Klaus Sarimski, Manfred Hintermair et al. (Hrsg.): Familienorientierte Frühförderung von Kindern mit Behinderung
Rezensiert von Prof. Dr. Carsten Rensinghoff, 21.06.2013

Klaus Sarimski, Manfred Hintermair, Markus Lang (Hrsg.): Familienorientierte Frühförderung von Kindern mit Behinderung.
Ernst Reinhardt Verlag
(München) 2013.
170 Seiten.
ISBN 978-3-497-02354-7.
D: 24,90 EUR,
A: 25,60 EUR,
CH: 35,50 sFr.
Reihe: Beiträge zur Frühförderung interdisziplinär - 17.
Thema
Die Publikation fragt nach familienorientierten Prinzipien, die konsequent in die Praxis der Frühförderung übertragen werden können. Es werden Erfolgsbedingungen der Frühförderung in und mit der Familie dargestellt
Herausgeber
- Klaus Sarimski ist Professor für sonderpädagogische Frühförderung an der PH Heidelberg.
- Manfred Hintermair ist Professor für Psychologie und lehrt und forscht in der Fachrichtung Hörgeschädigtenpädagogik an der PH Heidelberg.
- Markus Lang forscht und lehrt als Professor für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik an der PH Heidelberg.
Entstehungshintergrund
Die Publikation basiert auf der FamFrüh-Studie. Hierbei handelt es sich um eine Studie, die die Familienbedürfnisse und familienorientierte Beratung in der Frühförderung behinderter Kinder in den Blick nimmt
Aufbau
- Familienorientierung im System der Frühförderung
- Die Situation von Familien mit behinderten Kindern im Kleinkindalter
- Planung und Koordinierung der Frühfördermaßnahmen
- Kooperation zwischen Eltern und Fachkräften
- Eltern mit mehrfachen Belastungen
- Zusammenarbeit mit Familien mit Migrationshintergrund
- Familienorientierte Frühförderung in der Praxis – ein Ausblick
Inhalt
Die ersten beiden Kapitel beinhalten gewissermaßen den theoretischen Background. Hier beziehen sich die Autoren dann auch an vielen Stellen auf die FamFrüh-Studie.
Kapitel 1 befasst sich mit den Aufgaben, Organisationsformen und der Finanzierung von Frühförderung. Frühförderung ist „ein komplexes System früher Hilfen von der Geburt bis zum Schuleintritt“ (S. 7). In einem zweiten Abschnitt widmen sich die Autoren dann der konzeptionellen Hilfegenese. Hier zeigte sich u. a. als problematisch, „dass viele Eltern angesichts ihrer alltäglichen Belastungen kaum in der Lage waren, zeitliche und persönliche Ressourcen für die Übernahme […] (einer – CR) Ko-Therapeuten-Aufgabe zu mobilisieren“ (S. 9).
Das zweite Kapitel beginnt mit der Bedeutung, die eine Behinderung für Familien haben kann. Auf eine Behinderung sind die werdenden Eltern ja gar nicht vorbereitet und sie verändert den Lebensalltag oft radikal. Es kommt zu Lebenskrisen, wie sie z. B. Fillip/Aymanns (2010; vgl. www.socialnet.de/rezensionen/8856.php) beschreiben. „Die Behinderung eines Kindes greift tief in das Leben der betroffenen Familien ein und wird zum zentralen Dreh- und Angelpunkt der eigenen zukünftigen Lebensplanungen. […] Dabei geht es vorwiegend darum, das eigene Leben und das der ganzen Familie unter veränderten Bedingungen positiv in die Zukunft hinein zu gestalten“ (S. 16). In der FamFrüh-Studie ging es diesbezüglich um:
- das elterliche Belastungserleben;
- die elterlichen Kompetenzen;
- die soziale Unterstützung der Eltern;
- die Kindprobleme und -kompetenzen;
- die Qualität der Frühförderung;
- die Zufriedenheit mit der Frühförderung.
Die Kapitel 3 bis 7 bieten „vielfältige praxisbezogene Hinweise“ (S. 46).
Bei der Planung und Koordinierung der Frühfördermaßnahmen geht es um:
- die Ressourcen und Bedürfnisse der Familien;
- die soziale Netzwerkkarte im Erstgespräch;
- den familiären Alltag;
- die Alltags- und Lebensweltorientierung in der Praxis;
- den Hausbesuch als Setting familienorientierter Förderung;
- die videogestützte Interaktionsberatung;
- den Umgang mit Verhaltensproblemen;
- die Koordinierung der Frühfördermaßnahmen.
Die Kooperation zwischen Eltern und Fachkräften befasst sich:
- mit der partnerschaftlichen Kommunikation mit den Eltern;
- mit der Einbeziehung der gesamten Familie;
- den Hindernissen für die Zusammenarbeit von Eltern und Fachkräften.
Eltern mit mehrfachen Belastungen sind:
- jugendliche Mütter;
- Eltern mit psychischen Erkrankungen;
- drogen- oder alkoholabhängige Eltern.
Bei der Zusammenarbeit mit Familien mit Migrationshintergrund befassen sich die Autoren mit:
- den Kindern mit Migrationshintergrund in Frühförderstellen;
- den Barrieren für die Inanspruchnahme von Hilfen und für die Zusammenarbeit;
- der Bedeutung kulturspezifischer Haltungen und Einstellungen gegenüber Behinderungen;
- den möglichen Fallstricken in der Arbeit mit Familien mit Migrationshintergrund;
- der Heterogenität von Familien mit Migrationshintergrund;
- der interkulturellen Kompetenz;
- der Verständigung mithilfe von Übersetzern;
- der Frage danach, ob Migration als soziale Benachteiligung oder familiäre Ressource zu betrachten ist.
Beim Ausblick der familienorientierten Frühförderung in der Praxis geht es:
- um die Entwicklungsperspektiven der Frühförderung;
- um die Schnittstellen von Frühförderung, Frühpädagogik und Frühen Hilfen;
- um Ressourcen und Ausbildung.
Diskussion
Hat die besprochen Publikation meine Erwartungen erfüllt? Ja, das hat sie! Das hat sie, weil die familienorientierte Frühförderung auf vielfältige Weise, vor allem in praxisbezogener Hinsicht, behandelt wird.
Ergänzend zum Frühförderungszeitraum, wie er von den Autoren umrissen wird – „von der Geburt bis zum Schuleintritt“ (S. 7) – erlaube ich mir diesen Zeitraum auf ein unbestimmtes Ende hin zu erweitern. Begründung: Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die im Lebenslauf, also auch nach Schuleintritt, eine Behinderung erwerben, bedürfen auch einer frühen Förderung, einer Frühförderung, die familienorientiert ausgerichtet ist und diesen neuen Lebensalltag gestaltet. Und hier kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Hilfe durch Peers, das Peer Support, sehr hilfreich und nützlich sein.
Fazit
Die Lektüre dieser Publikation ist allen zu empfehlen, die sich mit der familienorientierten Frühförderung beschäftigen. Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhalten einen Einblick in die FamFrüh-Studie. Eltern und Fachkräfte können sich über die Theorie hinaus noch mit Fallbeispielen, Tipps und Checklisten notwendige Informationen einholen.
Rezension von
Prof. Dr. Carsten Rensinghoff
Hochschullehrer für Heilpädagogik und Inklusive Pädagogik an der DIPLOMA Hochschule
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