Adelheid Fiedler: Gott im Coaching?
Rezensiert von Dipl.-Sup. Jürgen Krauß, 11.06.2013

Adelheid Fiedler: Gott im Coaching? Zur Annäherung von religiöser Seelsorge und säkularer Beratung. Eine Bestandsaufnahme.
Kassel University Press
(Kassel) 2013.
120 Seiten.
ISBN 978-3-86219-430-8.
14,00 EUR.
Innovationen in Supervision, Coaching und Organisationsberatung ; 1.
Autorin
Die Autorin studierte in Tübingen Biologie, Theologie und Pädagogik. Sie schloss Ihre Studien mit der Promotion ab. An der Université Catholique d„Afrique Centrale in Kamerun studierte sie weiterhin Theologie und Interkultureller Dialog. Daran schloss sich das Studium an der Universität Kassel im Studiengang Mehrdimensionale Organisationsberatung (MDO) an, dass sie mit dem Master abschloss. Frau Dr. Fiedler arbeitet freiberuflich als Supervisorin, Organsisationsberaterin und Coach in eigener Praxis.
Entstehungshintergrund
Die vorliegende Veröffentlichung ist ihre Masterarbeit zum Abschluss des Kasseler Studienganges MDO. Die Arbeit wird vom Verein ASSCO e.V. herausgegeben, dem Absolventenverein der Kasseler Studiengänge Supervision und MDO, der diese Arbeit prämierte. Sie erscheint in der Reihe „Innovationen in Supervision, Coaching und Organisationsberatung“ als erster Band.
Aufbau und Inhalt
- Die Verfasserin klärt in der Einleitung ihren persönlichen Beratungshintergrund und die verwendeten Begriffe.
- Dem folgt im zweiten Teil die Beschreibung der wissenschaftstheoretischen Grundlagen. Die folgenden Kapitel sind als „Baustellenbegehungen“ gekennzeichnet.
- Im Kapitel drei gibt sie einen historischen Überblick zum Verhältnis von säkularer Beratung und kirchlicher Seelsorge.
- Das vierte Kapitel beschreibt die Vermischung von sakral und profan in einer entkirchlichten, postsäkularen Gesellschaft und daraus folgend
- das fünfte Kapitel Indizien für Annäherungen zwischen Seelsorge und säkularer Beratung.
- Als Beleg für diese Annäherung folgen im sechsten Kapitel dazu Beispiele.
- Im siebten Kapitel zieht sie Konsequenzen für die säkulare Beratung aus dem Vorhergehenden.
- Das Schlusskapitel eröffnet neue Fragestellungen und Perspektiven.
Die Arbeit setzt sich damit auseinander, dass auch in professioneller säkularer Beratung Fragen gestellt werden, die nach bisherigem Verständnis eher der Seelsorge zugeordnet werden; Orientierungsfragen nach Arbeits- und Lebenssinn, Identität, Ethik, Spiritualität und Transzendenz. Wie sollen sich säkulare Berater – Supervisorinnen, Coaches und Organisationsberaterinnen – dazu verhalten? In der entkirchlichten postsäkularen Gesellschaft ist die Trennung zwischen beiden Bereichen hinsichtlich Sinn- und Lebensfragen nicht mehr eindeutig aufrecht zu erhalten. Die Verfasserin klärt dazu sowohl die Eigenarten und Eigenverständnisse von säkularer Beratung und Seelsorge und stellt eine Bestandsaufnahme der gesellschaftlichen Entwicklung hinsichtlich Entkirchlichung und Postsäkularität gegenüber. Damit wird deutlich, warum notwendig ein Anforderungswandel der Nutzer beider Beratungsformate entsteht. Beide Beratungsformen reagieren darauf in einer Weise, dass sie sich in ihrer Praxis annähern; dies gilt insbesondere für ethische Fragestellungen.
Mit der Gegenüberstellung von Coaching- und Führungsansätzen mit ausdrücklich religiösem Hintergrund einerseits und säkularen Coachingansätzen mit explizit spirituellen oder philosophischen Anteilen andererseits schafft die Verfasserin die Grundlage, wie professionelle säkulare Beratung mit den widersprüchlichen Herausforderungen philosophisch-säkular oder religiös-spirituell fruchtbar umgehen kann und welche Kompetenzen die säkularen Berater dafür entwickeln müssen. Im Zentrum steht die Überlegung der Fähigkeit zur Veränderung der beruflichen Identität der coaches mit Hilfe eines „Übergangscontainers“, der den „physischen und emotionalen Raum“ (Nahum 2003, S. 405 f.) für den erforderlichen Wandel der eigenen Rolle bietet.
Fazit
Die im vorgestellten Buch angesprochenen Probleme und Fragestellungen spielen in der Praxis professioneller säkularer Berater zunehmend eine Rolle und wurden meines Wissens bisher in dieser Weise nicht bearbeitet. Die Lektüre der Arbeit kann allen säkularen Beraterinnen und Beratern hilfreich sein, die sich den veränderten Anforderungen und Fragen ihrer Klientel ohne Berührungsängste zu stellen bereit sind. Sie erhalten solide fundierte Hinweise sowohl zur Analyse der veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse und deren Auswirkungen auf die Individuen, zur Reflexion der eigenen Beraterrolle und hilfreiche Überlegungen zur Weiterentwicklung der eigenen Berufsrolle und ihrer Adaption an die veränderten Erfordernisse der Klientel.
Als Besonderheit des Textes ist dessen „schöner Stil“ zu nennen, der die Lektüre zum Vergnügen macht. Im Rahmen der Digitalisierung der Welt wird vielen Leserinnen und Lesern entgegen kommen, dass das Buch auch in digitalisierter Fassung erhältlich ist.
Rezension von
Dipl.-Sup. Jürgen Krauß
Mailformular
Es gibt 2 Rezensionen von Jürgen Krauß.
Zitiervorschlag
Jürgen Krauß. Rezension vom 11.06.2013 zu:
Adelheid Fiedler: Gott im Coaching? Zur Annäherung von religiöser Seelsorge und säkularer Beratung. Eine Bestandsaufnahme. Kassel University Press
(Kassel) 2013.
ISBN 978-3-86219-430-8.
Innovationen in Supervision, Coaching und Organisationsberatung ; 1.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/15036.php, Datum des Zugriffs 04.10.2023.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.