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Susanne Boemke: Arbeitsvertragsgestaltung im Krankenhaus und [...]

Rezensiert von Prof. Dr. Ines Dernedde, 09.10.2013

Cover Susanne Boemke: Arbeitsvertragsgestaltung im Krankenhaus und [...] ISBN 978-3-942734-38-7

Susanne Boemke: Arbeitsvertragsgestaltung im Krankenhaus und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens. Deutsche Krankenhaus Verlagsgesellschaft mbH (Düsseldorf) 2013. 244 Seiten. ISBN 978-3-942734-38-7. 45,80 EUR.
Die Krankenhausbehandlung • Band 4.

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Thema

Die Autorin will Arbeitgebern und Arbeitnehmern Hilfen für den Abschluss eines Arbeitsvertrages im Krankenhaus geben. Für eine bestmögliche Vertragsgestaltung werden wesentliche Bausteine des Arbeitsvertrags besprochen und Musterformulierungen angeboten. Die Erläuterungen sollen in der Praxis helfen, für jeden Mitarbeiter die passende Regelung zu finden.

Autorin

Susanne Boemke ist Rechtsanwältin und Partnerin der Rechtsanwaltskanzlei Boemke und Partner. Sie hat sich auf die Vertretung von Leistungserbringern im Gesundheitswesen spezialisiert.

Entstehungshintergrund

Die Autorin ist der Ansicht, dass viele Arbeitsrechtsstreitigkeiten vermieden werden könnten, wenn die Vertragsparteien den Arbeitsvertrag zuvor klar formuliert hätten. Das Buch soll eine praktische Handlungsanleitung geben, mit der Fehler bei der Arbeitsvertragsgestaltung vermieden werden können. Insbesondere sollten Musterverträge von Verbänden und Institutionen nicht ungeprüft und ohne Individualisierung angewendet werden. Zudem muss der Arbeitgeber die Vielzahl der unterschiedlichen Tarifverträge kennen um den Arbeitsvertrag entsprechend gestalten. Der Band „Arbeitsvertragsgestaltung“ ist Band 4 einer von Robbers und Wagener herausgegeben Reihe, die zusammengenommen einen Praxiskommentar zur Vertragsgestaltung der Krankenhausbehandlung ergeben soll.

Aufbau

Das Buch gliedert sich in sieben Teile.

Die ersten Teile stellen eine Einführung in das Arbeitsrecht dar. Die Schwerpunkte liegen dabei auf der AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen und Befristungsabreden. Die AGB-Kontrolle ist von besonderer Bedeutung, da viele Arbeitgeber vorformulierte Arbeitsverträge benutzen, die diesen Regelungen entsprechen müssen. Andernfalls können wesentliche Klauseln des Arbeitsvertrages unwirksam sein. Bei der Darstellung der Befristung von Arbeitsverträgen wird auch auf das „Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung“ eingegangen.

In Teil VI – dem mit Abstand längsten Kapitel – werden dann typische Vertragsklauseln dargestellt, die unterschiedliche Bereiche des Arbeitsrechts abdecken, z.B.: Art und Ort der Tätigkeit, Dauer, Probezeit, Arbeitszeit, Überstunden, Vergütung, Entgeltflexibilisierung, Urlaub, Krankheit, Unfall, Arbeitsbefreiung, Versetzung, Nebentätigkeiten, Verschwiegenheit, zusätzliche Altersversorgung, Datenschutz, Wettbewerbsverbote und Ausschlussfristen.

Ausgewählte Inhalte

Dem Charakter des Werkes als Teil einer Kommentarreihe entsprechend kann der Inhalt nicht sinnvoll in wenigen Zeilen zusammengefasst werden. Daher sollen für die Besprechung aus Kapitel VI exemplarisch die Bezugnahme auf Tarifverträge und das Arbeitszeitrecht im Krankenhaus herausgegriffen werden.

