Monika Wilkening: Selbst- und Partnerevaluation unter Schülern
Rezensiert von M Sc Hanne Bestvater, 26.07.2013

Monika Wilkening: Selbst- und Partnerevaluation unter Schülern. Lernwege individualisieren – Kompetenzen steigern. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2013. 128 Seiten. ISBN 978-3-407-62880-0. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 26,90 sFr.
Thema
Thema des Buchs sind Methoden und Instrumente zur systematischen Selbst- und Partnerevaluation unter Schülern und Schülerinnen. Durch solche Selbst- und Partnerevaluationen sollen Schüler und Schülerinnen lernen, ihre Fähigkeiten besser zu erkennen und einzuschätzen, dadurch mehr Eigenverantwortung für ihr Lernen übernehmen und umfassende überfachliche Kompetenzen ausbilden, die wiederum die Unterrichtsqualität verbessern.
Autorin
Monika Wilkening ist Gymnasiallehrerin für Englisch und Französisch und publiziert in Fachzeitschriften zu Themen der Fachdidaktik des modernen insb. schülerorientierten Fremdsprachenunterrichts.
Entstehungshintergrund
Die Autorin hat zum Thema „Selbst- und Partnerevaluation“ kürzlich ihre Dissertation veröffentlicht, die auf ihren Untersuchungen zum überfachlichen Kompetenzerwerb im Fremdsprachenunterricht basiert.
Das vorliegende Buch zum selben Thema „Selbst- und Partnerevaluation“ versteht sich als Praxisbuch, das sich aus der Fachliteratur und der eigenen Schulpraxis der Autorin speist (S. 117). Es enthält Beschreibungen von sog. Evaluationsmethoden, Beispiele von ganzen Unterrichtsequenzen mit integrierten Methoden incl. Kopiervorlagen und Hinweise, wo man diese auf den Serviceseiten des Verlags finden kann.
Aufbau
Das Buch besteht aus zwei Teilen, A Einführung und B Praxis.
Im Teil A werden verschiedene theoretische Teppiche ausgelegt: Was ist Evaluation? Auf welcher Ebene bewegt sich die Evaluation zwischen Bildungssystem, Schule und Unterricht? Worum geht es bei überfachlichen Kompetenzen? Was leistet Selbst- und Partnerevaluation, was sind Voraussetzungen, günstige Zeitpunkte und Grenzen?
Ein Kapitel widmet sich Arten von Befragung (Kap. 4), eines dem Thema Metakognition (Kap. 5), eines dem Thema Rollenverständnis von Lehrenden und Lernenden in Selbst- und Partnerevaluationen (Kap. 6) und ein letztes verschiedenen Arten von „schülerorientierten Lernarrangements“ (Kap. 7).
Im Praxisteil B werden Beispiele beschrieben und Tipps gegeben, für einen Aufbau von Unterrichtssequenzen, der Selbst- und Partnerevaluationen nutzt, für die Vorbereitung auf und die Durchführung von solchen Evaluationen. Den Schwerpunkt bilden hierbei die fächerübergreifenden, nach Klassenstufen (5, 7, 9 u. Oberstufe) gegliederten Beispiele, Aktivitäten und Kopiervorlagen. Abschließend wird exemplarisch eine Unterrichtseinheit dargestellt. Im Kap. 10 wird der in der Einleitung versprochene Workshop eröffnet und Schritt für Schritt die eigenständige Entwicklung von Befragungen beispielhaft erläutert.
Inhalt
Das Herzensanliegen von Wilkening ist die Förderung des Erwerbs von überfachlichen Kompetenzen im Fachunterricht. Dafür präsentiert sie einen Koffer voller Methoden, die Schüleraktivität in schülerorientierten Lernarrangements fordern und fördern. Dabei zählt sie auch Selbst- und Partnerevaluation zu denjenigen Methoden, die ihrem eigentlichen Anliegen dienlich sind.
