Wilfried Bos , Irma Tarelli et al. (Hrsg.): IGLU 2011 Lesekompetenzen von Grundschulkindern [...]
Rezensiert von Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Heekerens, 12.02.2013
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Wilfried Bos , Irma Tarelli, Albert Bremerich-Vos, Knut Schwippert (Hrsg.): IGLU 2011 Lesekompetenzen von Grundschulkindern in Deutschland im internationalen Vergleich. Waxmann Verlag (Münster/New York/München/Berlin) 2011. 272 Seiten. ISBN 978-3-8309-2828-7. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR, CH: 40,90 sFr.
Thema
Das Buch stellt Anlage, Ergebnisse und kontextuelle Überlegungen der/zur Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung {lGLU oder PIRLS= Progress in International Reading Literacy Study) 2011 vor.
Herausgeberteam, Autorinnen und Autoren
Neben den vier Herausgebern kommen in den einzelnen Kapiteln des Sammelwerkes weitere Wissenschaftler auf dem Gebiet der Bildungsforschung zu Wort. Unter den Herausgebern finden sich auf den Plätzen eins und zwei Bos, Institut für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund, Wissenschaftlicher Leiter der Studie, und Tarelli, am selben Ort tätig, deren Projektleiterin.
Entstehunghintergrund
IGLU/PIRLS= Progress ist eine intenational-vergleichende Schulleistungsuntersuchung, die von der International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA) verantwortet wird. Die IEA ist ein unabhängiger, internationaler Zusammenschluss von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Forschungseinrichtungen und Regierungsstellen und fuhrt seit 1959 international-vergleichende Schulleistungsstudien durch. IGLU gehört seit 2001 zu den Kernstudien der IEA und wird im Abstand von fünf Jahren durchgeführt. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht das Leseverständnis von Schülerinnen und Schülern am Ende der vierten Jahrgangsstufe, das unter Berücksichtigung zentraler Rahmenbedingungen schulischer Lernumgebungen betrachtet wird. Ein zentrales Anliegen der Studie ist es, langfristige Entwicklungen in den teilnehmenden Bildungssystemen zu dokumentieren. Deutschland beteiligt sich seit 2001 regelmäßig, d.h. 2001, 2006 und 2011, an IGLU. Die Die Teilnahme erfolgte auf Beschluss der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) und einer Vereinbarung zwischen der KMK und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Durch die dritte Erhebung ist es erstmals möglich, belastbare Aussagen zu den Veränderungen, die in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland stattgefunden haben, zu treffen.
Eine zentrale Besonderheit der Erhebungsrunde 2011 ist, dass es möglich war, IGLU gemeinsam mit der Schwesterstudie Trends in International Mathematics and Science Study (TIMSS) durchzuführen und eine gemeinsame Untersuchungsstichprobe zu realisieren.
Die Teilnahme an internationalen Schulleistungsstudien stellt einen zentralen Eckpfeiler der im Jahr 2006 beschlossenen Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring dar.
Aufbau
Das Buch besteht aus einem zweiseitigen - den Entstehungskontext des Buches skizzierenden – Vorwort von Bos, dem Wissenschaftlichen Leiter von IGLU 2011 (und TIMSS 2011), neun auf einander bezogenen, in sich abgeschlossenen und jeweils mit eigenem Literaturverzeichnis versehenen Kapitel, zwei Anhängen (A: Weiterführende Informationen zu den Teilnehmerstaaten, B: Beispiel für einen Sachtext aus IGLU 2011) sowie separaten Abbildungs- und Tabellenverzeichnissen.
Die neun Kapitel tragen die Überschriften:
- IGLU 2011: Wichtige Ergebnisse im Überblick
- Ziele, Anlage und Durchführung der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU 2011)
- Das Konzept von Lesekompetenz in IGLU 2011
- Lesekompetenzen im internationalen Vergleich
- Lehr- und Lernbedingungen an Grundschulen im internationalen Vergleich
- Soziale Herkunft und Lesekompetenzen von Schülerinnen und Schülern
- Lesekompetenzen von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund
- Der Übergang von der Primär- in die Sekundarstufe
- Leistungsprofile von Viertklässlerinnen und Viertklässlern in Deutschland.
