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Uwe Berlit: Existenzsicherungsrecht

Rezensiert von Arnold Schmieder, 07.02.2013

Cover Uwe Berlit: Existenzsicherungsrecht ISBN 978-3-8329-4709-5

Uwe Berlit: Existenzsicherungsrecht. SGB II - SGB XII - AsylbLG - Verfahrensrecht ; Handbuch. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2013. 2. Auflage. 1212 Seiten. ISBN 978-3-8329-4709-5. 89,00 EUR.
Reihe: NomosPraxis.

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Thema

Gegenstand des Bandes ist das ‚Existenzsicherungsrecht‘, worunter sich auch der interessierte Laie sofort etwas vorstellen kann, weil dessen sozialen Auswirkungen häufiger Gegenstand der Medien sind. Neben den Herausgebern hat eine größere Anzahl von ausgewiesenen Experten hier weit mehr als ein Kompendium vorgelegt, nämlich ein Nachschlagewerk, das die an ein Handbuch zu stellenden Anforderungen bei weitem übertrifft. Der Untertitel weist darauf hin, was vorrangig von Belang ist: das Sozialgesetzbuch II und XII, das Asylbewerberleistungsgesetz, und das Verfahrensrecht. Daraus aber erschließt sich die beachtliche thematische Breite nicht unmittelbar, die der Band bietet. So kommen für u.a. die Praxis von Sozialarbeit und Beratung so wichtige Gegenstandsbereiche wie das Allgemeine Leistungsrecht, aber folgerichtig auch der Rechtsanspruch auf Sozialhilfe, Sozialhilfedarlehen und Regelsätze sowie Grundsicherung sehr ausführlich zur Sprache, was um zahlreiche, für die Alltagspraxis relevante Bereiche aufgefächert ist.

Entstehungshintergrund

Ein Handbuch soll es sein, wie im Vorwort zur 2. Auflage betont wird, und damit der Anspruch unterstrichen werden, „die bedürftigkeitsabhängigen, bedarfsbezogenen Regelungen zur Sicherung des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum im Zusammenhang darzustellen und dabei Gemeinsamkeiten ebenso herauszuarbeiten wie verbliebene Unterschiede aufzudecken.“( S. 5) Anlass des Werkes waren somit vor allem die Überarbeitungen, Korrekturen und Präzisierungen von ‚Hartz-IV‘.

Aufbau und ausgewählte Inhalt

Die Rechtslage, wie sie nun – vorerst – verbindlich gegeben ist und einiger Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bedurfte, wird im Hinblick auf Kinder und Ausbildungsförderung, auf Unterkunft und die Fragen um Bedarfs-, Einsatz- und Haushaltsgemeinschaft, Hilfe in besonderen Lebenslagen, Lohnabstandsgebot und Schulden u.a.m. dokumentiert und erläutert. Wahl- und Wunschrecht fehlen nicht, Pauschalierungen und Vorausleistungen, Erstattung, Rückforderung, Kostenbeiträge, Aufwendungs- und Kostenersatz ebenso wie Anspruchsübergang und -überleitung werden behandelt. Nicht zuletzt wird über Verwaltungsverfahren und gerichtliches Verfahren informiert.

Das Asylbewerberleistungsgesetz wird in den Kapiteln über ‚gesellschaftliche und gesamtwirtschaftliche Bedeutung‘ und ‚Abgrenzung der existenzsichernden Leistungssysteme‘ sowie ‚Ausländer‘ behandelt, und zwar hier wie in anderen Kapiteln auch mit Querverweisen auf verwandtes Recht und behördliche Vorschriften.

Wie kaum ein anderer Zweig präge „das Ziel der Existenzsicherung die Sozialstaatlichkeit“, heißt es gleich eingangs, wobei durch die Einführung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie die Grundsicherung für Arbeitsuchende das „Recht auf Existenzsicherung (…) komplex und komplizierter geworden“ sei. Wie sich gesellschaftlicher Wandel im Rechtsbereich niederschlägt, wird besonders da deutlich, wo es heißt, die „Erbringung der Sozialhilfe“ unterläge dem Gebot der Individualisierung, sei auf jeden Hilfeempfänger zugeschnitten, also weder schematisierend noch typisierend. Als nachrangige, also subsidiäre Hilfe bestehe eine Berechtigung demzufolge nicht, „wenn der Hilfesuchende die ihn treffende Notlage selbst abzuwenden vermag oder dies andere, vorrangig einstandspflichtige Private oder Sozialleistungsträger schulden und vermögen.“

In medias res geht der Vermerk, dass eine sinkende Alters- und eine steigende Familienarmut „das zeitgenössische Bild von Armut in Deutschland“ prägen und bei der Kinderarmut eine wesentliche Rolle spielt, „inwieweit die Eltern einer bezahlten Beschäftigung nachgehen.“ Wesentliche Gründe und Risiken für Armut, worauf das Existenzsicherungsrecht reagiere, seien „Arbeitslosigkeit, ein geringer Bildungsstand oder geringe berufliche Qualifikationen sowie eine Überschuldung privater Haushalte. Zudem steigt durch die Zunahme des Niedriglohnbereichs auch bei Vollzeiterwerbstätigkeit das Armutsrisiko von Erwerbstätigen.“ (S. 19 – 29) – Solche soziologischen Tatbestände sind bekannt, weniger bekannt aber dürfte sein, wie seitens der ‚Gesellschaft‘ mittels ihrer Gesetzgebung darauf reagiert wird. Hier klärt der Band bis in alle denkbaren, ‚komplexen und komplizierten‘ Feinheiten auf.

