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Helmut Lambers: Theorien der Sozialen Arbeit

Rezensiert von Prof. Dr. Juliane Sagebiel, 27.02.2014

Cover Helmut Lambers: Theorien der Sozialen Arbeit ISBN 978-3-8252-3775-2

Helmut Lambers: Theorien der Sozialen Arbeit. Ein Kompendium und Vergleich. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2013. 375 Seiten. ISBN 978-3-8252-3775-2. D: 16,99 EUR, A: 17,50 EUR, CH: 24,90 sFr.
Reihe: UTB - 3775.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Seit Erstellung der Rezension ist eine neuere Auflage mit der ISBN 978-3-8252-4322-7 erschienen, auf die sich unsere Bestellmöglichkeiten beziehen.

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Thema

Wer eine Landkarte sucht, um sich im Dickicht der Theorien der Sozialen Arbeit einen Überblick zu verschaffen und diese vergleichen möchte, dem sei das Studienbuch von Lambers empfohlen. Hier finden Studierende und Lehrende eine historische und erkenntnistheoretische komprimierte Darstellung von Theorien und Konzepten der Sozialen Arbeit von ihren Anfängen im Spätmittelalter bis hin zur Spätmoderne. Da es keine einheitsstiftende Theorie des gesamten Handlungsfeldes und der Disziplin Soziale Arbeit gibt, aber eine auf den ersten Blick unübersichtliche Fülle an Theorien und Konzepten in der Sozialen Arbeit und der Sozialpädagogik, entscheidet sich Lambers in seiner Wahl für solche theoretischen Beiträge, die Soziale Arbeit als eine eigenständige Wissenschaftsdisziplin konzipieren. Die älteren Protagonisten_innen wählt er aus nach dem Kriterium, ob sie im aktuellen Fachdiskurs noch eine Rolle spielen. Neben der historischen Zuordnung erfolgt die Orientierung entlang von vier Theoriesträngen a) erste sozialpädagogische Texte, b) erste fürsorgewissenschaftliche Theorien und nordamerikanische Ansätze, c) neue sozialpädagogische (sozialwissenschaftlich aufgeklärte) Theorien und d) sozialarbeitswissenschaftliche und soziologische Theorien. Positiv zu bemerken ist, dass die Darstellung der Theoriebeiträge keine umfassende Einführung geben will, es geht dem Autor vielmehr darum, „… Türen zu öffnen und Interesse für die Theorien und ihre unterschiedlichen Denkansätze zu wecken“ (18). Wenn er im zweiten Teil des Buches die Theorien einem Vergleich unterzieht, dann geht es ihm nicht um eine Bewertung hinsichtlich ihres Gebrauchswertes, sondern darum „den Diskurs in den Unterschiedlichkeiten und Gemeinsamkeiten … in einer Gesamtsicht vorzustellen“ (209).

Autor

Wie schon von Heiko Kleve in seiner Rezension zu Helmut Lambers Buch „Systemtheoretische Grundlagen Sozialer Arbeit“ (2010) zutreffend bemerkt, sind die Autoreninformationen dürftig. Bekannt ist lediglich, dass er Diplompädagoge und Diplomsozialarbeiter ist und an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, Abt. Münster, Geschichte, Theorien und Konzepte Sozialer Arbeit, Sozialmanagement, Arbeitsweltorientierte Soziale Arbeit und erzieherische Kinder- und Jugendhilfe lehrt. Aus den Publikationen von Helmut Lambers ist ersichtlich, dass er in der Tradition der soziologischen Systemtheorie von Niklas Luhmann steht.

Aufbau

Das Buch ist in vier Abschnitte gegliedert:

Im ersten Teil werden ausgewählte Theorievorläufer vom Spätmittelalter (Thomas von Aquin, Juan Luis Vives) bis hin zur Industrialisierung (Johann Heinrich Pestalozzi, Hinrich Wichern) vorgestellt.