Im Elternbrief werden die Verbindungen, die die Autorin zwischen Individualisierung von Lernwegen, Erwerb und Bedeutung überfachlicher Kompetenzen und den Möglichkeiten, diese mit Selbst- und Partnerevaluation zu unterstützen, am Besten deutlich: „Im Englischunterricht üben die Schülerinnen und Schüler fachliche Kompetenzen wie Hören, Sprechen, Sehen, Lesen und Schreiben […]. Laut Bildungsplänen sind zudem Kompetenzen wichtig, die die gesamte Persönlichkeitsentwicklung […] im Englischunterricht und fachübergreifend unterstützen. […] Ich möchte den Schülerinnen und Schülern dabei helfen, durch zunehmendes Verständnis ihrer individuellen Lernbedürfnisse, -wege, -ziele und durch regelmäßige Reflexion über ihre Lernerfahrungen, Lernprozesse und -produkte und über in ihnen schlummernde Potenziale wichtige persönliche Kompetenzen zu üben“ (S. 88 und Downloadmaterialien).
Um diese komplexe Beziehung theoretisch zu begründen, bietet Wilkening im Teil A verschiedene theoretische Hintergründe wie Teppiche an, über die man als Lesende schreiten kann. In einem Teppich werden Merkmale, unterschiedliche Zwecke und Ziele von Evaluation dargelegt und das Vorgehen der Selbst- und Partnerevaluation als Mittel zum überfachlichen Kompetenzerwerb dargestellt.
Evaluation wird definiert als: „Gewinnen von Erkenntnissen über eine Massnahme“(S. 9), Selbst- und Partnerevaluation als ein Vorgehen, bei dem „Schülerinnen und Schüler ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten weiter[entwickeln], ihr Lernen und das anderer anhand von Kriterien zu vergleichen, danach einzuschätzen und so besser zu verstehen“ (S. 13). Merkmal der Selbst- und Partnerevaluationen ist, dass sie „durch die Lernenden selbst, nicht durch die Lehrkraft“ erfolgen (S. 17) oder auch die Lehrkraft von der „alleinigen Beurteilung durch Teilung der Verantwortung“ entlasten. Unter Partnerevaluation fallen bei Wilkening Lern- und Arbeits-, Gesprächs- und Diskussionstechniken von Partnerbeobachtung in einer Lerngruppe bis zu „Beurteilung von Arbeiten Mitlernender“ (S. 19).
Ihr ist wichtig zu betonen, dass am Ende von Evaluationen „nicht unbedingt sichere Aussagen stehen“, sondern „Evaluationen ein ständiger Reflexionsprozess bleiben“ (S. 9).
Bei der Entwicklung von Befragungsinstrumenten für eine solche Evaluation soll man sich nicht nur auf Fragebögen stützen, sondern auch auf Gespräche, Arbeitsprozessberichte, Blitzlichter und Feedbacks, Lerntagebücher, Kartenabfragen, Brainstormings, Aufstellungen im Raum, Stimmungslinien, Lernräder, schriftliche Feedbacks oder Evaluationszielscheiben einsetzen (S. 27-28).
Um die Relevanz ihres Anliegens, überfachliche Kompetenzen und ihre Förderung im Unterricht, zu begründen und die Implikationen dieses Anliegens darzulegen, bezieht sich Wilkening einerseits auf die aktuellste Diskussion über Qualität von Unterricht, ausgelöst von John Hattie (vgl. www.socialnet.de/rezensionen/14932.php, S. 15). Andererseits widmet sie ein Kapitel auch der Herausforderung, dass sowohl Lehrpersonen als auch Lernende ihr Rollenverständnis erweitern müssen, wenn sie von den Evaluationsverfahren profitieren wollen.
Teil B des Buches widmet sich ausführlich den Methodenarrangements in der Praxis: Wie man das Instrument der Ampel bei jüngeren Schülern einführen und mit zusätzlichen simplen Mitteln (Wäscheklammern) für differenzierte Feedbacks ausbauen (S. 37) kann. Wie man die Kompetenz zur Partnerevaluation mit ersten Hausaufgaben aufbaut, bei denen die Lernpartnerinnen untereinander die Aufgaben austauschen und danach im Klassenzimmern über die Arbeit des/der anderen berichten. Wie man mit dem methodischen Dreischritt „Think – Pair – Share“ (Einzel-, Partner-, Gruppenarbeit) Skalen zur differenzierten Beurteilung der Qualität von Leistung aufbauen kann. Wie man in der Oberstufe Aspekte der Partnerevaluation in die Leistungsmessung – in dem Fall in eine Klausur – integrieren kann (S. 86) und wie man Eltern informiert und mit ins Boot holt (siehe erwähnter Elternbrief oben).
