Matthias Moch, Thomas Meyer u.a. (Hrsg.): Berufseinstieg in die soziale Arbeit
Rezensiert von Dipl.-Päd. Iris Männle, 04.06.2013

Matthias Moch, Thomas Meyer, Oliver Bense (Hrsg.): Berufseinstieg in die soziale Arbeit. Klaus Münstermann Verlag (Ibbenbüren) 2013. 234 Seiten. ISBN 978-3-943084-07-8. 19,00 EUR.
Thema
Der Sammelband „Berufseinstieg in die Soziale Arbeit“ nimmt die Berufseinmündung von Studierenden der Sozialen Arbeit in den Blick. Die Zufriedenheit mit der Arbeitsstelle, Herausforderungen, Probleme, Weiterbildungsbereitschaft sowie die retrospektive Einschätzung des Studiums werden empirisch nachgezeichnet, theoretisch reflektiert und diskutiert.
Herausgeber
Die Herausgeber gehören der Fakultät Sozialwesen der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) an.
- Prof. Dr. rer. soc. Matthias Moch ist Studiengangsleiter der Studienrichtung Erziehungshilfen,
- Prof. Dr. phil. Thomas Meyer ist Studiengangsleiter der Studienrichtung Kinder- und Jugendarbeit und
- Dipl. Päd./Dipl.-Soz. Päd. (BA) Oliver Bense ist wissenschaftlicher Mitarbeiter.
Gemeinsam haben sie die Langzeitstudie („Panelstudie Berufsbiografie“) zum Berufseinstieg der AbsolventInnen ihres DHBW-Bachelorstudiengangs Soziale Arbeit durchgeführt.
Aufbau und Inhalt
Die Publikation ist in vier Teile gegliedert. Vorab findet sich ein kurzes Vorwort von Prof. Dr. Günter Rieger, dem Dekan der Fakultät Sozialwesen, der aufzeigt, dass bislang kaum Wissen zum beruflichen Verbleib von BachelorabsolventInnen vorhanden ist, dass derartige Forschungsprojekte kaum gefördert werden und dass Matthias Moch sich nicht nur mit Zeit und Expertise engagiert, sondern die finanzielle Förderung des vorliegenden Projekts durch den von ihm gewonnen Landeslehrpreis überhaupt erst ermöglicht hat. Es folgt anschließend ein einleitendes 1. Kapitel von Matthias Moch, in dem sich thematisch an Berufseinstieg, Professionalisierung und Qualifizierung, Handlungskompetenzen, Beschäftigungsbefähigung, Studiengängen Sozialer Arbeit, Berufsbiografischen Weichenstellungen und beruflicher Zufriedenheit angenähert wird sowie ein Ausblick auf den Band erfolgt. Anschießend folgen die vier Teile:
Teil I: Studium Soziale Arbeit: Voraussetzungen und Rahmenbedingungen des Berufseinstiegs. Thomas Meyer analysiert im Kapitel 2 „Soziales Profil und Studienmotive von Studierenden der Sozialen Arbeit – eine Skizze“ soziale Hintergründe von Studierenden, bspw. dass viele der Studierende mit ihrer Studienwahl familiäre Traditionslinien brechen. Christine Vetter diskutiert im 3. Kapitel „Akademisierung als Qualifizierung zum beruflichen Handeln. Das Beispiel Elementarpädagogik im Studiengang Soziale Arbeit“ die Konsequenzen einer zunehmenden Akademisierung, insbesondere wird hiermit das „Problem der Statusfrage und damit der beruflichen Identität“ (59) verbunden. Bianca Burde vergleicht in Kapitel 4 „Master als (zweiter) akademischer Abschluss – und dann? Eine Analyse von zwei Masterstudiengängen der Sozialen Arbeit“ die Masterstudiengänge „Governance und Soziale Arbeit“ (DHBW) sowie „Forschung und Entwicklung in der Erziehungswissenschaft“ (Universität Tübingen). Thematisiert werden unterschiedliche Kompetenzziele und Berufsperspektiven.
Teil II: Der Übergang vom Studium in die erste Berufstätigkeit. Oliver Bense gibt im Kapitel 5 „Panelstudie Berufsbiografie. Absolventinnen und Absolventen des Bachelorstudienganges ‚Soziale Arbeit‘ an der DHBW Stuttgart“ einen Einblick in Ziele und Anlage der Absolvierendenstudie, welche die Abschlussjahrgänge 2009, 2010 und 2011 befragt hat. Oliver Bense bilanziert im Kapitel 6 „Der Übergang vom Studium in die erste Berufstätigkeit“, dass sich der Berufseinstieg für die meisten DHBW-Absolvierenden überwiegend „unproblematisch“ (111) herausstelle, so treten bspw. 66% direkt im Anschluss an ihr Studium eine Arbeitsstelle an. Matthias Moch und Oliver Bense stellen im Kapitel 7 „Entwicklung der Berufspositionen von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern in den ersten zwei Berufsjahren“ heraus, dass die zügige und zufriedenstellende Berufseinmündung mit zunächst reduzierten Anfangsgehältern, Befristungen und Teilzeitarbeit einhergeht, hier scheinen „etliche Wünsche noch offen bleiben zu müssen“ (130).
