Marita Haibach: Handbuch Fundraising
Rezensiert von Dr. Siegmund Pisarczyk, 24.01.2013

Marita Haibach: Handbuch Fundraising. Spenden, Sponsoring, Stiftungen in der Praxis. Campus Verlag (Frankfurt) 2012. 4., aktualisierte und erweiterte Auflage. 488 Seiten. ISBN 978-3-593-39792-4. D: 42,00 EUR, A: 43,20 EUR, CH: 56,90 sFr.
Autorin
Sie gilt als Architektin des Fundraising in Deutschland. Haibachs Fundraising-Erfahrungen in den USA sind in ihren Publikationen spürbar; sie ist Autorin mehrerer Publikationen, u.a. „Frauenbewegung in der Philanthropie. Frauen verändern die Stiftungswelt in den USA“, München 1997, und zählt zu den führenden Fundraisern in Europa.
Entstehungshintergrund und Thema
Vergleicht man diese Auflage mit der ersten aus dem Jahre 1998, ebenfalls im Campus Verlag erschienen, stellt man fest, dass die aktuelle Ausgabe kompakter wirkt und das Fach-Vokabular sich eher amerikanisiert hat: Zahlreiche neue Fachbegriffe finden sich in dieser Publikation.
Haibach geht in ihrer Veröffentlichung folgenden Fragen zum Fundraising nach:
- Welche Begriffe sind relevant?
- Gibt es einen Ehrenkodex?
- Warum spenden Menschen?
- Welche Zielgruppen können von diesem Handbuch profitieren?
- Wofür braucht eine demokratische Gesellschaft Fundraising?
- Welche Rolle spielen gegenwärtig Spenden und Stiftungen?
- Gibt es goldene Regeln?
- Wo liegen die sozialpolitischen Chancen?
- Mit welchen Herausforderungen wird modernes Fundraising konfrontiert?
Die Lektüre verweist darauf, dass „Fundraising des Spenden-Flusses“ im doppelten Sinne zu verstehen ist: Einmal im Sinne von Unternehmens-Spenden. Ein so verstandener Fundraising-Kontext wird u.a. mit folgenden Ausprägungen belegt:
- Corporate Social Responsibility, S. 9
- Corporate-Identity-Ansatz, S. 81
- Corporate Citizenship, S. 193
- Corporate Giving, S. 194
- Corporate Volunteering, S. 424
Zum anderen im Sinne von Privatpersonen-Spenden:
- Zeitspender,
- Ehrenamtliche Mitarbeiter und
- Geld- und Sachspenden einzelner Personen.
Die latente Botschaft lautet hier: Unternehmen bzw. Menschen helfen Menschen. Haibach fordert mit Ihrem Buch den politischen Dialog. Gesellschaftspolitisch gesehen, kann Fundraising im Sinne einer Makro-Dimension die Solidarität in der Gesellschaft fördern.
Zielgruppe
Das Werk ist sowohl den Praktikern als auch Theoretikern des Fundraising zu empfehlen; Haibach gibt damit allen Interessierten ein „How-to-Buch“ an die Hand. Praktische Fundraising-Beispiele verleihen ihm einen nützlichen und überzeugenden Handbuch-Charakter.
Aufbau
Das Buch besteht aus sechs Teilen, 22 Tabellen und 29 Abbildungen.
Inhalt
In Teil I werden die Grundlagen und Rahmenbedingungen erfasst. Haibach beschreibt die Relevanz des Fundraising und der Philanthropie für die Gesellschaft. Es wird die Wichtigkeit der Fundraising-Ethik und der steuerrechtlichen Aspekte betont. Die Begriffe des Spendens und des Sponsoring werden eindeutig formuliert. Der Fundraisingbegriff (folgt man den Definitionen aus den USA) ist zu verstehen als „die umfassendste Mittelbeschaffung einer nicht kommerziellen Organisation“ (S.16). Haibach vermerkt zugleich, dass wir kein entsprechendes Wort im Deutschen haben. So orientieren wir uns an den Fundraising-Entwicklungen in den USA.