Der zweite Teil befasst sich mit der Theorieentwicklung zwischen Moderne und Spätmoderne, beginnend mit den ersten sozialpädagogischen Beiträgen wie Paul Natrop und Hermann Nohl und fürsorgewissenschaftlichen Ansätze in Deutschland und Nordamerika. Interessant ist der Epilog (58), in dem die Theorien der Gründungsmütter (Alice Salomon, Laura Jane Addams und Mary Ellen Richmond) hinsichtlich ihrer Gemeinsamkeiten und Unterschiede reflektiert werden. Danach folgen Darstellungen neuerer sozialpädagogischer Theorien (Klaus Mollenhauer, Karam Khella, Hans Thiersch, Lothar Böhnisch, Hans-Uwe Otto und Bernd Dewe und Michael Winkler) und die sozialarbeitswissenschaftliche Theorieentwicklung. Hier spannt er den Bogen von Louis Lowy, Marianne Hege und Karlheinz A. Geißler über Lutz Rössner, Liselotte Pongratz, Carel B. Germain und Alex Gittermann bis hin zu Wolf Rainer Wendt, Silvia Staub-Bernasconi und Heiko Kleve. Ergänzt wird diese Reihe durch die Vorstellung der soziologischen Beschreibung der Sozialen Arbeit von Michael Bommes und Albert Scherr.

Im dritten Teil vergleicht Helmut Lambers die im ersten und zweiten Abschnitt des Buches vorgestellten Theorien nach a) ihrer disziplinären Selbstbeschreibung (Sozialpädagogik, Sozialarbeit und Sozialarbeitswissenschaft), b) hinsichtlich ihrer Gegenstandsbestimmung (auf welches Problem beziehen sich die Theorien), c) der Theorieform (wissenschaftstheoretische und formale Unterschiede) und schließlich d) der wissenschaftstheoretischen Bezüge und Denkschulen (Hermeneutik, Kritische Schule, Systemtheorien etc.). Abschließend stellt er die Anfrage an das Empowerment Konzept, „ob sich darin ein gemeinsamer Nenner für eine theoretische Fundierung Sozialer Arbeit abzeichnet“ (317).

Abschließend betrachtet Lambers im vierten Teil, einem kurzen Ausblick zum Ende des Buches, die Theorievielfalt der Sozialen Arbeit als „Ausdruck des Dilemmas menschlicher Kommunikation“ (329).

Inhalt

Dem Grunde nach ist das Buch in zwei zentrale Abschnitte unterteilt: zum einen in die Darstellung, Entwicklung und Diskussion älterer und zeitgenössischer Theorien, zum anderen in einem differenzierten Theorievergleich.

Im ersten Teil werden die Theorievorläufer bis zur Industrialisierung in aller Kürze vorgestellt und im historischen, begrifflichen und funktionalen Kontext der Theorieentwicklung der Sozialen Arbeit verortet. In gleicher Weise, nur ausführlicher, stellt Lambers die Denkfiguren und zentralen Aussagen moderner und zeitgenössischer Theorien dar, jeweils mit einer biografischen Einführung der Autoren_innen und rundet diese mit Literaturempfehlungen von Originaltexten zur Vertiefung ab. Spannend und anregend lesen sich die Abschnitte im Anschluss an die Beschreibungen, in denen er die Theorien bezogen auf die Theorieentwicklung der Disziplin und der Profession diskutiert. Die Entwicklungsphasen und Besonderheiten der Theoriebildung der Sozialpädagogik, der Sozialarbeit und Sozialarbeitswissenschaft werden ihrem Selbstverständnis entsprechend voneinander unterschieden. Über diese prozessbezogene Sichtweise entsteht ein zusammenhängendes Bild des breit gefächerten Theoriehorizontes der Sozialen Arbeit – dem Begriff, der die Theoriestränge miteinander verbindet.

Im zweiten Teil – er umfasst rund 100 Seiten mit tabellarischen Übersichten – unternimmt Lambers einem hoch differenzierten Vergleich der einzelnen Theorien oder Theoriefragmente. Er orientiert sich dabei nicht am „Gebrauchswert“ der Theorien hinsichtlich ihrer praktischen Anwendbarkeit, denn dies wäre nur dann sinnvoll, wenn die Beobachtungsgemeinschaft sich auf eine gemeinsame Beobachterperspektive verständigen könnte (209). Doch das ist nicht der Fall, liegen doch mindestens drei Perspektiven vor: die der Sozialen Arbeit als Praxis, die der Professionsbildung und die der Disziplinbildung. Folglich nimmt er den gesamten wissenschaftlichen Diskurs in seiner historischen Entwicklung in den Blick und stellt fest: „Theorieentwicklung Sozialer Arbeit besteht wohl auf Dauer aus dem wissenschaftlichen Diskurs selber“ (209). Und so dient der Vergleich dem Zweck, den gesamten, aktuellen Diskurs in seiner Unterschiedlichkeit und Gemeinsamkeit zu präsentieren.

