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Behrend Behrends: Krankenhausfinanzierungsgesetz, [...]

Rezensiert von Prof. Dr. Mathias Graumann, 14.08.2013

Cover Behrend Behrends: Krankenhausfinanzierungsgesetz, [...] ISBN 978-3-95466-001-8

Behrend Behrends: Krankenhausfinanzierungsgesetz, Krankenhausentgeltgesetz, Psych-Entgeltgesetz, Bundespflegesatzverordnung. MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft (Berlin) 2013. 339 Seiten. ISBN 978-3-95466-001-8. D: 69,95 EUR, A: 72,05 EUR, CH: 86,00 sFr.

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Thema und Zielsetzung

Mit dem Gesetz über die Einführung eines pauschalierenden Vergütungssystems für psychiatrische und psychosomatische Krankenhäuser und Fachabteilungen ist gut ein Jahrzehnt nach Erlass des Fallpauschalengesetzes nunmehr ein weiteres Anwendungsfeld der Pflegesatz- und damit an einer Selbstkostendeckung orientierten Vergütung der Leistungserbringer im Gesundheitswesen weggefallen. Für die Leistungserbringer bedeutet dies eine erhebliche Komplexitätssteigerung bei der Unternehmensplanung und -kontrolle. Zudem erfolgten parallel weitere Neuregelungen im Fallpauschalenbereich, wie z.B. die Einführung von Investitionspauschalen durch das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz im Jahre 2009.

Vor diesem Hintergrund ist es Ziel des Werkes, die genannten Wissens- und Handlungsfelder ausführlich und unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung und Literatur systematisch und praxisorientiert zu vermitteln. Das Werk ist Bestandteil der Schriftenreihe „Health Care Management“, die systematisch die Managementfelder der Gesundheitswirtschaft abdecken will.

Autor

Dr. iur. Behrend Behrens ist Rechtsanwalt und Berater im Gesundheitswesen. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind die Strategieberatung von Krankenhäusern, die Krankenhausplanung und -finanzierung, die Abwicklung von Budget- und Schiedsverhandlungen sowie von Abrechnungsstreitigkeiten.

Aufbau

Das Werk umfasst insgesamt neun Kapitel mit allerdings stark unterschiedlichen Umfängen. Systematisch entfällt etwa je die Hälfte auf die Darstellung von Rechtsgrundlagen und deren chronologische Entwicklung sowie die Erörterung typischer Handlungsfelder des Managements. Hierzu zählen

  • Budget- und Pflegesatzverhandlungen in den dem Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) unterworfenen Bereichen,
  • Budget- und Pflegesatzverhandlungen in den nicht dem KHEntgG unterworfenen, aber künftig durch das PsychEntgG geregelten Bereichen,
  • sektorspezifische Spezialthemen wie Ausbildungsbudget, Pflegesatzverhandlung und
    -vereinbarung, Schiedsstellenverfahren sowie Rechtsschutz.

Inhalte

Die Gesetzgebung zur Krankenhausfinanzierung geht auf die Einführung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) im Jahre 1972 zurück. Zur Beseitigung des damaligen immensen Investitionsstaus wurde die sog. duale Finanzierung und damit die Beteiligung der Länder an Finanzierung der Infrastruktur der Krankenhäuser implementiert. Weiterhin wurde das Prinzip der Selbstkostendeckung mittels vollpauschalierter Pflegesätze gesetzlich festgeschrieben.

Schon nach kurzer Zeit wurde durch die einsetzende Kostenexplosion die Nichtfinanzierbarkeit des Vorhabens offenkundig. Deshalb schränkten in der Folge zahlreiche Kostendämpfungsgesetze diese abstrakten Finanzierungsgrundsätze in der Praxis mehr und mehr ein. Zudem wurden durch den Erlass der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) im Jahre 1985 Verhandlung und Bemessung der Pflegesätze konkretisiert. Der Autor stellt die Chronologie der Gesetzgebung in Kapitel I umfassend und anschaulich dar. Das Verständnis aus heutiger Sicht wird durch Aufführung der seinerzeitigen politischen Beweggründe wesentlich gefördert.

Der heutige Stand des Finanzierungssystems der Krankenhäuser ist maßgeblich durch das Fallpauschalengesetz (FPG) aus 2002 geprägt. Daher werden die einzelnen Artikel zur Änderung der relevanten Einzelgesetze, eine überblickende Gegenüberstellung des alten und neuen Finanzierungsregimes sowie der Ablauf des Konvergenzverfahrens präsentiert. Auf dieser Basis werden nachfolgende Änderungsgesetze und schließlich die Ausweitung des Fallpauschalenregimes auf psychiatrische und psychosomatische Leistungserbringer erörtert.

