Peter Rosenkranz: 99 Tipps. Anti-Mobbing
Rezensiert von Dipl. Sozialpädagogin Monika Hirsch-Sprätz, 30.08.2013
Peter Rosenkranz: 99 Tipps. Anti-Mobbing. Cornelsen Scriptor (Berlin) 2013. 158 Seiten. ISBN 978-3-589-16217-8. D: 16,95 EUR, A: 17,50 EUR, CH: 26,30 sFr.
Thema und Hintergrund
Die Broschüre mit den 99 Anti-Mobbing-Tipps begreift Peter Rosenkranz als Leitfaden, der sich auf die Sekundarstufe I bezieht und die Erfahrungen des Autors und seiner KollegInnen, bestehende Untersuchungen im Mobbingthemenfeld und bekannte pädagogische Programme zur Grundlage hat. Mit dem Leitfaden möchte er Lehrkräften Orientierung geben und eine sofortige Handlungsmöglichkeit in Mobbingfällen und anderen ungelösten Konfliktsituationen schaffen.
Peter Rosenkranz betont, dass in Mobbingfällen der Opferschutz erste Priorität hat. Da jeder Fall anders gelagert sein kann, benötigt er unterschiedliche, dem Fall und den Personen angepasste Interventionen. Der Autor beschreibt, dass am Anfang immer die sofortige Beendigung des Mobbings stehen muss und erst danach die sozialen Trainingsangebote für die Gruppe/Klasse folgen können, wie auch der präventive Ansatz der gesamten Schule gefragt ist.
Autor
Dr. Peter Rosenkranz ist ehemaliger Gymnasiallehrer mit langjährigem Schwerpunkt auf Beratung, Sucht und Gewaltprävention. Er arbeitet als Konflikttrainer und externer Mediator an Frankfurter Schulen und als Mobbingberater in der Lehrerfortbildung. Er absolvierte eine Fortbildung zum hessischen Schulmediator, wie auch in der Gesprächsführung für Beratungskräfte im schulischen Kontext und beschäftigt sich mit Antimobbing-Strategien.
Aufbau und Inhalt
Die Broschüre besteht aus 158 Seiten und beginnt mit einem Inhaltsverzeichnis (S. 3-6). Den einzelnen Themenabschnitten geht ein Vorwort des Autors (S. 7-8) voraus. Die Inhaltsangabe weist 13 Themengebiete auf, die sich wiederum in die unterschiedlichen Tipps untergliedern.
Folgende Themengebiete (S. 9-156) werden bearbeitet:
- Grundlagen „Mobbingtheorie“ (Tipp 1-8)
- Intervention mit „normalem“ pädagogischen Handwerkszeug (Tipp 9-29)
- Begleitende Aktivitäten (Tipp 30-32)
- Konfliktbearbeitung mit Mediation (Tipp 33-35)
- Der No Blame Approach (Tipp 36-41)
- Die Farsta-Intervention (Tipp 42-57)
- Die Besonderheit Cybermobbing (Tipp 58-62)
- Anzeige bei der Polizei (Tipp 63-66)
- Der Täter-Opfer-Ausgleich (Tipp 67)
- Klassen- und Schulwechsel (Tipp 68)
- Nachsorge und Prävention (Tipp 69-89)
- Ein Blick auf die gesamte Schule (Tipp 90-93)
- Weiterführende Materialien (Tipp 94-99).
Mit einem alphabetischen Register (S. 157-158) mit Verweisen, die sich auf die jeweiligen Tipps beziehen, endet die Broschüre. Farblich sind die jeweiligen Tipp-Überschriften blau gekennzeichnet, mit großen Tipp-Nummern und vereinzelt auch mit zusammenfassenden Randbemerkungen. In den Textpassagen befinden sich auch nochmals Querverweise auf Tipp-Nummern, immer im Kontextbezug. Außerdem sind bestimmte Informationsfelder blau unterlegt. Es gibt zudem einige wenige Schaubilder. Verweise auf andere Quellen existieren nicht. Die Tipps 94-99 enthalten vom Autor ausgewählte Adressen, eigene Informationen, weiterführende Internetlinks, eine Auswahl von Filmen und Fachliteratur bzw. Werkbücher für die Arbeit mit Klassen.
Diskussion
Insgesamt enthält die Broschüre eine Vielzahl detaillierter Vorgehensweisen aus der Praxis. Kurz und knapp, über Aufzählungen schnell überschaubar und sehr handlungsorientiert, erhalten LehrerInnen einen schnellen Überblick über den Inhalt. Vom Helfer für den Gemobbten, über einzelne Gesprächsformate mit SchülerInnen, SchülermentorInnen, Gemobbten, Mobbingakteuren, LehrerkollegInnen, Eltern (auch über Elternabende) und Schulleitung werden alle schulischen Ebenen angesprochen. Auch an die Öffnung gegenüber Kooperationspartnern hat der Autor gedacht. Mobbingberatungsstellen werden nur einmal kurz i.V. mit Supervisionen erwähnt, tauchen aber in der Auflistung der Kooperationspartner nicht mehr auf.