Der Vergleich beginnt mit einer Übersicht der disziplintheoretischen Wurzeln pädagogisch-philosophischer und soziologisch-sozialwissenschaftlicher Konzepte, die die ersten theologischen und psychoanalytischen Entwürfe abgelöst haben. Die modernen wie zeitgenössischen Theorien werden dann entlang von drei Kategorien auf ihre Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Entwicklungsbedarfe hin untersucht:

  • Was ist das Bezugsproblem und wie wird der Gegenstand beschrieben? (225-243).
  • Entsprechen die Theorien den wissenschaftstheoretischen Anforderungen an eine Theoriebildung und welche Funktion geht von Theorien der Sozialen Arbeit für die Identitätsbildung Sozialer Arbeit als Profession und Disziplin aus? (243-257).
  • Welche systematischen Typisierungsversuche existieren bereits und welche wissenschaftstheoretischen Positionen werden dabei eingenommen? (257-316)

Bezogen auf die Frage nach der Gegenstandsbestimmung kommt Lambers zu dem Schluss, dass ein zentrales Merkmal wissenschaftlicher Disziplinbildung, die einheitliche Begrenzung des Bezugsproblems, bis heute in der Sozialen Arbeit nicht existiere (229). Insofern sei die Soziale Arbeit „eine halbkonsolidierte Wissenschaft mit unsicherer disziplinärer Kompetenzzuweisung und differenten Theorieleitungen“ (242).

Hinsichtlich der wissenschaftstheoretischen Anforderungen an Theoriebildung hält Lambers fest, es fänden sich einige geschlossene Theorien; doch in vielen Fällen handle es sich dabei um Entwürfe, Ansätze oder Vorarbeiten einer Theorie (257). Auch sei eine trennscharfe Unterscheidung in reine Disziplintheorien und Professionalisierungstheorien nicht immer möglich. Betrachtet man die unterschiedlichen und nebeneinander verlaufenden Diskurse der Theoriebildung, lässt sich vermuten, dass sie innerhalb der eigenen Schulen mehr oder weniger identitätsfördernde Wirkung entfalten, nicht jedoch für die Praxis (253).

Da es keinen abgrenzbaren wissenschaftstheoretischen Referenzrahmen im Sinne einer verbindlichen Leittheorie gibt, was nach Ansicht des Autors heute auch nicht mehr sinnvoll sei, denn die Theoretiker_innen berufen sich auf mehrere, unterschiedliche Denktraditionen, sei die Systematisierung ein komplexes Unternehmen, das einer Spurensuche gleiche. So folgt Lambers den Spuren bereits vorgenommener Systematisierungen und entfaltet das Spektrum von Helmut Lucas, der eine Zuordnung nach Zentraltheorien vornahm, über Rita Sahles und Christian Spatschecks paradigmatischer Systematisierung, bis hin zu Werner Thole, der die Theorieketten nach der Kernintention sortiert. All diese wissenschaftstheoretischen Ordnungsversuche werden in tabellarischen Übersichten zusammengefasst und kommentiert im Hinblick darauf, welche Schwierigkeiten und Lücken die jeweiligen Systematiken aufweisen. Von einem weiteren, eigenen Typisierungsversuch nimmt Lambers bewusst Abstand. Vielmehr liegt ihm daran, die verschiedenen wissenschaftlichen Ausgangspositionen der Theorien zu markieren, die Festlegungen auf ein Bezugsproblem (Gegenstandsbestimmung) zu analysieren und sie auf ihre Gemeinsamkeiten hin zu untersuchen.

Zum Ende rekurriert Lambers auf das „Empowerment-Konzept als Leitprinzip sozialpädagogischer Praxis“ (318), wie Herriger und Böhnisch feststellen und fragt, ob „sich darin ein gemeinsamer Nenner theoretischer Fundierung Sozialer Arbeit abzeichnet“ (317). Die Antwort lautet nein, denn der aktuelle Diskurs um den Empowermentbegriff laufe Gefahr, sich kritiklos der marktgängigen Logik des aktivierenden Sozialstaats anzubiedern, indem er die soziale Problembearbeitung auf das Subjekt verlagere.

