Hamid Peseschkian, Arno Remmers: Positive Psychotherapie
Rezensiert von Prof. Dr. Mark Galliker, 22.08.2013

Hamid Peseschkian, Arno Remmers: Positive Psychotherapie. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2013. 224 Seiten. ISBN 978-3-497-02345-5. D: 24,90 EUR, A: 25,60 EUR, CH: 35,50 sFr.
Thema
Im vorliegenden Buch wird ausschließlich die Positive Psychotherapie nach Nossrat Peseschkian beschrieben. Nur am Rande behandelt wird die Positive Psychologie (u.a. nach Martin Seligman, Mihaly Csikszentmihalyi), so wie sie sich in den letzten Jahren innerhalb des Mainstreams der akademischen Psychologie bzw. der Kognitiven Psychologie herausgebildet hat (vgl. hierzu u.a. Fredrike Bannink, 2012. Praxis der positiven Psychologie. Göttingen: Hogrefe). Seligman hatte im Jahre 1998 mit seiner Rede als Präsident der American Psychological Association (APA) den Grundstein für die Entwicklung der Positiven Psychologie gelegt. Indessen lag Nossrat Peseschkians Schrift „Positive Psychotherapy“ bereits seit 1987 in englischer Sprache vor und wurde von den Autoren der „Positive Psychology“ bis dato nicht zitiert.
Ähnlich wie in der Positiven Psychologie die „Tugenden“ relevant sind, wird in der Positiven Psychotherapie den „Fähigkeiten“ große Bedeutung beigemessen, wobei zwischen ‚Primären Fähigkeiten‘ (‚Liebesfähigkeiten‘ wie Liebe, Annahme, Geduld, Zutrauen, Zärtlichkeit, Hoffnung usw.) und ‚Sekundären Fähigkeiten‘ (‚Erkenntnisfähigkeiten‘ wie Offenheit, Leistung, Zuverlässigkeit, Ordnung, Pünktlichkeit, Höflichkeit usw.) unterschieden wird. Die verschiedenen Fähigkeiten können bei einem Individuum in Widerspruch zueinander geraten.
Die Unterschiede der Positiven Therapie zur Positiven Psychologie liegen in der Strukturierung des Behandlungsprozesses sowie in der Betonung der Psychodynamik. Während es sich bei der Positiven Psychotherapie um einen humanistisch-psychodynamischen Ansatz handelt, erweist sich der Ansatz der Positiven Psychologie, der auf dem empirisch-analytischen Wissenschaftsverständnis basiert, als weitgehend funktionalistisch.
Nossrat Peseschkian, der Pionier der Positiven Psychotherapie, verwendete den Begriff „positum“ primär als Ausdruck für das Vorhandene, das Gegebene, das Tatsächliche (vgl. S. 39). Zum Begriff des Positiven im erkenntnistheoretischen Sinne als Anerkennung des Gegebenen (‚Positivismus′) kommt die Affirmation in einem evaluativen Sinne hinzu (‚Positive Bewertung′ des Gegebenen und des mit ihm Möglichen). Beispielsweise ist die bei einem Patienten vorhandene Angst (auch) die Fähigkeit, „die Zukunft nicht dem Zufall zu überlassen“ (vgl. S. 115).
Der Therapeut intendiert nicht primär, eine bestehende Störung zu beseitigen, sondern für ihn geht es vor allem darum, die Fähigkeiten und Selbsthilfepotentiale des Patienten zu mobilisieren. Auch im scheinbar ‚nur Negativen′ wird das Positive ‚wahr-genommen′. Konsequent wird von den meistens zu Beginn der Therapie noch verdeckten Kapazitäten und Kompetenzen des Patienten ausgegangen. So offenbaren sich bei einer Positiven Psychotherapie im Rahmen des Strafvollzugs im Delikt des Patienten (z.B. Bankraub) früher oder später auch positive Einstellungen und Fähigkeiten, wenngleich Letztere in ihrer bisherigen Ausführung natürlich gesellschaftlich nicht zulässig sind. Die sich im abwegigen Verhalten manifestierenden Kräfte werden „als einseitige Reaktion auf das Dilemma zwischen vorhandenen Konzepten und ‚zu kurz gekommenen′, noch nicht entwickelten Fähigkeiten gesehen“ (S. 40).
Generell betrachtet die Positive Psychotherapie Symptome als Reaktionen auf Konflikte. Die Therapeuten begleiten die Patienten zu den verborgenen Konfliktinhalten, die zu ihren Aggressionen, Leidenschaften und/oder Leiden führten. Es gilt, die in den abweichenden Verhaltensweisen oder Symptomen verhärteten Ressourcen freizulegen, sie als verdinglichte aufzulösen und für die Person gewinnbringend zu entwickeln.
Autoren
Der Erstautor, Dr. med. habil. Hamid Peseschkian, 1962 in Wiesbaden geboren, ist Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie in Wiesbaden. Als ältester Sohn von Nossrat Peseschkian ist er Leiter eines psychotherapeutischen Ausbildungsinstituts mit Institutsambulanz. Er ist Präsident der World Association for Positive Psychotherapy (WAPP) und Vorstandsmitglied des Dachverbandes für Transkulturelle Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im deutschsprachigen Raum e.V. (DTPPP).