Teil III: Berufstätigkeit nach dem Studium – Strukturelle und individuelle Merkmale. Matthias Moch thematisiert im Kapitel 8 „Kompetenzen in Berufsfeldern der Sozialen Arbeit – Studienabsolventinnen und -absolventen zwischen Leitlinien, Erwartungen und Selbstzuschreibungen“ den Kompetenzbegriff und Qualifikationsrahmen im Kontext neuer Studiengänge und beschreibt Differenzen nicht nur zwischen BerufseinsteigerInnen und ArbeitgeberInnen, sondern auch zwischen Hochschule und Praxis; bedeutsam sind insgesamt „soziale Grundfähigkeiten wie Empathievermögen, Reflektiertheit und Teamfähigkeit“ (146). Roland Berne, Michael Spielmann und Jürgen Strohmaier bilanzieren im Kapitel 9„Besser als der Ruf?! – Arbeiten in der Erziehungshilfe bei freien Trägern“, dass Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe überwiegend gerne in diesem Handlungsfeld arbeiten und sich hier eine Chance offenbare. Thomas Meyer und Franziska Traub stellen im Kapitel 10„Entwicklung und Einflussfaktoren der beruflichen Zufriedenheit von Absolventinnen und Absolventen des Studiums der Sozialen Arbeit. Quer- und längsschnittliche Betrachtungen“ heraus, dass in den ersten zwei Arbeitsjahren die Zufriedenheit auf befristeten Stellen sowie hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Familie und Privatleben merklich abnimmt.
Teil IV: Berufseinstieg: Berufliche und hochschulpolitische Perspektiven. Claudia Steckelberg analysiert im Kapitel 11 „Soziale Arbeit als Frauenberuf? Überlegungen zu Profession, Geschlecht, Studium und Berufswahl – eine historische Konstruktion von Geschlechtercharakteren und ihre Folgen“ den Studiengang Soziale Arbeit als Frauenberuf, womit eine Abwertung des Berufsfeldes und eine niedrige Entlohnung einhergeht. Ziel und Chance bestehe darin, „in der Sozialen Arbeit vorbildhaft Geschlechterverhältnisse mit einer emanzipatorischen Ausrichtung in Frage zu stellen und zu verändern und damit gleichzeitig an der Aufwertung der eigenen Profession zu arbeiten“ (196). Rainer Göckler skizziert im Kapitel 12 „Arbeitsmarkt und Soziale Arbeit: Rückblick – Gegenwart – Ausblick“ die Arbeitsmarktsituation seit 1945 und spricht den beruflichen Feldern Sozialer Arbeit gute Entwicklungschancen zu, die jedoch immer abhängig von öffentlicher Finanzierung sind. Im Kapitel 13 „Hochschuldidaktische und berufspolitische Perspektiven und Herausforderungen“ ziehen die Herausgeber Matthias Moch, Thomas Meyer und Oliver Bense ein Resümee des Sammelbandes, in welchem sie die vorangegangenen Inhalte verdichten und konkrete Anregungen, Probleme und Empfehlungen formulieren. Abschließend finden sich eine Vorstellung der AutorInnen sowie ein Abbildungsverzeichnis.
Diskussion
Erfreulicherweise werden im Sammelband „Berufseinstieg in die Soziale Arbeit“ komplexe und differenzierte Antworten zur Frage präsentiert, „was, warum aus Bachelorabsolventinnen und -absolventen wird“ (7). Hierzu lagen bislang tatsächlich kaum nennenswerte Studien vor. Gleichzeitig hat die Stuttgarter „Panelstudie Berufsbiografie“ jedoch mehr zu bieten als eine „bloße“ Absolvierendenstudie, da nicht nur „blanke Zahlen“ präsentiert werden, welche Absolvierenden in welchem Handlungsfeld in welchem Zeitraum zu welchen Vertragskonditionen eine Arbeitsstelle erhalten haben. Darüber hinaus werden systematisch die Rahmenbedingungen des Studiums vor dem Hintergrund des Bolognaprozesses diskutiert, mit dem bspw. eine Kompetenzorientierung der Curricula einhergeht. Ebenso werden biografische Aspekte wie die Herkunftsmilieus der Studierenden und gesellschaftliche Strukturen – Stichwort Soziale Arbeit als Frauenarbeit – beleuchtet, strukturelle Merkmale und Entwicklungen von Profession und Arbeitsmarkt mit berücksichtigt und diskutiert.
