) Personen Kenntnis von Geheimnissen erlangen sollen (§ 182 Abs. 2 StVollzG).
Fazit
Für jeden, der im Strafvollzug tätig ist, und dort Kenntnis von persönlichen Lebensumständen und sonstigen Tatsachen erlangt, die ein persönliches Geheimnis darstellen, ist dieses Buch wertvoll. Es macht deutlich, dass allen Mitarbeitern und Mitinsassen eine große Verantwortung bei dem Umgang mit Informationen aus den intimen und persönlichen Lebensbereichen von Inhaftierten obliegt, mit der äußerst vorsichtig umgegangen werden muss. Dies umso mehr, da bei einer ungerechtfertigten Offenbarung von Geheimnissen eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Offenbarenden gegeben ist. Auch aus diesem Grund kann allen im Strafvollzug Beschäftigten und sonstigen Betroffenen die Lektüre des Werkes empfohlen werden.
Rezension von
Dr. iur. Marcus Kreutz
LL.M., Rechtsanwalt. Justiziar des Bundesverbandes Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e.V. in Köln
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