Inhalt
Der Inhalt des Buches ist mit den Überschriften seiner neun Kapitel hinreichend charakterisiert. Eine gedrängte, aber dennoch gut lesbare Zusammenfassung der Ergebnisse – freilich ohne Darstellung ihrer Produktion – bietet das erste Kapitel. Von diesen seien nachfolgend die drei genannt, die für Disziplin und Profession der Sozialen Arbeit am wichtigsten sein dürften:
- Gegenüber 2001 – 2006 gab Anlass zur Hoffnung – gibt es keine wirklich bedeutsamen (Leistungs-)Veränderungen; was – angesichts der Ergebnisse von PISA 2009 formuliert – für die Soziale Arbeit heißt: „Die Frage der Bildungsgerechtigkeit bleibt auf der Tagesordnung“ (Heekerens, 2011). Ob der deutsche Kindergarten in seiner derzeitigen Verfasstheit hier Verbesserung bringen kann, wie der vorliegende Bericht suggeriert (S. 22), bezweifle ich mit guter Begründung (Heekerens, 2010a).
- Die Kompetenzen hängen, wie das alle einschlägigen Analysen zuvor gezeigt haben (vgl. Heekerens, 2010b), in substanzieller Weise vom familiären Hintergrund (und das schlägt auch bei der Hintergrundvariable „Migration“ zu Buche) ab. Konkret: „Insgesamt zeigt sich für Deutschland, dass sich die relativ enge Kopplung von Lesekompetenz und sozialer Lage der Elternhäuser in den letzten zehn Jahren nicht verändert hat. Die Leistungsunterschiede zwischen Kindern, deren Eltern den oberen Berufsklassen angehören, und Kindern, deren Eltern der Gruppe der Arbeiter angehören, betragen etwa ein Lernjahr. Dasselbe gilt, wenn Viertklässlerinnen und Viertklässler aus armutsgefährdeten Elternhäusern mit Mitschülerinnen und Mitschülern verglichen werden, die nicht armutsgefährdet sind.“ (S. 18-19)
- Nach wie vor gibt es eine gesellschaftlich ins Gewicht fallende „Risikogruppe“, die durch geringe (11 Prozent) bzw. sehr geringe (4 Prozent) Leistungen, insbesondere im Lesen (Ergebnisse zu Mathematik und Naturwissenschaft aus TIMSS 2011 wurden hier mit in Rechnung gestellt) auffallen.
Diskussion
Zusammen mit den ebenfalls im Jahre 2012 im gleichen Verlag veröffentlichten Ergebnissen der jüngsten internationalen Vergleichsstudie von Schülerinnen und Schülern der vierten Jahrgangsstufe hinsichtlich mathematischer und naturwissenschaftlicher Kompetenzen (TIMSS 2011; Bos, Wendt, Köhler & Selter, 2012) – für Deutschland dieselbe Stichprobe – sowie des des IQB-Ländervergleichs 2011 der Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern am Ende der vierten Jahrgangsstufe in den Fächern Deutsch und Mathematik (Stanat, Pant, Böhme & Richter, 2012) haben wir für hiesige Schülerinnen und Schülern an der Schlüsselstelle zur (nach wie vor Richtung weisenden) Sekundarstufe I eine breite und aktuelle Bestandsaufaufnahme der Kernkompetenzen und von sie beeinflussenden Faktoren. Die Kenntnis aller drei Studien scheint mir unverzichtbar, will man sich in diesem Lande zu Bildungsfragen kompetent und mit Anspruch darauf gehört zu werden äußern.
Fazit
Das Buch gehört daher in mindestens einem Exemplar in die Bibliothek jeder Ausbildungsstätte für Soziale Arbeit und mindestens ein weiteres Mal, wenn an der entsprechenden Hochschuleinheit zumindest ein speziell Bildungsfragen gewidmeter Studiengange vorhanden ist.
Ergänzende Literaturnachweise
- Bos, W., Wendt, H., Köller, O. & Selter, C. (Hrsg.) (2012). TIMSS 2011. Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen von Grundschülern in Deutschland im internationalen Vergleich. Münster – New York – München – Berlin: Waxmann. (Vgl. die Rezension)
- Stanat, P,, Pant, H. A., Böhme, K., Richter, D. (Hrsg.) (2012). Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern am Ende der vierten Jahrgangsstufe in den Fächern Deutsch und Mathematik. Ergebnisse des IQB-Ländervergleichs 2011. Münster – New York – München – Berlin: Waxmann. (Vgl. die Rezension)
- Heekerens, H.-P. (2010a). Die Auswirkung frühkindlicher Bildung auf Schulerfolg – eine methodenkritische Bestandsaufnahme. Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, 2010, 30, 311-325.
- Heekerens, H.-P. (2010b). Familiärer Hintergrund und schulischer Erfolg. Neue Praxis, 2010, 40, 422-439.
- Heekerens, H.-P. (2011). Die Frage der Bildungsgerechtigkeit bleibt auf der Tagesordnung. Neue Praxis, 2011, 41, 526-543
Rezension von
Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Heekerens
Hochschullehrer i.R. für Sozialarbeit/Sozialpädagogik und Pädagogik an der Hochschule München
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