Der Zweitautor, Arno Remmers, 1952 in Gießen geboren, ist Psychotherapeut, Lehrtherapeut und Supervisor an der Wiesbadener Akademie für Psychotherapie. Er arbeitet als Trainer und Board Member des Weltverbandes für Positive Psychotherapie. Außerdem ist er Weiterbildungsermächtigter für Psychotherapie der Landesärztekammer Hessen sowie Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (DET).
Entstehungshintergrund
Begründer der Positive Psychotherapie ist der deutsch-iranische Neurologe, Psychiater und Psychotherapeut Nossrat Peseschkian, der 1933 im Iran geboren wurde und 2010 in Deutschland verstarb. Er entwickelte die Positive Psychotherapie ab Mitte der 1970er Jahre. Er selbst schrieb hierzu: „Eine wichtige Motivation für den Ansatz der ‚Positiven Psychotherapie‘ mag gewesen sein, dass ich mich in einer transkulturellen Situation befinde. Als Perser (Iraner) lebe ich seit 1954 in Europa. In dieser Situation wurde ich darauf aufmerksam, dass viele Verhaltensweisen, Gewohnheiten und Einstellungen in den beiden Kulturkreisen unterschiedlich bewertet wurden.“ (S. 21)
Bis 1977 war die sog. Differenzierungsanalyse das wichtigste Konzeptfür das klinische Verständnis von Nossrat Peseschkian. Er betrachtete es als besondere Herausforderung, Menschen aus diversen Kulturen und sozialen Kontexten psychotherapeutisch behandeln zu können. Dabei sollte die Einzigartigkeit jedes Menschen erkannt und genutzt werden. Die Differenzierungsanalyse sollte jedem besonderen Patienten ermöglichen, die für ihn geeignetste Therapie zu finden. „Wesentliche Schwierigkeit vieler Patienten ist weniger mangelnde Motivation, einen Psychotherapeuten aufzusuchen, sondern Unsicherheit darüber, welcher Psychotherapeut für welche Störung zuständig ist. Diese Frage kann nur von einem umfassenderen System aus beantwortet werden, das die Vielzahl der bestehenden psychotherapeutischen Orientierungen zusammenfassen und nach ihren Schwerpunkten gewichten kann. Ein solches System stellen wir mit der Positiven Psychotherapie vor, die nicht nur psychotherapeutische Methode, sondern auch Metatheorie ist. Nicht der Patient muss sich an eine zufällig vorgegebene Methodik anpassen, sondern umgekehrt: Die Methodik wird entsprechend den sich wandelnden psychotherapeutischen Bedürfnissen des Patienten ausgewählt.“ (S. 16)
Nach Hamid Peseschkian und Arno Remmers war das Schreiben des vorliegenden Buches, das sie in Dankbarkeit und liebevoller Erinnerung Nossrat Peseschkian widmeten, ein Anlass, ihre tägliche therapeutische Tätigkeit in der Behandlung und Ausbildung zu reflektieren. Dabei haben sie, so ihre Anmerkung, mit Kollegen und Kolleginnen verschiedener Länder „methodenkritisch über die theoretischen Grundlagen der Methode diskutiert“ (vgl. S. 149).
Aufbau
Das Buch „Positive Psychotherapie“ besteht aus sieben Kapiteln. Nach einer Einführung (Überblick, Methodische Einordnung, Anwendungsfelder, Charakteristika) folgen die Kapitel Geschichte, Theorie, Therapeutischer Prozess, Evaluation, Entwicklung und Ausblick.
Abgeschlossen wird die Schrift mit einem Anhang, der u.a. das Differenzierungsanalytische Inventar (DAI), das Erstinterview in der Positiven Psychotherapie und das Wiesbadener Inventar zur Positiven Psychotherapie und Familientherapie (WIPPE) beinhaltet.
Inhalt
In theoretischer Hinsicht ist das auf einem ganzheitlichen Menschenbild beruhende Balancemodell das Herzstück der Positiven Psychotherapie. „Dem Balancemodell liegt die Auffassung zugrunde, dass es im Wesentlichen vier große Lebensbereiche gibt, in denen der Mensch lebt und wirkt. Diese Bereiche beeinflussen seine Lebenszufriedenheit, sein Selbstwertgefühl, seinen Umgang mit Konflikten (...) und prägen seine Persönlichkeit im Hier und Jetzt.“ (S. 41)
Im Balancemodell werden die biologisch-körperlichen, die rational-intellektuellen, die sozio-emotionalen sowie die geistig-spirituellen Lebensbereiche der Menschen berücksichtigt (S. 48ff.):
- Biologisch-körperlicher Lebensbereich: Körperliche Wahrnehmung und Aktivität beim Essen, Trinken, Schlafen, Zärtlichsein, Sporttreiben usw.