Besonders positiv ist hervorzuheben, dass die Herausgeber im Abschlusskapitel die zentralen Aussagen zusammenfassen, Schlussfolgerungen für die berufliche Sozialisation der Studierenden ziehen und Empfehlungen diskutieren. Hier lassen sich konkrete Impulse finden zur Konzeptionierung und Gestaltung von Hochschule und Lehre, zur Qualifizierung von Studierenden durch Praxiseinrichtungen oder zu Weiterbildungsmöglichkeiten für BerufsanfängerInnen. Gleichzeitig resümieren die Herausgeber, „im Hinblick auf die Umsetzung der Bologna-Reform muss nicht nur gefragt werden, wie sich Hochschulen und Studierende auf die neuen Anforderungen („Employability“) einstellen, sondern wie sich auch das Berufsfeld auf die Absolventinnen und Absolventen einstellt, die nach dem neuen Studienkonzept studiert haben. So gesehen bleibt das Credo des lebenslangen Lernens nicht nur auf Individuen bezogen“ (223f.). Diese Anregungen sind nicht nur etwa für die Duale Hochschule, welche sich aus Berufsakademien entwickelt hat, relevant. Für Fachhochschulen und Universitäten, die Studiengänge der Sozialen Arbeit, Sozialpädagogik oder Erziehungswissenschaft anbieten, stellen sich – trotz aller teils vehement markierten Differenzen – die gleichen Fragen und Diskussionen: wie und unter welchen Bedingungen es ihren AbsolventInnen gelingt, sich nach dem Studium in Feldern der Erziehung und Bildung zu etablieren. Gemeinsam ist den AbsolventInnen auch unterschiedlicher sozialer oder erziehungswissenschaftlicher Studiengänge, dass sie sich mit dem Theorie-Praxis-Problemen befassen müssen, auf dieselben gesellschaftlichen und sozialen Problemstellungen treffen sowie sich auf einem zunehmend akademisierten Arbeitsmarkt bewegen.
Schade ist, dass der empirische Ansatz der Panelstudie vor allem deskriptiv präsentiert wird. Welche Diskussionen die Herausgeber bspw. zum Forschungsdesign geführt haben, ob sie hierzu ebenfalls Empfehlungen geben würden oder inwiefern sich für vertiefende Studien eine Verbindung von quantitativen und qualitativen Methoden anbieten würde, wäre interessant gewesen. Auch erhält man im Vorwort Eindruck, dass die Panelstudie bereits 2006 begonnen habe, jedoch im Kapitel 5 wird deutlich, dass mit der Kohorte des Abschlussjahrgangs 2009 die ersten Erhebungen stattgefunden haben (vgl. S. 94).
Fazit
Der Sammelband „Berufseinstieg in die Soziale Arbeit“ bietet mit seiner Präsentation der „Panelstudie Berufsbiografie“ eine sehr gelungene Zusammenfassung komplexer und enorm reflektierter Ergebnisse zum Berufseinstieg in die Soziale Arbeit. Besonders durch das abschließende und zusammenfassende Kapitel der Herausgeber liefert der Sammelband für Studierende und AbsolventInnen der Sozialen Arbeit sowie anderer erziehungswissenschaftlicher Studiengänge, für ArbeitgeberInnen und Institutionen des Sozial- und Erziehungswesens sowie für Lehrende an Hochschulen wertvolle Anregungen.
Dennoch lassen sich keine „einfachen“ bildungspolitischen Rezepte ableiten, hierfür ist die Thematik zu komplex und benötigt eine Konkretisierungsarbeit in den jeweiligen Studien- und Berufskontexten. Auch dürfte der Zugang für ‚fachfremde‘ LeserInnen, die weder in hochschulische Debatten zu Bologna und Curriculumsgestaltung, Diskussionen um Soziale Arbeit oder in die Biografieforschung involviert sind, möglicherweise schwierig sein.
Rezension von
Dipl.-Päd. Iris Männle
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Zitiervorschlag
Iris Männle. Rezension vom 04.06.2013 zu:
Matthias Moch, Thomas Meyer, Oliver Bense (Hrsg.): Berufseinstieg in die soziale Arbeit. Klaus Münstermann Verlag
(Ibbenbüren) 2013.
ISBN 978-3-943084-07-8.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/14720.php, Datum des Zugriffs 28.05.2023.
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