Stefan Werner: Trainingshandbuch Konfliktmanagement
Rezensiert von Dipl. Päd. Martin Zauner, 15.08.2013
Stefan Werner: Trainingshandbuch Konfliktmanagement. Konflikte in Schule und sozialer Arbeit angemessen lösen.
Beltz Juventa
(Weinheim und Basel) 2013.
180 Seiten.
ISBN 978-3-7799-2145-5.
D: 14,95 EUR,
A: 15,40 EUR,
CH: 21,90 sFr.
Reihe: Pädagogisches Training.
Seit Erstellung der Rezension ist eine neuere Auflage mit der ISBN 978-3-7799-3205-5 erschienen, auf die sich unsere Bestellmöglichkeiten beziehen.
Thema
Natürlich gibt es sie, die Konflikte an Schulen und in Einrichtungen der Jugendhilfe, und es hat sie immer gegeben. Sich dem Thema möglichst progressiv und kompetent, nicht mehr nur reaktiv stellen zu wollen, ist aber, in der Breite, noch relativ jung. Sinnvoll ist´s sicher.
Das hier zu besprechende Buch richtet sich an die Profis vor Ort, an Lehrerinnen und Lehrer, Sozialpädagoginnen und -pädagogen, Erzieherinnen und Erzieher, und es möchte nichts weniger, als diese für eben solche eher harmloseren oder auch hocheskalierten physischen wie psychischen Konflikte kompetent aufstellen. Das ist, wie unschwer zu vermuten, ein richtig hoher Anspruch des Buches an sich selbst. Mal sehen, wie´s gelingt.
Autor
Der Autor Stefan Werner ist Diplom-Sozialpädagoge (FH), Ausbilder für AAT®/CT®. Neben seiner einschlägigen freiberuflichen Tätigkeit leitet er u.a. den Weiterbildungsstudiengang „Gewaltprävention und kreatives Konfliktlösen in der sozialpädagogischen Jugendarbeit/Jugendhilfe“ an der Hochschule Erfurt.
Entstehungshintergrund
Die situative Ausgangslage ist so klar wie unangenehm: Zwei, drei oder auch vier Kinder oder Jugendliche haben so richtig Stress miteinander und Sie selbst sind mal wieder zur falschen Zeit am falschen Ort und sollten jetzt richtig reagieren. Natürlich möchten Sie das als verantwortlicher Profi auch tun, aber wie?!?
Viele Fachkräfte in Schule und Jugendhilfe stoßen in Konfliktsituation regelmäßig an ihre Grenzen, im Grunde wenig überraschend. Konfliktsituationen sind immer unangenehm, meist verunsichernd, nicht selten beängstigend. Und deshalb gibt es das vorliegende Buch. Es möchte Sie auf oben genannte Situationen vorbereiten, damit Sie nicht ins Messer der „unprofessionellen“, wahrscheinlich dann sogar eskalierend wirkenden Intervention laufen. Am Ende sind Sie selbst, schneller als gesehen, das neue Feindbild. Dabei wollten Sie doch nur … .
Aufbau und Strategie
Was müssten Sie jetzt also wissen und gegebenenfalls auch können, damit Ihnen gerade das nicht passiert. Stefan Werner hat für sich diese Frage so beantwortet:
- Eskalation und Deeskalation sind sehr häufig Reaktionen auf kommunikative Reize – es ist also sinnvoll, Wirkungen und Bedeutungen von Kommunikation in Konflikten zu kennen.
- Ferner kann es nicht schaden, generell über Funktionen und Dynamiken von Konflikten informiert zu sein, da dieses Wissen einen einerseits schützt und andererseits fachlich aufstellt.
- Und vor allem muss man in der akuten Situation konstruktiv handeln bzw. reagieren können. Dazu braucht es Interventionstechniken.
- Da dies(e) wiederum zwar intervenieren, aber nicht immer lösen, bietet sich im Nachhinein eine kommunikative Klärung der Situation an. Auch hierfür benötigen Sie die Kompetenz.
- Und letztendlich ist es zweifelsfrei sinnvoll, Kinder und Jugendliche selbst mit Konfliktkompetenz auszustatten – hier sollen Sie „Trainer“ sein (können).
Sieht man von „Einleitung“ und „Ausblick“ einmal ab, gliedert sich das Buch in acht Kapitel, die sich thematisch wie inhaltlich an oben angeführter Strategie orientieren und hier natürlich nur stark verkürzt beschrieben werden können.
Inhalt
Kapitel 1 stellt zunächst vier Kommunikationsmodelle vor, die sich zur (Er-)Klärung und Diagnose von Konfliktverläufen bewährt haben: Das Kommunikationsquadrat und den (eskalierenden) Circulus Vitiosus von Schulz von Thun, das „Modell zur Handlungsentscheidung“ von Kaufmann und, wie sollten sie auch fehlen, die Axiome von Watzlawick.