Zu den Tarifverträgen bemerkt die Verfasserin zunächst, dass sie nur für tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer ihre gesetzesgleiche, normative Wirkung entfalten. Das sind Arbeitgeber, die dem jeweiligen Arbeitgeberverband angehören und Arbeitnehmer der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft. Für andere Arbeitnehmer gilt der Tarifvertrag grundsätzlich nicht. Sie können aber in ihren Rechten und Pflichten mit den Gewerkschaftsmitgliedern gleichgestellt werden. Dafür ist eine Klausel im Arbeitsvertrag notwendig, die auf die tarifvertraglichen Regelungen verweist. Boemke gibt zu bedenken, dass bei der Ausgestaltung der Bezugnahme auf Tarifverträge sehr komplexe Rechtsfragen aufgeworfen werden:

  • Welcher Tarifvertrag kann und sollte in Bezug genommen werden?
  • Wie wird mit Überschneidungen der Anwendung des Tarifvertrags durch Tarifbindung einerseits und Inbezugnahme andererseits umgegangen?
  • Inwieweit sollen alle Arbeitnehmer, unabhängig von der Frage der Gewerkschaftszugehörigkeit, gleichgestellt werden?
  • Wie wird eine Tarifpluralität akzeptiert und praktiziert?
  • Wie weit will sich der Arbeitgeber an eine Dynamik des Tarifvertrags binden?
  • Ist die Regelung zukünftiger Entwicklungen gewollt und möglich?

Im folgenden Text werden Hilfen für die Beantwortung dieser Fragen angeboten. So legt die Verfasserin dar, dass sich die Wirkungen der Bezugnahme darin unterscheidet, ob sie eine deklaratorische oder konstitutive Wirkung hat. Deklaratorisch ist sie, soweit beide Parteien tarifgebunden sind. Die Klausel wird aber wirksam, sobald ein Vertragspartner aus der Tarifbindung ausscheidet, also aus dem Verband oder der Gewerkschaft austritt. Eine konstitutive Bezugnahme liegt vor, wenn ohne die Klausel im Arbeitsvertrag kein Tarifvertrag zur Anwendung gelangen würde. Diese Klausel kann jederzeit durch Arbeitsvertrag geändert werden. Damit unterscheidet sie sich von der Geltung des Tarifvertrags. Auch der Umfang der Bezugnahme kann unterschiedlich ausgestaltet werden. Boemke erläutert die Globalverweisung, Teilverweisung und Einzelverweisung. Bei einer Globalverweisung, der Verweisung auf einen gesamten Tarifvertrag, unterliegt dieser nicht den Regelungen der Inhaltskontrolle nach den AGB-Regelungen der §§ 305 ff. BGB. Dies ist bei der Teilverweisung noch strittig, bei der Einzelverweisung, dem Verweis auf eine einzelne Klausel, findet dagegen die Inhaltskontrolle volle Anwendung. Weiter wird zwischen statischer Bezugnahme auf einen bestimmten Tarifvertrag in einer bestimmten Fassung und der dynamischen Klausel unterschieden, die auf die Fassung des jeweils gültigen Tarifvertrags verweist. Dynamische Klauseln passen sich somit der Tarifentwicklung an.

Zu den weiteren Erläuterungen der Bezugnahme finden sich in dem Buch grau unterlegte Kästchen. In diesen Kästchen hat die Verfasserin Formulierungsbeispiele aufgeführt. Auch kleinere Fallbeispiele sind vereinzelt eingestreut. Boemke geht dagegen nicht näher auf die aktuellen Tarifverträge ein, obwohl sie deren Bedeutung deutlich herausstreicht. Fundstellen und Hinweise zu deren Aufbau und Inhalt wären hilfreich gewesen.

