Horst Küppers: Eine Reise durch Kitas in aller Welt
Rezensiert von Christiane Bartosch, 31.03.2014

Horst Küppers: Eine Reise durch Kitas in aller Welt. Was Deutschland von anderen lernen kann.
Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2013.
144 Seiten.
ISBN 978-3-407-62871-8.
D: 19,95 EUR,
A: 20,60 EUR,
CH: 26,90 sFr.
Reihe: Frühpädagogik.
Autor und Thema
Horst Küppers will mit seinem Buch einen Beitrag zur weltweiten „Betrachtung und Würdigung dessen, was andere Nationen in Sachen Frühpädagogik unternehmen“ (7) leisten und dabei Wissen über Frühpädagogik in aller Welt vermitteln. Das Buch bietet Erzieherinnen im deutschsprachigen Kulturraum einen Überblick, „wie Frühpädagogik global und in anderen europäischen Ländern aussieht und nach welchen pädagogischen Konzeptionen im Ausland gearbeitet wird.“ (7) Dazu werden 24 ausgewählte Beispiele aus Europa und den übrigen Kontinenten vorgestellt. Sowohl kleine Entwicklungen als auch der Mainstream der bildungspolitischen Diskussion des jeweiligen Landes werden thematisiert. Anhand von „Kindheitsminiaturen“ (7) geht Küppers folgenden Fragen nach:
- „Was passiert inhaltlich in den Einrichtungen im Ausland?
- Wer leistet pädagogische Arbeit vor Ort?
- Wie sind die Mitarbeiter für diese Arbeit qualifiziert worden?
- Wie hoch ist der Versorgungsgrad, und
- wo finden wir vorzeigbare nationale und lokale Betreuungsformen?“ (7)
Entstehungshintergrund
Küppers ist Lehrer, Fachberater und Journalist, als solcher bereiste er unterschiedlichste Länder und legte dabei sein Hauptaugenmerk auf die frühpädagogische Betreuungssituation in den besuchten Ländern. Die länderspezifischen Beiträge und Fotografien entstanden infolge von Besuchen dieser Länder und ihren spezifischen Einrichtungen.
Aufbau und Inhalt
Der umfangreichste Teil des Buches besteht aus den Länderberichten. Neben einer Karte zur geografischen Verortung des Landes findet man in den einzelnen Beiträgen „konträre Miniaturen der frühen Kindheit im Hinblick auf die frühpädagogischen Einrichtungen und das Familienleben im jeweiligen Land, z.B. Eliteeinrichtung und landestypische Kita im Vergleich“ (11). Jeder länderspezifische Beitrag beinhaltet auch Informationen zur Erzieherausbildung und allgemeine Informationen zur Tätigkeit als Erzieherin in dem vorgestellten Land. Ein sog. „Kastentext“ fasst geopolitische Fakten des besprochenen Landes in Kurzform zusammen und abschließend gibt der Autor dem Leser noch ein „Bildungssouvenir“ mit an die Hand. Hier findet sich all das, was Küppers für besonders interessant betrachtet, inklusive potentieller Kontaktdaten. Die Auswahl der vorgestellten Länder, gegliedert nach Kontinenten und / oder Regionen, wird von drei leitenden Gedanken getragen: erstens wird durch die Auswahl der Berichte aus Europa „eine Mischung von Ländern …[präsentiert; CB], aus denen vielfach Familien stammen, die mit ihren Kindern zu uns Deutschland einwandern“ (11). Zweitens werden bevorzugt frühpädagogische Einrichtungen aus Ländern vorgestellt, „die etwas Besonderes“ (11) leisten. Dritter leitender Gedanke für den Autor ist es, den Leser „mit Eindrücken aus exotischen Ländern, den Familien, den Kitas und den Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen zu konfrontieren“. (11). Ein abschließendes Kapitel beinhaltet zum einen „eine perspektivische Erweiterung der deutschen Didaktik“ (110), Links und Kontakte, sowie eine Fotostrecke zu den vorgestellten Ländern und ihren Einrichtungen.