In Kapitel 2 geht es im Anschluss zentral um Konfliktverständnis und am Rande um Konfliktbewältigung. Hier finden sich diverse Wirkfaktoren und deren Potentiale für die Konfliktarbeit. Es wird des Weiteren das Feld zwischen wertschätzender Akzeptanz und bedarfsorientierter Konfrontation in der (situativen) Pädagogenhaltung aufgespannt, der Konfliktverlauf systematisiert und es werden verschiedene Konfliktformen in der nötigen Kürze differenziert. Abschließend, aber sicher zentral, wird der Urgrund jeden Konflikts ins Visier genommen: das unbefriedigte Bedürfnis.
Im Fokus von Kapitel 3 steht das jeweilige Konfliktverhalten, das gerne eingeschliffenen und wiederkehrenden „Ritualen“ folgt. Daher lohnt ein Blick darauf, kann man doch aus der Konfliktvergangenheit für die Konfliktzukunft folgern, lernen und sich strategisch aufstellen. Das in diesem Zusammenhang vorgestellte „Konfliktpräventionsmodell“ ist ein Instrument dafür. Es dient einer differenzierten und strukturierenden Betrachtung von einzelfallspezifischen Interventionsoptionen in Abhängigkeit eben dieser „Rituale“.
Kapitel 4 bietet diverse Interventionstechniken, anlass- und einsatzbedingt systematisiert. Die hierfür grundgelegten Konfliktsituationen sind mittelmäßig eskaliert, die Methoden mit einer Ausnahme kommunikativ. Daneben wird, und das scheint wichtig, die Frage nach der Berechtigung und insbesondere auch der Verpflichtung zur Intervention gestellt, also wenn man mal wieder zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Ohne wesentliche Kommentierungen vorwegnehmen zu wollen soll hier doch auf die eminente Bedeutung dieser Fragestellung verwiesen werden. Wie oft verspürt man in einschlägigen Situationen die berühmten zwei, drei oder noch mehr Herzen, die Ambivalenzen zwischen „muss ich“, „kann ich“ oder „sollte ich sogar besser nicht“ und: „Will ich überhaupt und fühle ich mich gewachsen?“. Hier eine Antwort zu kennen gibt Verhaltenssicherheit, etwas zumindest.
Kapitel 5 setzt dort an, wo die Interventionen aus Kapitel 4 an ihre Grenzen stoßen. Hier geht´s richtig zur Sache. Die Konfliktsituationen sind hochemotional, hocheskaliert und explosiv wie ein Pulverfass. Im Grunde geht es jetzt um Schadensbekämpfung, Selbst- und Fremdschutz und um die Deeskalation auf ein wieder verhandlungs- bzw. lösungsfähiges Konfliktniveau. Neben kommunikativen findet sich hier insbesondere eine Reihe von physischen Interventionstechniken.
Kapitel 6 ist jetzt im Grunde folgerichtig wenn nicht zwingend. Was eben in Kapitel 5 unterbrochen, ausgesetzt und vielleicht unterdrückt wurde kann natürlich nicht so stehen gelassen werden. Das Pulverfass gibt es ja noch und wartet gegebenenfalls auf den einen Funken. Die Konflikte müssen aufgearbeitet werden. Dabei wollen die hier vorgestellten Gesprächsstrategien nebst Leitfäden unterstützen. Eine kurze Erwähnung, aber mehr auch nicht, finden daneben Mediation und Konfliktcoaching.
Kapitel 7 wirft Sie auf sich selbst zurück, damit Sie sich nicht selbst im Weg stehen bei der Anwendung des bislang Gelernten. Es bringt ja nichts, wenn Sie zwar im Grunde vielleicht die Fähigkeit zur konstruktiven Intervention hätten, nicht aber die Kompetenz dazu, diese Fähigkeit situativ-adäquat einzusetzen.
Kapitel 8 wendet sich jetzt, wenn man so will, an die von Ihnen betreuten Kinder und Jugendlichen und deren Konfliktkompetenz. Wie kann man diese in der täglichen pädagogischen Arbeit sensibilisieren, schulen und trainieren, damit sie künftig vielleicht souveräner in Konfliktsituationen reagieren, hin und wieder zumindest. Auf der Grundlage des oben schon genannten „Modells der Entscheidungsfindung“ von Kaufmann formuliert das Buch sechs Lernziele, zu deren jeweiliger Anbahnung mehr oder weniger aktivierende Übungen vorgestellt werden. Ein bewährtes „Gesamtkonzept“ zur didaktisch-methodischen Einbettung in den pädagogischen Alltag rundet das Ganze ab.