Kapitel II widmet sich der themenbezogenen Darstellung von Elementen der Krankenhausfinanzierung. Im Vordergrund der Leistungserbringung stehen naturgemäß die Definition und Klassifikation der Krankenhausleistungen. Vertiefend wird auf die konstitutiven Elemente des Krankenhausbegriffs, die Festlegungen des Krankenhausplans sowie die Konkretisierung des Versorgungsauftrags eingegangen. Sonderformen der Leistungserbringung wie teilweise Auslagerung oder Kooperationen werden erörtert. Die Darlegungen werden anhand prägender Leitlinien höchstrichterlicher Rechtsprechung illustriert.

Aus Sicht der Leistungsvergütung werden die entsprechenden Vergütungsformen klassifiziert, welche allesamt – auch die neuen Vergütungsformen – weiterhin unter den Oberbegriff des Pflegesatzes subsumiert werden. Die zentralen und konfliktären Grundsätze der Vergütungsbemessung,

  • Leistungsgerechtigkeit und
  • Beitragssatzstabilität,

werden umfassend und unter Erörterung von Zweifelsfragen ausgelegt. Gegenstand der Darlegungen ist schließlich die Verdichtung der Einzelvergütungen zu einem Gesamtbudget.

Zum Abschluss dieses knapp die Hälfte des Gesamtvolumens ausmachenden Kapitels werden die Stellschrauben des Fallpauschalenregimes erläutert. Hierzu zählen die Kodierung, die Bewertungsrelation, Zu- und Abschläge begründende Tatbestände sowie die Basisfallwerte. Es zeigt sich die weitgehende Analogie des Vergütungssystems im Bereich der Psychiatrie und Psychosomatik (sog. PEPP-System) zum DRG-System, auch wenn bei Ersterem nicht auf einschlägige internationale Erfahrungen und Benchmarks zurückgegriffen werden kann.

Wesentliche Inhalte des Kapitels III sind die Ermittlung des Erlösbudgets im (somatischen) DRG-Bereich

  • in der Konvergenzphase bis 2008 und
  • ab dem Jahr 2009.

Ersterer Teilbereich hat dabei keinesfalls nur historischen Wert, da die PEPP-Einführungsphase der DRG-Einführungsphase nahezu deckungsgleich nachgebildet ist. Den Ausgangspunkt bildet jeweils das beim Vorliegen entsprechender Tatbestände abgesenkte oder erhöhte Vorjahresbudget. Die Planbudgets für künftige Zeiträume folgen demgegenüber den Leistungsmengenplanungen, sie stellen den Zielwert dar. Die komplexe Mechanik der Bemessung von Mehr- oder Mindererlösausgleichen sowie die Abgrenzung zwischen den verschiedenen „Erlöstöpfen“ wird ebenfalls dargelegt.

Die Herleitung des Erlösbudgets ab 2009 wird wesentlich vereinfacht, da es unabhängig von den historischen Werten ist und es folglich nur noch auf die Leistungs- und Mengenplanung der Krankenhäuser ankommt. Zugleich ist das Prinzip der „getrennten Erlöstöpfe“ weggefallen. Schließlich werden alle Zu- oder Abschläge tatbestandsunabhängig zu einem Gesamtbetrag saldiert.

Die Krankenhausvergütung ist seit jeher ein politischer Zankapfel. Folglich bestehen auch aktuell zahlreiche offene Fragen, die in langwierige Vermittlungsverfahren münden. Die politische Motivation wird eingehend anhand von Bundestags- und Bundesratsdokumenten erläutert. Zudem bestehen auf den der Gesetzgebung nachgelagerten Ebenen zahlreiche Streitigkeiten zwischen den Pflegesatzparteien. Zu deren Klärung wird aktuelle Rechtsprechung herangezogen und tiefgehend interpretiert. Komplettiert werden die Darlegungen durch Sondertatbestände der Vergütung wie z.B. die sog. Neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB), Zusatzentgelte für die Behandlung von Blutern, Zuschläge für Zentren, Schwerpunkte und besondere Leistungen.

Zur Verdeutlichung des Regimewechsels im Bereich der Psychiatrie und Psychosomatik werden zunächst die hergebrachten Regelungen der BPflV dargelegt (Kapitel IV). Deren Kern ist ein kostenorientiertes Budget, das auf Tage herunter bebrochen wird. Die wesentliche Verhandlungsgrundlage bildet eine umfangreiche Leistungs- und Kalkulationsaufstellung (LKA). Somit wird der Philosophie Rechnung getragen, dass i.d.R. die Preise die Selbstkosten widerspiegeln.

Anders als im bottom-up orientierten DRG-Regime, in dem sich das Budget als aggregiertes Produkt aus Mengen und Preisen ergibt, ist die Vorgehensweise im Pflegesatzregime top-down. Folglich wird erörtert, nach welchen Grundsätzen das ermittelte Budget auf Abteilungspflegesätze, einen Basispflegesatz und teilstationäre Pflegesätze jeweils auf Tagesbasis heruntergebrochen wird.