Im Gesundheitswesen sind Regelungen über Arbeitszeit, Überstunden, Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft von besonderer Bedeutung. Diesem Themenkomplex werden 12 Seiten gewidmet. Während Zeiten der Inanspruchnahme in Rufbereitschaft zur Arbeitszeit zählen, gehören Zeiten der Rufbereitschaft, in der der Arbeitnehmer nicht in Anspruch genommen wird, nicht dazu. Die Arbeitszeit darf nicht über die im Arbeitszeitgesetz festgelegten Höchstarbeitszeiten hinausgehen. Trotzdem muss mit dem vorhandenen Personal die Anwesenheit von Fachpersonal auf der Station / in der Klinik sichergestellt und eine optimale Betreuung der Patienten gewährleistet sein. Mehrere wichtige Streitfragen wurden in den letzten Jahren vom Europäischen Gerichtshof geregelt. So müssen Ruhezeiten unmittelbar an die Arbeitszeit anschließen und der Arbeitnehmer darf während der Ruhezeit gegenüber seinem Arbeitgeber keiner Verpflichtung unterliegen. Arbeitsbereitschaft zählt zur Arbeitszeit. Die Abgrenzung zum Bereitschaftsdienst ist oftmals schwierig. Bei der Arbeitsbereitschaft muss der Arbeitnehmer sich zur Arbeit Bereithalten, um gegebenenfalls von sich aus die Arbeitstätigkeit aufzunehmen. Bereitschaftsdienst ist die Zeitspanne, während derer der Arbeitnehmer, ohne dass er unmittelbar am Arbeitsplatz anwesend sein müsste, sich für Zwecke des Betriebs an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufzuhalten hat, damit er erforderlichenfalls seine volle Arbeitstätigkeit sofort oder zeitnah aufnehmen kann. Anders als bei der Arbeitsbereitschaft muss sich der Arbeitnehmer also nicht am Arbeitsplatz aufhalten, der Arbeitseinsatz wird durch Information oder Aufforderung von dritter Stelle ausgelöst. Boemke erwähnt in diesem Zusammenhang ein Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 4.11.2011. Ein Rettungssanitäter hatte geklagt, da er der Meinung war, eine Zeitspanne von 90 Sekunden, in der er die Arbeit aufnehmen müsste, wäre zu kurz, um sich wirklich ausruhen zu können. Daher wäre diese Arbeitszeit Arbeitsbereitschaft, welche wie Vollarbeitszeit zu behandeln ist. Das LAG Berlin-Brandenburg stufte diese Zeiten aber als Bereitschaftsdienst ein.

Nach der Simap-Entscheidung des EuGH vom 03.10.2000 ist Bereitschaftsdienst zwischenzeitlich arbeitsschutzrechtlich als Arbeitszeit gewertet, wird aber nicht wie Vollarbeitszeit vergütet. Ärzten wird für diese Zeit meist ein Zimmer im Krankenhaus zur Verfügung gestellt, in dem sie ihre Zeit dort frei gestalten können.

Rufbereitschaft liegt vor, wenn der Arbeitnehmer zu Hause oder an einer frei gewählten Stelle verpflichtet ist, sich bereitzuhalten, damit er die Arbeit, falls erforderlich, alsbald aufnehmen kann. Der Unterschied zum Bereitschaftsdienst liegt darin, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten.

Eine weitere Besonderheit im Gesundheitswesen ist die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit gerade im ärztlichen Bereich auf Grundlage des § 7 ArbZG. Demnach können Tarifverträge von den gesetzlich zulässigen Höchstgrenzen der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit abweichen. Zuvor muss jedoch von jedem einzelnen Arbeitnehmer eine Einverständniserklärung zur Teilnahme am opt-out eingeholt werden. Auch hier fehlt nach meiner Meinung der konkrete Bezug auf aktuelle Tarifverträge, hätten Beispiele oder Verweise auf einzelne Tarifverträge die Ausführungen der Autorin positiv abgerundet.

Ergänzt wird der Text durch Formulierungsvorschläge für Klauseln in Arbeitsverträgen, nach denen z.B. die Einwilligung gem. § 7 Abs. 7 ArbZG zur Verlängerung der Arbeitszeit eingeholt wird, Schichtarbeit oder sonstige Dienste, Überstunden und Mehrarbeit geleistet werden.

Fazit

Der Aufbau des Buches entspricht weitgehend dem Aufbau eines Lehrbuchs zum Arbeitsrecht. Jedoch werden immer wieder Besonderheiten des Arbeitsrechts in Krankenhäusern dargestellt. Trotzdem ersetzt die „Arbeitsvertragsgestaltung“ von Boemke kein Formularhandbuch. Es ist aber empfehlenswert für Arbeitgeber ohne vertiefte arbeitsrechtliche Kenntnis, um Arbeitsverträge besser beurteilen zu können. Das Buch führt in die Komplexität dieses Rechtsgebiets ein und sollte Arbeitgeber vorsichtig machen. Es bietet das unverzichtbares Grundwissen, um konstruktiv mit Juristen über genauere Formulierungen in Arbeitsverträgen diskutieren zu können.

Rezension von
Prof. Dr. Ines Dernedde
Alice-Salomon-Hochschule
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Es gibt 32 Rezensionen von Ines Dernedde.

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ISSN 2190-9245