In Teil II beschreibt die Autorin die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Fundraising. Es wird darauf hingewiesen, dass Nonprofit-Organisationen(NPO) von Fundraising profitieren können, wenn dieses professionell durchgeführt wird. Erfolgreiches Fundraising setzt einen strategisch angelegten Managementprozess voraus (vgl. S. 76). Am Beispiel der USA betont Haibach, dass Fundraising eine Kulturtechnik ist, die professionell gelernt werden muss. Dortige Fundraiser werden gut bezahlt und geschätzt.
In Teil III wird über private Finanzquellen für gemeinnützige Zwecke diskutiert. Die Autorin beschreibt Fundraising und Philanthropie in Deutschland nach Zahlen und konkreten Beispielen. Dabei spielen das Fördervolumen und Spendenmotive eine wesentliche Rolle. Gegenwärtig gehören in Deutschland Bürgerstiftungen zu den modernen philanthropischen Förder-Formen. Seit einigen Jahren gehört das Engagement von Wirtschaftsunternehmen zu den bedeutenden Fundraising-Erscheinungen in unserem Lande. Besonders zwei Formen, und zwar die Corporate Social Responsibility (Wirtschaftsunternehmen handeln im Rahmen eigener Geschäftstätigkeit zwecks einer gesellschaftlichen Verantwortungsübernahme) und Corporate Citizenship (bürgerschaftliches Engagement von Wirtschaftsunternehmen), machen von sich reden (vgl. S. 193). Beide Formen bereichern zuerst die „technischen“ Möglichkeiten des Fundraising.
In Teil IV wird Fundraising von Privatpersonen in der Praxis dargestellt. Hier werden vor allem Fundraising-Methoden und Fundraising-Kommunikation in diversen Kanälen und Ausprägungen erörtert. Haibach beschreibt darin zehn Fundraising-Grundregeln, von denen die erste größere Aufmerksamkeit verdient: „Beim Fundraising geht es nicht vorrangig um die Beschaffung von Geld. Es geht um die Erfüllung von Bedürfnissen und das Bewirken von Veränderungen“ (S. 215). Zu den Bedürfnissen zählen u.a. etwas Gutes tun im Sinne eines sozialen Transfers zwischen den Gebenden (Spender) und Bedürftigen. Das Thema der Dauerspender (Dauerförderer) und die Betreuung von Förderern beschließt diesen Abschnitt.
In Teil V wird Fundraising in der Praxis am Beispiel von Stiftungen und Unternehmen analysiert. Es werden die Bedingungen beschrieben, wie man Stiftungen und Unternehmen für das Fördern einer eigenen NPO gewinnen kann. Eine wichtige Rolle in der Praxis spielt in diesem Zusammenhang eine Kooperationsvereinbarung zwischen Unternehmen und NPO. Am Beispiel eines Sponsoringvertrages wird deutlich, welche Vereinbarungen getroffen werden müssen.
In Teil VI skizziert die Autorin Fundraising in Österreich und der Schweiz, nachdem sie die Charity als Foundation in England dargestellt hat. Dem folgt ein internationaler Zahlen-Vergleich von Spenden. So lässt sich erkennen, dass Deutschland weltweit nach den USA, Kanada und der Schweiz den vierten Platz mit 5,5 Mrd. Euro Spenden (2011) belegt. Schließlich wird das Spezifische für Fundraising in Österreich und der Schweiz beschrieben.
Diskussion
Dem Spendenmailing und dem Thema „Fundraising und Privatpersonen“ widmet Haibach grundsätzlich viel Aufmerksamkeit. Zu Recht verweist sie auf die notwendige Sozialkompetenz der Fundraiser, besonders auf die „…Fähigkeit, sich in andere hinein zu versetzen und mit Menschen auf einer Vielfalt von Ebenen zu kommunizieren“ (S. 109). Eine wichtige Rolle spielen in einer NPO dabei die Stakeholder, also der Personenkreis, der die Interessen der Organisation fördert. Haibach mahnt zu Recht, dass viele Fundraiser sich nicht die Mühe machen „…ihre aktuellen und potenziellen Förderer wirklich kennen und verstehen zu lernen, also systematisch und regelmäßig deren Bedürfnisse zu erkunden“ (S. 222). Diese Defizite sind langfristig zu beheben, die Vorteile für die NPO können erheblich sein und sind jedenfalls in deren Interesse.