Diskussion und Fazit
Eine persönliche Bemerkung vorweg: Mich hat es besonders gereizt das Buch zu besprechen, weil es zwei Punkte in meiner eigenen beruflichen Laufbahn berührt: Meine Berufslaufbahn habe ich als Fremdsprachenlehrerin (Englisch) für die Sek I begonnen. Nach dem Wechsel in die Erwachsenenbildung habe ich als Trainerin und Beraterin lange zum Thema Selbstevaluation gearbeitet und Trainings für Lehrkräfte geleitet. Es hat mein Herz berührt, zu lesen wie weit sich der moderne Fremdsprachenunterricht entwickelt hat. „Selbsteinschätzungsbögen“, „Checkouts“, „Check your progress“, „Self-Assessment Sheets“ oder „Hilfen zur Selbstevaluation“ in Lehrbüchern hätte ich als Referendarin sicher mit Begeisterung genutzt (Hinweise zu finden im Downloadmaterial).
Vor diesem Hintergrund war es für mich angenehm, vom ersten schwierigeren Teil A in den zweiten Teil B des Buchs zu wechseln.
Im Teil A hat die Rezensentin gelegentlich den Eindruck gewonnen, dass es sich um einen stark gekürzten Text handeln könnte, wobei jeweils die logischen Anschlüsse, gedanklichen Verbindungen zwischen Absätzen und Kapiteln verloren gegangen sind. Dadurch wird der Text eher additiv und die Lesenden bleiben sich bei der Suche nach den Brücken zwischen den ausgelegten theoretischen Teppichen bzw. zwischen diesen und dem praktischen Tun, immer wieder selbst überlassen,
Teil B enthält manches Irritierende: Im Titel heisst es „Selbst- und Partnerevaluation unter Schülern“ und im Blitzlicht auf S. 43 steuert die Lehrperson die Fragen und sammelt alle Äusserungen ein. Handelt es sich dann nicht eher um eine Selbstevaluation der Lehrperson?
Man ist irritiert, wenn im vorderen Teil des Buchs dafür geworben wird, nicht nur an „Fragebogen“ zu denken wenn man „Befragungen“ machen möchte und im Kap. 10 die Bezeichnung „Fragebogen“ und (schriftliche) „Befragung“ weitgehend synonym verwendet wird.
Es ist verwirrend wenn unter Evaluation manchmal Bewertung einer bestimmten Qualität, Beurteilung von Leistung (Assessment) oder sogar reines Feedback bei einem Blitzlicht ohne nachvollziehbare Abgrenzung der Massnahme verstanden wird, wo doch am Anfang des Buchs steht, dass Evaluation das „Gewinnen von Erkenntnissen über eine Massnahme“ ist.
Die definitive Stärke des Buchs ist der Teil B mit seinen zahlreichen Beispielen aus der Praxis. Hier schöpft die Autorin aus dem Vollen, hier können erfahrene Lehrperson aus Schule oder Weiterbildung Anregungen sammeln, wie man auch altbekannte Instrumente immer wieder neu erfindet oder für neue Evaluationszwecke einsetzen kann.
Eine Definition von Evaluation, die das Bewerten anhand transparenter Kriterien auf der Grundlage systematisch erhobener Daten in den Mittelpunkt rückt, hätte das Buch insgesamt wahrscheinlich kongruenter gemacht.
Rezension von
M Sc Hanne Bestvater
Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), Hochschule für Soziale Arbeit (HSA), Studienorganisatorin für den Bachelor Soziale Arbeit
Mailformular
Es gibt 9 Rezensionen von Hanne Bestvater.
Zitiervorschlag
Hanne Bestvater. Rezension vom 26.07.2013 zu:
Monika Wilkening: Selbst- und Partnerevaluation unter Schülern. Lernwege individualisieren – Kompetenzen steigern. Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2013.
ISBN 978-3-407-62880-0.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/14522.php, Datum des Zugriffs 30.11.2023.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.