Kapitel V stellt dem die Neuregelungen des am 1. Januar 2013 in Kraft getretenen PsychEntgG gegenüber. Hierbei werden

  • die budgetneutrale Phase (2013 – 2016) und
  • die Konvergenzphase (2017 – 2021)

differenziert. Am Ende des Prozesses soll das krankenhausindividuelle Erlösbudget an den landesweiten Basisfallwert angeglichen sein. Wie schon bei der DRG-Einführung ist jedoch zu erwarten, dass im Laufe dieses Prozesses noch zahlreiche Anpassungsmaßnahmen von Seiten des Gesetzgebers vorgenommen werden.

Der Autor gibt einen detaillierten und systematischen Überblick über die Übergangsregelungen bis hin zur endgültigen Konvergenz.

In den Kapiteln VI bis IX werden jeweils in Kürze typische rechtlich relevante Spezialfragen,

  • Ermittlung des Ausbildungsbudgets,
  • Pflegesatzverhandlung und -vereinbarung,
  • Schiedsstellenverfahren und
  • Rechtsschutz

angerissen.

Das Ausbildungsbudget ist i.S. einer sektorweiten Umlage aus dem krankenhausindividuellen Erlösbudget auszugliedern, somit gelten auch separate Bemessungs- und Ausgleichsgrundsätze, die dargelegt werden.

Die Aussagen zur Pflegesatzverhandlung gehen auf Form und Inhalt der beizubringenden Unterlagen, Gegenstand und Beteiligte der Verhandlung sowie die Schritte bis zur endgültigen Genehmigung und Verbindlichkeit ein. Für den Fall, dass eine solche nicht zustande kommt, werden Ablauf des Schiedsstellenverfahrens sowie der zulässige Spielraum der Schiedsstelle erörtert. Schließlich wird auch der denkbar letzte Schritt, der Verwaltungsrechtsweg gegen Entscheidungen der Genehmigungsbehörde, behandelt.

Zielgruppe

Das Werk soll aufgrund seiner Praxisorientierung insbesondere Controller und Verhandler in Kliniken und bei Sozialleistungsträgern, Ärzte und Pflegepersonal mit Leitungsaufgaben, leitende Mitarbeiter in der Gesundheitswirtschaft, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer ansprechen.

Fazit

Das vorliegende Werk bietet eine systematische Darstellung des leitungsrelevanten Krankenhausrechts, und zwar gegliedert in sowohl chronologischer Sicht als auch nach Sachgebieten des Managements. Zudem werden Einzelheiten des Verfahrensrechts systematisch dargelegt. Das Buch ist ausnahmslos auf Basis des aktuellen Rechtsstands abgefasst.

Das Finanzierungsrecht wird differenziert nach somatischen Bereichen einerseits und psychiatrischen bzw. psychosomatischen Bereichen andererseits erörtert. Somit werden zwei Erkenntnisziele erfüllt: Zum einen werden die wesentlichen differierenden Elemente der konkurrierenden Finanzierungsregimes – Pflegesatzregime und Fallpauschalenregime – verdeutlicht, zum anderen wird eine Art roadmap für das Management der zzt. noch dem Pflegesatzregime unterworfenen Bereichen eröffnet.

Hinsichtlich der Herleitung von Budgets und Entgelten besticht die systematische und detailgenaue Darstellung. Ein Mehrwert für den Leser besteht insbesondere auch darin, dass profundes Wissen um die politischen Hintergründe der Gesetzgebungsverfahren weitergegeben wird.

Die vermuteten Ansprüche der adressierten (Insider-) Zielgruppen dürften voll erfüllt werden, wobei ein juristisches Grundverständnis in Bezug auf die komplexen sektorspezifischen Rechtsvorschriften vorhanden sein sollte. Für Einsteiger möglicherweise zu anspruchsvoll. Insgesamt sehr empfehlenswerte Lektüre.

Rezension von
Prof. Dr. Mathias Graumann
Professor für Rechnungslegung, insbesondere Controlling, Kosten- und Leistungsrechnung, Steuer- und Wirtschaftsprüfung, Hochschule Koblenz, RheinAhrCampus Remagen, Fachbereich Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
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Es gibt 16 Rezensionen von Mathias Graumann.

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Zitiervorschlag
Mathias Graumann. Rezension vom 14.08.2013 zu: Behrend Behrends: Krankenhausfinanzierungsgesetz, Krankenhausentgeltgesetz, Psych-Entgeltgesetz, Bundespflegesatzverordnung. MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft (Berlin) 2013. ISBN 978-3-95466-001-8. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/14979.php, Datum des Zugriffs 05.11.2024.


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