Diskussion
Nur kurz, um Missverständnisse oder Fehlerwartungen auszuräumen: Wenn es im Untertitel heißt: „Konflikte in Schule und Sozialer Arbeit angemessen lösen“, dann meint dieses „Soziale Arbeit“ hier die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.
Was darf man von einem „Trainingshandbuch Konfliktmanagement“ erwarten? Ein Handbuch ist ein Nachschlagewerk mit umfassender Ausrichtung. Es möchte ein Thema praxisnah durchdringen, was mancherorts auf Kosten der Detailtiefe gehen muss. Das vorliegende Handbuch richtet sich an Lehrer und Lehrerinnen und andere pädagogische Professionen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, und zwar in Settings mit Konfliktpotential. Das ist im Grunde fast überall. Der selbstgestellte Auftrag ist, genannte Zielpersonen auf den Umgang mit mehr oder weniger alltäglichen wie eskalierten Konflikt- und Gewaltsituationen vorzubereiten, (primär-)präventiv wie intervenierend. Es darf also auch explosiv sein.
Um es kurz zu machen: Diesem Anspruch wird das Buch gerecht, so gerecht eben, wie es ein Buch kann. Es wird die Übung, die Erfahrung nicht ersetzen können, aber es stellt breit und gut auf.
Sie finden vergleichsweise kurz und prägnant theoretisches Hintergrundwissen, zu dessen Vertiefung sich das Werk aber wohl bewusst nicht eignen mag. Es geht hier um anderes. Im Fokus steht der pädagogische Alltag, die Praxis, und alles, also wirklich der gesamte Inhalt, orientiert sich daran, hält ständig Kontakt. Stefan Werner hat offensichtlich große Felderfahrung und er möchte diese weitergeben. Das tut er sehr anschaulich. Viele Praxisbeispiele flankieren Erklärungs- und Handlungsmodelle, die auf diese Weise nachvollziehbar und mit Leben gefüllt werden. So gelingt ein wohltuender Ausgleich zwischen Situation und Reflexion.
Stefan Werners Strategie ist dabei, die (eigene) Erfahrung zur Analyse heranzuziehen, um sich für künftige Herausforderungen strategisch zu rüsten. Das Buch stellt Sie kommunikativ auf, scheut aber auch vor körperlichen Interventionen nicht zurück, wenn solche denn sein müssen. Dabei und trotzdem orientiert sich der Autor an einem sehr wertschätzenden, humanistischen Jugendbild.
Viele Übungen, wo sinnvoll mit erklärenden Abbildungen versehen, geben erprobtes Handwerkszeug mit auf den Weg. Allerdings muss noch einmal betont sein (das tut das Buch übrigens auch), dass doch einiges davon mental vorbereitet und gut geübt sein will – sonst geht´s nicht gut! Lesen macht nun mal den Meister nicht. Sprachlich ist das Buch angenehm verfasst und umfassend verständlich.
Fazit
Sie arbeiten mit Kindern und Jugendlichen? Sie kennen Aggressions- und Gewaltsituationen? Sie wissen, wie es sich anfühlt, wenn Sie mal wieder zur falschen Zeit am falschen Ort sind und jetzt irgendwie irgendwas Sinnvolles tun sollten aber nicht wirklich wissen was und wie? Sie haben auch schon erlebt, dass man so richtig „menschelnd“ reagiert und sich danach über sich ärgert? Wenn es so ist, kann die Lektüre des besprochenen Buches nicht schaden, eher im Gegenteil. Je nachdem, was Sie an Fähigkeiten und Kenntnissen schon mitbringen, werden Sie auch mehr oder weniger Bekanntem begegnen, macht aber nichts. Dann lesen Sie´s einfach mal wieder nach, oder Sie überspringen das Kapitel: es handelt sich um ein Handbuch, ein lesenswertes.
Rezension von
Dipl. Päd. Martin Zauner
Dipl.Päd.(univ), Dipl.Sozialpäd.(FH), Mediator (BM), AkadOR an der Fakultät Angewandte Sozial- und Gesundheitswissenschaften an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (Lehrgebiete: Gruppenarbeit, Teamführung /-entwicklung, Mediation, Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit, Schulsozialarbeit)
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Zitiervorschlag
Martin Zauner. Rezension vom 15.08.2013 zu:
Stefan Werner: Trainingshandbuch Konfliktmanagement. Konflikte in Schule und sozialer Arbeit angemessen lösen. Beltz Juventa
(Weinheim und Basel) 2013.
ISBN 978-3-7799-2145-5.
Reihe: Pädagogisches Training.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/14847.php, Datum des Zugriffs 05.10.2024.
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