Es ist richtig, dass Haibach die Bedeutung des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) oftmals unterstreicht. Das DZI ist die etablierte Wächterorganisation mit Kontrollaufgaben. Wesentlicher erscheint jedoch die ethische Autoritäts- und Transparenzfunktion für alle NPO. Für Fundraiser muss die DZI eine Organisation der nachhaltigen Partnerschaft und der Glaubwürdigkeit sein.
Fundraising bedeutet eine bestimmte Form des Beschaffungsmarketings. Das Lernen von Marketingtechniken aus der freien Wirtschaft kann für Fundraising eine enorme Chance bedeuten. Zu den modernen Fundraising-Instrumenten zählt z. B. in den USA das Cause-related Marketing(Crm). Diese Form des Marketing bedeutet, dass man bestimmte Produkte mit Benefizanteil verkauft. Als typisches Beispiel dient hier das Freiheitsstatuen-Projekt von America Express, in dem Kunden, die mit einer „American-Express-Kreditkarte“ bezahlen, dadurch automatisch kleine Beträge spenden. Es lassen sich drei Beweggründe unterscheiden, warum Menschen spenden:
- Menschen in Notlagen helfen, in der Fachsprache „Charity“.
- Menschen möchten die gesellschaftspolitische Veränderungen bewirken - „Change“.
- Menschen verfolgen Eigeninteressen u.a. im Bildungs- und Kulturbereich oder in Organisationen, die sich mit Krankheiten befassen. Das Helfenwollen ist allerdings die Grundvoraussetzung, was nicht zuletzt damit zu tun hat, dass die traditionellen Spender Not in ihrem eigenen Leben kennen gelernt haben (vgl. S. 461).
Spenden hat zwar viele Motive, aber ein soziales Ziel, u.a. Ungleichheiten entgegen zu wirken. Diese Ungleichheiten können finanzieller, kultureller und sozialer Natur sein.
Haibachs Werk ist ein politisches Buch im Sinne einer Sozialpolitik zur Förderung des professionellen Fundraising und der Philanthropie. Die Lektüre überzeugt durch Klarheit des Stils und durch die präzise Wortwahl. Die Begriffe Spenden, Ehrenamtliche Arbeit, Philanthropie, Medien und Nonprofit-Organisationen finden darin am häufigsten Verwendung. „Fundraising ohne philanthropische Grundhaltung und ohne eine wirkliche gesellschaftliche Wertschätzung funktioniert auf Dauer nicht beziehungsweise nicht gut“ (S. 458) lässt sich als Credo des Buches bezeichnen. Haibach setzt sich für mehr Verantwortungs-Übernahme von Bürgern für das Gemeinwohl ein.
Fazit
Die Botschaft des Buches macht deutlich, dass Bürger mit ihren Spenden bzw. philanthropischen Handlungen einen Beitrag zum Erhalt des sozialen Friedens leisten. Der Aufruf „Demokratie braucht soziales Engagement“, gepaart mit praktizierender Philanthropie, drückt eine wertvolle gesellschaftskonforme Vision aus.
Rezension von
Dr. Siegmund Pisarczyk
Diplompädagoge & Nonprofit Manager
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Zitiervorschlag
Siegmund Pisarczyk. Rezension vom 24.01.2013 zu:
Marita Haibach: Handbuch Fundraising. Spenden, Sponsoring, Stiftungen in der Praxis. Campus Verlag
(Frankfurt) 2012. 4., aktualisierte und erweiterte Auflage.
ISBN 978-3-593-39792-4.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/14548.php, Datum des Zugriffs 28.09.2023.
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