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Yehuda Elkana, Hannes Klöpper: Die Universität im 21. Jahrhundert

Rezensiert von Svenja Rehse, 13.05.2013

Cover Yehuda Elkana, Hannes Klöpper: Die Universität im 21. Jahrhundert ISBN 978-3-89684-088-2

Yehuda Elkana, Hannes Klöpper: Die Universität im 21. Jahrhundert. Für eine neue Einheit von Lehre, Forschung und Gesellschaft. Edition Körber (Hamburg) 2012. 504 Seiten. ISBN 978-3-89684-088-2. 18,00 EUR.

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Thema

Die Universität auf dem Prüfstand: die Autoren geben einen umfassenden Überblick und bescheinigen der Institution Universität Trägheit bis hin zu gravierenden Reformstaus angesichts komplexer globaler Herausforderungen. Sie postulieren die Neupositionierung einer historischen Institution, die als Ort der Wissensgenerierung und Wissensvermittlung ihren aktuellen Auftrag international neu bestimmen und mit strukturellen wie didaktischen Reformen konkretisieren muss, aber im Begriff ist, an dieser radikalen Wende zu scheitern. Als zukunftsweisenden Gegenentwurf stellen sie ihr Modell einer Neuen Aufklärung als einen erfolgversprechenden Weg aus der strukturellen, finanziellen, didaktisch-pädagogischen Krise vor.

Am Beispiel des Bachelorstudiums wird die Vielfalt und Komplexität zu bewältigender Themen diskutiert und konkretisiert: Wie kann universitäre Lehr- und Lernkultur im Digitalen Zeitalter curricular aufbereitet werden um Studierende zu Verantwortung übernehmenden Bürgern der Zivilgesellschaft zu bilden? Dahinter steht die Frage wie sich eine Universität „des lokalen Universalismus“ zu einer Universität des „globalen Kontextualismus“ entwickeln und verändern kann um globale Herausforderungen zu meistern.

Autoren

Das Buch ist ein generationsübergreifendes Gemeinschaftsprojekt des 2012 verstorbenen Yehuda Elkana und Hannes Klöpper. Yehuda Elkana, Wissenschaftstheoretiker und Wissenschaftshistoriker schöpft aus seiner Erfahrung als Wissenschaftler: als Professor an der ETH Zürich, Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin, Gastwissenschaftler in Harvard, Stanford und Oxford und Manager verschiedener Bildungsinstitutionen sowie als Präsident und Rektor der Central European University in Budapest entwickelt er das ideengeschichtliche und philosophische Fundament der Neuen Aufklärung. Facettenreich aufgefächert dient es dem jüngeren, technikaffinen, interdisziplinär und international ausgebildeten Hannes Klöpper, Associate der Stiftung „Neue digitale Verantwortung“, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der iversity GmbH dazu, seine Einblicke in und Visionen über die Universität im Digitalen Zeitalter beizusteuern und diese mit der wissenschaftsphilosophischen Idee einer Neuen Aufklärung konkret und praxisrelevant zu verknüpfen.

Entstehungsgeschichte

Das Buch: “Die Universität im 21. Jahrhundert. Für eine neue Einheit von Lehre, Forschung und Gesellschaft.“ steht in der Tradition der 1996 gegründeten edition Körber Stiftung („Die Aufgabe von Stiftungen ist es, an der Gestaltung unserer gesellschaftlichen Zukunft mitzuwirken.“ Kurt A. Körber), die sich gemäß ihrer operativen Stiftungsarbeit in Sach- und Fachbüchern zu Politik, Gesellschaft, Bildung und Wissenschaft zu Themen der Zukunft unserer Gesellschaft äußert und Impulse geben will, sich für die Gesellschaft zu engagieren und in unserer Gesellschaft selbst aktiv zu werden.

Einflussfaktoren für die Entstehung

Universität steht als Institution der Erzeugung und Weitergabe von Wissen, als Ort von Wissenschaft, als Bildungseinrichtung zwischen Tradition und Innovation im Fokus verschiedener Interessen. Universität befindet sich in einer strukturellen, finanziellen, intellektuellen Krise. Universität braucht eine neue Ausrichtung und es bietet sich aktuell an, Reformen und Modelle beizubringen, die zu einer modernen zeitgemäßen Identität einer Universität beitragen helfen.

Inhalt

Die Autoren stellen die Institution Universität im Spiegel aktueller komplexer Aufgaben und Herausforderungen auf den Prüfstand. Sie diskutieren, inwiefern Universität auf globale Fragen der Gegenwart und Zukunft vorbereitet und Studierende zu Bürgern ausbildet, die in einer demokratischen Zivilgesellschaft Verantwortung übernehmen. Dazu gehen sie in zehn Kapiteln ihrer Mission nach und beleuchten differenziert nach Themenkomplexen und Blickwinkeln den aktuellen europäischen und vor allem amerikanischen Wissenschaftsbetrieb. Sie entlarven themen- und länderübergreifend strukturelle Blockaden und selbstverwaltete Begrenzungen der Institution Universität, der Forschung und der Lehre. Sie konzentrieren sich daraufhin auf die Darstellung unzeitgemäßer Lehr- und Lernformate an Hochschulen, treten diesem „verharrenden Denken und Methoden universitärer Lehr- und Lernkultur des 19. JH.“ wissenschaftsphilosophisch entgegen und postulieren eine geistesgeschichtliche Revolution der Neuen Aufklärung. In ihrem Modell: „vom lokalen Universalismus zum globalen Kontextualismus“ hat Universität als gesellschaftliche Instanz der Erzeugung und Weitergabe von Wissen eine tiefgreifende Reform der Curricula und der Pädagogik zur Aufgabe.