Die Reiseberichte beginnen in Europa. Hier werden Berichte aus Dänemark, Albanien, Kosovo, Litauen, Island, Portugal, Türkei und Spanien vorgestellt (14-45). Nahezu jeder Reisebericht beschreibt zwei konträre Einrichtungen: Berichte von staatlichen Einrichtungen werden privaten Einrichtungen in diesem Land vergleichend gegenübergestellt. Häufig weisen diese privaten Einrichtungen einen engen Bezug zu Deutschland auf. Dabei finden sich aufgrund regionaler, geographischer, aber vor allem auch aufgrund von politischen Situationen, völlig unterschiedliche Darstellungen. Der Bogen der Reiseberichte reicht von positiv beschriebenen Lebensräumen von Kindern in Dänemark zu Beschreibungen von schwierigsten Verhältnissen für gelingendes Aufwachsen in Albanien. Küppers beschreibt anschaulich und sehr persönlich ausgewählte Lebenssituationen von Kindern in dem jeweiligen Land. Zusätzlich findet der Leser Informationen zur Verortung des Stellenwerts von Frühpädagogik im jeweils beschriebenen Land, Informationen zur Ausbildung von Erzieherinnen und deren Arbeitsbedingungen.
Asien wird durch Singapur, Laos und Indonesien repräsentiert (46-57). So wird Kindergarten der Europäischen Schule in Singapur (GESS) mit dem dortigen eher „chinesisch geprägten“ (46) Bildungssystem von Singapur kontrastiert.
Australien und Ozeanien werden durch Berichte aus Tahiti und Bora Bora (Französisch Polynesien), Australien und Neuseeland beispielhaft vorgestellt (58-69). So vergleicht Küppers in Australien einen Kindergarten in Cabramatta, einem Stadtteil von Sydney, der die unterschiedlichsten Kulturen vereint, mit einem Kindergarten der „German International School Sydney“. Erstgenannte Einrichtung steht für gelingende Integration und interkulturelles Denken, die zweite noch zusätzlich für gelingende Bilingualität (deutsch und englisch) (64).
Die arabische Halbinsel ist vertreten durch einen Bericht über die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), beispielhaft ist hier die Situation in Dubai beschrieben (70-73). Küppers berichtet über einen Kindergarten der Superlative (71-73), was Ausstattung, Ambiente und Sicherheitsvorkehrungen betrifft, privat organisiert und nach britischem Verständnis geführt.
Für Afrika findet man Länderbeschreibungen aus Südafrika, Kenia und Ruanda(74-85). In Kenia erzählt der Autor von seinem Besuch in einem Kindergarten der Massai und beschreibt die einfachen Verhältnisse, die sich stark von westlichen Vorstellungen von Kitas unterscheiden(78-81).
Beschreibungen von Einrichtungen in Hawaii und New York stehen repräsentativ für Nordamerika (86-93). Hier wird über den Kindergarten, den Barack Obama als Kind besucht hat, berichtet. Die hohen Kosten, die der Besuchs dieser Einrichtung verursacht, sind überraschend (86- 89).
Mittelamerika wird durch Berichte über Mexico und Dominikanische Republik vertreten (94-101). Der Kindergarten „Jardin de Ninios“ in Tulum ist das Beispiel für Mexiko, Küppers beschreibt die dortige schulische Grundkonstruktion dieser Einrichtung, mit vielen Kindern zwischen 4 und 6 Jahren in viel zu kleinen Räumen (94-97).
Abgeschlossen wird der Reigen der Berichte mit der Darstellung von Einrichtungen in Paraguay und Ecuador, beide stehen stellvertretend für Südamerika (102-109). Ein mennonitischer Kindergarten im Campland von Paraguay wird vorgestellt. Hier zeigt sich eine enge Verbindung zu den Glaubenswurzeln der Mennoniten, mit der Folge, dass der Kindergarten eine Vorschule ist, die erst ab dem Alter von 4 Jahren besucht werden kann (102-105).