In der Broschüre verschweigt Peter Rosenkranz nicht das Mobbing durch LehrerInnen und verweist in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit von kollegialer Fallberatung oder Supervision hin. Das Mobbing durch Lehrkräfte und Schulleitung wird nur kurz benannt, nicht aber tiefer angegangen, außer, dass Lehrer- und Elternhandlungen oder die Einstellungen/Haltungen beider Gruppen dazu aufgelistet werden. Damit beziehen sich die Tipps hauptsächlich auf das Mobbing unter SchülerInnen und den Umgang damit. Auch auf das Mobben von LehrerInnen durch Eltern wird nicht weiter eingegangen. Trotzdem ist der systemische Blick, weg von der rein individuellen Sicht, gegeben.
Der Satz: „Für Pädagogen ist eine genaue Diagnose, ob es sich gerade wirklich um Mobbing handelt, nicht besonders wichtig.“ (S. 10, unter „Umgang mit der Definition“) erstaunte mich sehr, da die Interventionen oder Antimobbing-Strategien doch gerade auf einer genauen Analyse der Situation beruhen.
Tiefer ausgeführt ist der Teil mit den Mobber-Gesprächen, sowohl bei Mobbing vor Ort in der Schule, wie auch beim Cybermobbing. Als wichtigen Hinweis fand ich von Seiten des Autors den genauen Blick auf die polizeiliche Anzeige, die ihre großen Nachteile hat, was er auch aufgeführte.
Unter dem Punkt „Nachsorge und Prävention“ sind einige kurze und längere, methodische Interventionen genannt, die schnell umsetzbar sind und die Überschneidungen beider Bereiche verdeutlichen. Dabei spielt u.a. das Training zur Zivilcourage, das Aktive Zuhören und Feedback eine Rolle bis hin zur Intervention von MentorInnen, MediatorInnen und SupervisorInnen geht dann der Blick auf die gesamte Schule über. Leider ist auch der Teil „Schulleitung“ sehr kurz geraten.
Am Ende erschloss sich für mich nochmal eine andere gedankliche Herangehensweise des Autors für den oben zitierten Satz im ersten Abschnitt des Diskussionspunktes der Rezension. Peter Rosenkranz schreibt am Ende noch einmal, dass alle genannten Präventionsideen (Tipps) nicht nur beim Mobbingfall zum Einsatz kommen sollten, sondern grundsätzlich als Unterstützung zum persönlichen Wachstum, der Stärkung Einzelner, der Klasse und der Schule gesehen werden sollten.
Fazit
Für LehrerkollegInnen ein inhaltsreicher Leitfaden, in dem der Mix aus Praxiserfahrung, bekannten Mobbingtheorien und Methoden aus der Mediation einen schnellen Blick auf Ideen zur Vorgehensweise erlaubt. Die Gefahr könnte jedoch bestehen, dass die Kürze der Inhalte des Handlungsleitfaden für mache/n LehrerIn ausreichen, aktiv zu werden und sich befähigt zu fühlen, den pädagogischen und systemischen Gesamtkontext noch neutral beurteilen und halten zu können. Dies könnte je nach Vita und Fachbereich eines Lehrers durchaus eine Überforderungssituation darstellen, die die vorhandene Situation verschlimmern könnte, zumal die zuständige Lehrkraft auch Teil des Klassen- und Gesamtsystems Schule ist.
Für die notwendige Schulung von Lehrkräften in diesem Bereich ist der Leitfaden auf alle Fälle ein hilfreicher Begleiter während der Fortbildung.
Rezension von
Dipl. Sozialpädagogin Monika Hirsch-Sprätz
Supervisorin, Mediatorin und Leiterin der Mobbingberatung Berlin-Brandenburg. Arbeitsschwerpunkte: Information, Beratung, Training, Moderation, Konfliktmanagement, Mediation, Kooperation mit interdisziplinärem Experten-Netzwerk. Face-to-Face- und Online-Beratung. Bereiche: Schule, Ausbildung und Arbeitswelt.
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Zitiervorschlag
Monika Hirsch-Sprätz. Rezension vom 30.08.2013 zu:
Peter Rosenkranz: 99 Tipps. Anti-Mobbing. Cornelsen Scriptor
(Berlin) 2013.
ISBN 978-3-589-16217-8.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/14957.php, Datum des Zugriffs 20.09.2024.
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