Am Beispiel des Bachelorstudiums deklinieren die Autoren die Einheit von Lehre, Forschung und Gesellschaft im Spiegel globaler Entwicklungen, zeigen differenziert die Reformstaus und fehlende übergeordnete Konzepte. Hier bieten sie konkrete Ansatzpunkte für die Entwicklung und Einsatz moderner Curricula, alternativer Lehrformen und ermutigen zu Entgrenzung, Öffnung und zur Schaffung dynamischerer Universitätsstrukturen. Sie zeichnen das ideale Bild einer Universität mit einer vernetzten, offenen, technikgestützten Forschungs- und Lehrkultur in einer globalen Welt. Konsequent stellen sie damit auch die Institution Universität im Spannungsfeld traditioneller Funktionen und innovativer Lernkulturen zur gesellschaftlichen Diskussion.

Diskussion

Essayistisch und leicht zu lesen verbinden die Autoren eine Standortbestimmung der Universität mit visionären Ideen der Neuen Aufklärung. Yehuda Elkana spielt mit seinen internationalen Kontakten, Netzwerken und Erfahrungen und gibt einen unterhaltsam geschriebenen Überblick und Einblicke hinter die Fassade einer akademischen Welt. Seine eigenen beruflichen Stationen des Lebens fließen mühelos ein und verbinden Lebenserfahrungen mit Wissenschaftskritik. Heraus kommt ein komplexes Werk voller Verwaltungs- Politik-, Wissenschafts- und vor allem Didaktikkritik, die letztlich einen grundlegenden Kulturwandel des Lernens anstoßen möchte.

Geschuldet sind Literaturhinweise als übersichtlicher Anhang zur Vertiefung und als weiterführende Lektüre, im Buch finden sich ausschließlich Fußnoten. Normativ und provokativ, amerikalastig, gespickt mit „Taten und Zitaten“ (mehr oder weniger) namhafter Persönlichkeiten aus dem internationalen Wissenschaftsbetrieb liest sich das Buch auch wie eine Abenteuergeschichte. Unterhaltsam und informativ zugleich lassen die Inhalte aufmerksam werden und Hochschulsystem, auch das eigene, kritischer anschauen. Ist es wirklich so schlecht bestellt?

Mit dem Fokus auf der Bachelorausbildung stehen Lehrinhalte und deren Vermittlung auf dem Prüfstand und erfahren konkrete Ideen für eine notwendige, grundlegende Curriculumreform im Zeitalter digitaler Medien: eine Fundgrube didaktischer Gestaltungsspielräume und technischer Möglichkeiten für moderne, mutige Macher.

Die Autoren skizzieren mit ihrer umfangreichen Publikation die komplexen Herausforderungen der aktuellen Situation in Amerika und Europa auf eine eingängige Weise. Die sich daraus ergebenden Veränderungsanforderungen an Hochschule und den konkreten Reformen- und Handlungsbedarf schärfen den Blick und zeigen Wege.

Fazit

Das Buch ist ein wertvoller und unterhaltsam geschriebener Beitrag zur Bildungsdiskussion im 21. Jahrhundert. Bisher fehlende Gesamtkonzepte zur Reform der Universitäten machen es den Autoren mit ihrer Vision der Neuen Aufklärung leicht, ihre Leser für ihre gleichermaßen kreativ-fantastischen wie demokratiepolitischen Ideen zu gewinnen und gemeinsam Ideen der Entgrenzung und Hinwendung von der forschenden Universität auf gelebtes Leben voranzubringen. Mit leichter Schreibe werden die aktuellen hochschulischen Themen essayistisch versammelt und vermittelt: Komplexität wird heruntergebrochen, einfach anmutende, global unbedingt notwendige Lösungen werden wirksam vorgetragen und überall gibt es überzeugende Auswege aus einer festgefahrenen didaktischen und pädagogischen Starre, die die Universität als Institution blockieren.

Das Bachelorstudium dient konkret als roter Faden und Aufhänger, wie die Hochschule Lehre, Forschung und Gesellschaft zusammenbringen kann und die weltweite Vernetzung und technische Möglichkeiten machen Lust, sich die Hochschule zumindest lesend als besten aller Lernorte vorzustellen, Inspiration inklusive. Positive Reformansätze europäischer Hochschulen gehen in dieser umfassenden Publikation etwas verloren, doch die überzeugende Argumentation der Autoren für die Innovationen und damit für das Ende einer nicht mehr zeitgemäßen Ära Universität machen das wett. Die Rückkehr in den Alltag – nicht nur einer Hochschule – fällt schwer.

Rezension von
Svenja Rehse
M.A., Dozentin Pädagogik (Fach-/Hochschulen) und Kunsttherapie
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Es gibt 17 Rezensionen von Svenja Rehse.

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ISSN 2190-9245