Einschränkend räumt Küppers ein, dass es keine allgemeingültige Gebrauchsanweisung für eine gute Frühpädagogik gebe, aber der Autor erhofft sich eine Erweiterung des interkulturellen Verständnisses des Lesers.
Küppers beschreibt in einem abschließenden Kapitel sehr knapp einige „globale Phänomene, die ich in Paradigmen genauer betrachten und daraus qualitative Faktoren isolieren möchte:“ (110)Dies sind:
- „Es gibt ein frühpädagogisches Gefälle zwischen Nord- und Südhalbkugel“,
- „Es gibt ein frühpädagogisches Gefälle zwischen armen und reichen Ländern“,
- „Das frühpädagogische Bewusstsein unterscheidet sich bei armen und reichen Bürgern“,
- „Zur richtigen Zeit am richtigen Ort geboren sein“,
- „Nicht weiblich sein“,
- „Über die wichtigen Anlagen verfügen“,
- „In einem sozialen, ethnischen, bildungsorientierten Netzwerk zu leben“,
- „Bildungszeit“ und
- „Die subjektive Sicht der Dinge“ (110-113).
Küppers widerlegt diese „Paradigmen“, indem er seine vorgestellten Beispiele aus den unterschiedlichsten Ländern als Gegenbeweise anführt. So schreibt er beim Paradigma „Das frühpädagogische Bewusstsein unterscheidet sich bei armen und reichen Bürgern“, dass in erster Linie der „kontinuierliche Besuch einer Bildungseinrichtung […] immer abhängig von den ökonomischen Gegebenheiten und Erfordernissen“ (111) ist.
Diskussion und Fazit
Küppers legt mit diesem Buch gute, lesenswerte und sehr persönlich geschriebener Beschreibungen frühpädagogische Einrichtungen an den verschiedensten Orten der Welt vor. Die Schilderungen geben in ihrer Wechselseitigkeit zwischen dargestellter öffentlicher Organisation von frühpädagogischen Einrichtungen und privaten, häufig deutschsprachig ausgerichteten Einrichtungen interessante und gute Vergleichsmöglichkeiten. Der Leser kann sehr unterschiedlichste Kindergartensituationen, sowohl von der Konzeption als auch von den organisatorischen Dimensionen erleben. Der Leser erweitert seinen Horizont durch den Blick auf völlig neue Aspekte frühkindlicher Bildungseinrichtungen. Der Titel des Buches wird dem Inhalt sehr anschaulich gerecht, der Untertitel des Buches „Was Deutschland von anderen lernen kann“ erschließt sich weniger. Die Darstellung der Paradigmen, überschrieben mit der Schlagzeile „Von der Welt lernen – Eine perspektivische Erweiterung der deutschen Didaktik“ (110) wirkt wenig stringent. Hier gerät die Darstellung zu einer eher zufälligen Materialsammlung. Eine kritische Diskussion durch den Autor selbst wäre wünschenswert gewesen. Die angehängte Fotostrecke zeigt natürlich berühmte Sehenswürdigkeiten des jeweiligen Landes. Aber auch Kinder und Erwachsene der besuchten Einrichtungen treten ins Bild. Es fällt auf, dass die dankende Erwähnung dieser Personen fehlt, ebenso findet man Verwechslungen bei Bildunterschriften (133 und 134), Fotos in gleicher Situation mit unterschiedlichen Bildunterschriften (137) und irritierende Bildunterschriften: „Schulweg mit Löwen“ (139). Letzteres deutet auf eine möglicherweise sehr rasche Fertigstellung des Buches hin. Es bleibt aber insgesamt zu sagen, dass die KITAS dieser Welt die Reise mit Horst Küppers wert sind!
Rezension von
Christiane Bartosch
Kunsthistorikerin und Pädagogin
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