Zum Abschluss seiner Theorielandschaftsbeobachtung stellt Lambers fest, dass die Vielfalt Ausdruck des Dilemmas menschlicher Kommunikation sei, die Dinge aus zwei oder mehreren, oftmals gegensätzlichen Perspektiven zu betrachten. Konsens sei nicht anzustreben, denn dieser beende letztlich den Diskurs. In Anlehnung an Rauschenbach und Züchner plädiert er dafür, die weitere wissenschaftstheoretische Kommunikation nicht auf einen Ausschnitt sozialer Tatbestände zu beschränken (z.B. Erziehung und Bildung oder Alltags- und Lebensbewältigung), sondern subjektbezogene und systembezogene Perspektiven in der Beobachtung und Beschreibung zu verbinden, denn beide bedingten und reproduzierten sich gegenseitig in Gestalt sozialer Tatbestände (329).

Zielgruppen

Der Autor wendet sich mit seinem Kompendium ausdrücklich an Studierende der Sozialen Arbeit. Ebenso ist es aber, auch wenn diese Zielgruppe nicht explizit erwähnt wird, eine interessante und didaktisch anregende Lektüre für Lehrende. Weniger scheinen die Inhalte für Fachkräfte der Sozialen Arbeit attraktiv zu sein, deren Interesse, so darf vermutet werden, eher auf Aspekte der Übertragbarkeit von Theorien auf handlungspraktische Fragen konzentriert ist.

Diskussion

Sicher ist das vorliegende Kompendium von Lambers, 366 Seiten umfassend, nicht leicht zu lesen. Doch die Lektüre lohnt. Denn dem Autor gelingt der Versuch einer relativ, (denn kommunikationstheoretisch gibt es keine neutrale Beobachterposition) bewertungsfreien Beobachtung und Beschreibung der Theorielandschaft Sozialer Arbeit und ihrer Entwicklungsverläufe. Nur einmal findet sich in einer Fußnote eine Feststellung, dass er die offenkundige Abneigung gegen systemtheoretisch-konstruktivistischen Theoriebildung von Engelke/Borrmann/Spatscheck (2008) nicht teilt (262).In der Auswahl sowohl der Theorien als auch die vorhandenen Systematiken lassen sich weder Präferenzen für eine bestimmte Richtung oder Schule auszumachen, noch werden Theorien weggelassen oder abwertend kommentiert. Hier gelingt dem Autor, wie schon in seinem Buch zur Geschichte der Sozialen Arbeit, eine Komplexitätsreduktion mittels unterscheidender Beobachtungskriterien historischer, fachlicher und begrifflicher Art. Wieder wendet er auf seine Fragestellung die „Luhmannsche Methode“ an, indem er Beobachtungen erster und zweiter Ordnung vornimmt: Was ist vorhanden, wie wurde und wird das Feld systematisiert?

In den Passagen, in denen er die Theorien diskutiert, stellt er sie in einen kommunikativen Bezug zu den anderen Mitdiskutant_innen (andere Theoretiker_innen) her, formuliert Einwände, wägt ab verzichtet aber auf bewertende Feststellung.

Aus dem ersten Teil gewinnt der Leser und die Leserin einen auf das wesentliche reduzierten, aber nicht simplifizierten Überblick über die historische Entwicklung der Theorien Sozialer Arbeit. Die den Vorstellungen folgende Reflexion – Lambers überschreibt sie mit „Diskussion“ – offenbart sich als differenzierte Beobachtung auf solche Aspekte, die von den Autoren der jeweiligen Theorie nicht beobachtet wurden: die blinden Flecken. Eine Beobachtung zweiter Ordnung, wie sie Lambers durchführt, kann einige davon aufdecken und die Beobachtung dritter Ordnung, die den Lesern und Leserinnen vorbehalten bleibt, ermöglicht die Sicht auf zusätzliche Aspekte, die vorher nicht gesehen wurden. Die Leser_innen erhalten eine Einladung zur Reflexion und Motivation, weitere Anfragen zu stellen.