Diese Hinweise auf Armutsrisiken und andere zu kritischer Reflexion einladenden Bemerkungen finden sich gleich im ersten Kapitel des ersten Teils. Bei Lektüre der „Orientierungsleitsätze“, die sich zur ersten Lektüre empfehlen, kommen dem- oder derjenigen, der oder die beruflich mit diesen Rechtsbereichen konfrontiert ist, ganz gewiss Beispiele in den Sinn, in denen sich die ganze Problematik in der Praxis entfaltet. Diese Orientierungsleitsätze sind den insgesamt sieben Teilen (im Teil III und VI nochmals untergliedert) und den jeweiligen Kapiteln vorangestellt. In der Hauptsache sollen sie der Orientierung des Nutzers dieses Handbuches dienen, was sie dadurch tun, dass sich schnell Bezüge zu einem Fall herstellen lassen, der zur Bearbeitung ansteht. Bei vertiefender Lektüre stößt man überall auf Antworten zu Fragen, die sich bereits gestellt haben mögen und die Unsicherheiten entstehen lassen können. Zum Beispiel ist die anteilige Kürzung des Unterkunftskostenbedarfs nicht dadurch gerechtfertigt, wird man im Kapitel zu „Unterkunft und Existenzsicherung“ aufgeklärt, wenn ein ‚Kunde‘ einen Bekannten lediglich vorübergehend „für die Dauer weniger Wochen“ aufnimmt, „um diesem zu ermöglichen, schnellstmöglich eine Arbeitsstelle und eine eigene Wohnung zu finden.“ (S. 579)

Aus dem Kapitel „Ausländer“ und da hinsichtlich der „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ ist zu erfahren, dass „der Verkauf von Obdachlosenzeitungen sowie das Sammeln von Pfandflaschen nicht als Aufenthaltsrecht und Alg II-Anspruch begründende Erwerbstätigkeit qualifiziert“ ist. (S. 721f) Solcherlei scheint auf den ersten Blick eher kurios, wirft aber ein Licht auf das, was im Alltagsgeschehen zum Gegenstand werden kann und worüber zu entscheiden ist. Häufiger dürfte der Fall eintreten, dass Sozialbehörden nicht befugt sind, „Leistungen mangels Aufenthaltsrechts zu verweigern, solange der Verlust des Freizügigkeitsrechts von der Ausländerbehörde nicht bestandskräftig festgestellt ist.“ (S. 723) PraktikerInnen der Sozialen Arbeit vor Ort oder in Behörden, werden leicht nachvollziehen können, dass „die zeitlich unbegrenzte Aufrechnung von Rückzahlungsansprüchen aus Darlehen im SGB II für eine längere Dauer verfassungsrechtlich bedenklich“ ist, „vor allem, wenn es sich um Leistungen handelt, die zum Bedarf gehören, jedoch nur als Darlehen erbracht werden, insbesondere bei Mietkautionen.“ (S. 1106; im Orig. fett)

Diese wenigen Beispiele sollen nicht mehr als ein Schlaglicht auf die Inhalte des Werkes werfen; es lohnt sich durchaus, sich damit auch jenseits des Tagesgeschäftes vertraut zu machen, um in eventuell kommenden Beratungs- oder Entscheidungssituationen gewappnet zu sein.

Fazit

Die Rechtslage im Bereich des Existenzsicherungsrechts ist nicht leicht zu durchschauen, seine sich über Jahre hinziehende Reform hat nicht unerheblich dazu beigetragen. Insofern ist dieses Handbuch – wie gesagt auch ein opulentes Nachschlagewerk – jedem zu empfehlen, der in Anwaltschaft oder einer Beratungsstelle tätig ist oder sich in einem anderen behördlichen Bereich mit solchen Rechtsfragen beschäftigen muss. Gerade der Nicht-Jurist wird vom Umfang und der Fülle der Informationen dank der übersichtlichen Gliederung nicht ‚abgeschreckt‘; die Herausgeber haben solche möglichen Irritationen durch die Konzeption des Werkes ganz bewusst vermieden, wozu nicht nur die Orientierungsleitfäden beitragen. Die Benutzerfreundlichkeit ist auch und zunächst durch die nicht überfrachtete, aber hinreichend untergliederte Inhaltsübersicht garantiert. Nimmt man das ausgesprochen ausführliche Stichwortverzeichnis hinzu, wird man dank der darin zu findenden mageren Zahlen, den Randnummern zu den jeweils in fetten Zahlen angegebenen Kapiteln, schnell und leicht seine Fragen beantwortet bekommen und so die Probe aufs Exempel machen können.

Rezension von
Arnold Schmieder
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Es gibt 126 Rezensionen von Arnold Schmieder.

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Zitiervorschlag
Arnold Schmieder. Rezension vom 07.02.2013 zu: Uwe Berlit: Existenzsicherungsrecht. SGB II - SGB XII - AsylbLG - Verfahrensrecht ; Handbuch. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2013. 2. Auflage. ISBN 978-3-8329-4709-5. Reihe: NomosPraxis. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/14627.php, Datum des Zugriffs 10.12.2023.


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