Sind Vorkenntnisse vorhanden, gewinnt man bei der Lektüre der einzelnen Theorien einen kurzen, prägnanten Überblick und den Einstieg in den Diskurs, als Einführung in Theorien der Sozialen Arbeit für Studierende eignen sich diese Zusammenfassungen jedoch weniger. Hier sei auf andere Übersichten verwiesen, wie z.B. die von Engelke/Bormann/Spatscheck „Theorien der Sozialen Arbeit“ (2008). Auf 200 Seiten findet sich bei Lambers eine historisch, begriffliche und in der Systematik vergleichbare Nachzeichnung des vorhandenen Theoriespektrums Sozialer Arbeit. Wer also eine Landkarte sucht zur Orientierung, was, wo, in welchen Gegenden anzutreffen ist, sollte sich diese Lektüre gönnen.

Der zweite Teil des Buches ist im Vergleich zum ersten Teil insgesamt voraussetzungs- und anspruchsvoller. Inhaltlich setzt der Text Vorkenntnisse des Professionalisierungsdiskurses voraus. Auf den ersten, flüchtigen Blick mag die Typologisierung verwirrend wirken, vor allem wenn nur die tabellarischen Übersichten in den Blick genommen werden. Ist der/die Leser_in mit dem Diskurs nicht vertraut, ist ohne intensive Einlassung auf die erklärenden Textpassagen der Beobachtungen Lambers nur bedingt zu folgen. Im Verlauf des Studiums der Sozialen Arbeit lernen Studierende unterschiedliche Theorien kennen. Um diese nicht zusammenhanglos und beliebig nebeneinander stehenzulassen, ist es hilfreich, diese im Kontext der Entwicklungsstränge sozialpädagogischer und sozialarbeitswissenschaftlicher Theoriebildung zu betrachten. Über diese Form der Auseinandersetzung – und dafür bietet dieses Kompendium eine hervorragende Grundlage – wird ersichtlich, dass es keine abgeschlossene Theorie i.S. einer Leittheorie geben kann und, dass Vielfalt und Bewegung das Charakteristikum des Theoriediskurses in der Sozialen Arbeit ist, was Studierende (leider) aushalten müssen. Offen bleibt jedoch die Frage, warum Lambers die paradigmatische Einordnung von Theorien der Sozialen Arbeit von Staub-Bernasconi nicht in seine Übersicht aufnimmt (Soziale Arbeit und soziale Probleme, 2010). Hier werden die Theoriebeiträge drei Paradigmen, dem atomistischen, dem holistischen und dem systemischen zugeordnet. Eine Diskussion dieser Systematik wäre sicher interessant gewesen. Könnte es sein, dass die Beobachtungen Lambers an dieser Stelle blinde Flecken aufweist?

Der Anfrage an den Empowermentbegriff als gemeinsamen Nenner für eine Systematisierung widmet Lambers gerade mal neuneinhalb Seiten. Genug für eine knappe Erörterung der Diskussionsbeiträge der Community, um zu dem Schluss zu gelangen, über ihn werde doch mehr eine professionelle Haltung, denn eine Methode transportiert. Und er stellt zum Schluss fest, der „Hybridcharakter“ der Sozialen Arbeit sei durch den Empowermentbegriff nicht auflösbar (326). In Kenntnis des Empowermentdiskurses ist dieser Schlussfolgerung nur beizupflichten, denn der in Mode gekommene und nahezu beliebig bemühte Begriff hält bei weitem nicht, was er zu versprechen scheint.

Fazit

Es lohnt sich, mal wieder Lambers zu lesen. Nach seinen Publikationen zur Geschichte und den systemtheoretischen Grundlagen Sozialer Arbeit (beide 2010) findet sich hier der Anschluss in Form einer komprimierten Übersicht klassischer und zeitgenössischer Theorien und Perspektiven auf Vergleichskonzepte unterschiedlicher Autoren und Autorinnen, die er ausführlich diskutiert. Dieses Buch ist geeignet sowohl für einen Einstieg in die Theoriedebatte als auch in den Professionsdiskurs. Lambers Buch stellt eine Herausforderung für die Leser und Leserinnen dar. Es ist keine Lektüre für das Selbststudium, zumindest nicht für Einsteiger_innen. Daher ist es für die Zielgruppe Studierender nur mit begleitenden, vertiefenden Seminaren zu empfehlen. Für den Fachdiskurs stellt das Buch einen Gewinn dar, weil es Orientierung bietet und zu weiterführenden Reflexionsmöglichkeiten einlädt.

Rezension von
Prof. Dr. Juliane Sagebiel
Professorin für Sozialarbeitswissenschaft an der Hochschule München, Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften
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Es gibt 6 Rezensionen von Juliane Sagebiel.

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ISSN 2190-9245