- Rational-intellektueller Lebensbereich: Leistungsfähigkeit und Tätigkeiten im Berufsleben sowie bei der Ausbildung, Weiter- bzw. Fortbildung. Haushaltsarbeit, Mitgliedschaft in einem Verein, Freizeitgestaltung wie beispielsweise Gartenarbeit.
- Sozio-emotionaler Lebensbereich: Beziehung in Partnerschaft und Familie, mit Freunden, Bekannten sowie Kontaktaufnahme mit Fremden, soziales Engagement usw.
- Geistig-spiritueller Lebensbereich: Religionsausübung, Lebenssinn, Nachdenken, Meditation, Imagination, Zukunftsperspektive usw.
Wenn keiner der vier Lebensbereiche vernachlässigt und die Energie möglichst gleichmäßig auf die vier Bereiche verteilt werde, also eine Balance der Lebensenergie angestrebt werde, entstehe die Grundlage für künftige Gesundheit und Widerstandsfähigkeit. „Ein Ziel der psychotherapeutischen Behandlung ist es, dem Patienten zu helfen, seine eigenen Ressourcen zu erkennen und zu mobilisieren mit dem Ziel, die vier Bereiche in ein dynamisches Gleichgewicht zu bringen.“ (S. 42)
Die primär tiefenpsychologisch ausgerichtete Positive Psychotherapie beschränkt sich indes nicht auf die bewusste Lebensgestaltung, sondern nimmt auch die Existenz des Unbewussten als gegeben an. Dabei orientiert sie sich eher am Begriff des Unbewussten aus der Analytischen Psychologie als an dem aus der Klassischen Psychoanalyse, wenngleich mehr noch als bei Jung das Unbewusste im transkulturellen Vergleich verstanden und von den diversen gesellschaftlichen Ausgestaltungen nicht abstrahiert wird. „In zunehmendem Maße sind menschliche Konflikte kulturell bedingt, d.h. sie sind auf kulturell bedingte Missverständnisse zurückzuführen. Diese haben im Zeitalter der Globalisierung und Technologisierung auch eine sozio-politische Dimension. Auch geht es darum, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Arbeit mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen herauszuarbeiten und diese bewusst zu machen. Wie diese Veränderungen für die bisher stark westlich geprägte Psychotherapie aussehen werden, vor allem wenn Kulturen, wie die Russlands oder Chinas, sich verstärkt einbringen werden, kann heute nicht einmal erahnt werden“ (S. 70).
Demnach bedeutet aus der Perspektive der Positiven Psychotherapie gesehen Transkulturelle Psychotherapie zunächst die Beantwortung der beiden folgenden Grundfragen:
- Was haben alle Menschen gemeinsam?
- Wodurch unterscheiden sie sich?
Der transkulturelle Ansatz, der wie ein roter Faden die gesamte Positive Psychotherapie durchzieht, zeigt sich in der therapeutischen Alltagspraxis besonders im Gebrauch von orientalischen Märchen, Geschichten, Spruchweisheiten und Sprachbildern sowie in der Berücksichtigung entsprechender Sozialisationsnormen. Diese kulturellen Mittel werden vom Therapeuten assoziativ, supportiv oder konfrontativ eingesetzt, um den Patienten zu ermöglichen, ihren auf die eigene Geschichte fixierten Gesichtswinkel zu erweitern und ihre Konfliktlage zu relativieren. Damit werden die angesprochenen Patienten zu einer positiveren Sichtweise ihrer selbst geführt. Mit den kulturellen Hilfsmitteln vermag sich der seelisch Leidende von seiner mitunter kulturell eingeschränkten Sichtweise zu befreien und auch jene Entwicklungspotentiale besser auszuschöpfen, die in der Kultur, in der er aufgewachsen ist, nicht zum Zuge gekommen sind, weil sie dort brachliegen oder abgewertet werden. „Diese Berücksichtigung der Einzigartigkeit des Menschen, der Relativität menschlichen Verhaltens und einer ‚Einheit in der Vielfalt′ ist ein wesentlicher Grund, weshalb die Positive Psychotherapie nicht als ‚westliche‘ Methode im Sinne einer ‚psychologischen Kolonisierung‘ (...) erlebt wird, sondern als eine kultursensible Methode, die modifiziert auf die jeweilige Kultur und Lebensumstände angewandt werden kann.“ (S. 71)
Dabei wird sukzessive vorgegangen unter Einbezug möglichst vieler sich ergebender kultureller und sozialer Voraussetzungen. Die Vertreter der Positiven Psychotherapie verstehen die Therapie als Prozess. Der therapeutische Prozess erfolge in fünf Abschnitten oder „Stufen“ (vgl. S.92 ff.):
- Beobachtung und Distanzierung: Vor allem geht es um eine ‚Bestandsaufnahme der Situation‘ sowie um das ‚emotionale Annehmen der Patienten‘. Die Symptome werden in ihrer Funktion und Auswirkung auf die Lebensbereiche verstanden – nicht zuletzt mit Hilfe von transkulturellen Vergleichen und Sprachbildern.
- Inventarisierung: Auf der zweiten Stufe besteht die Aufgabe der Gesprächspartner darin, die Zusammenhänge zu erkennen, die Vorgeschichte der Konfliktverarbeitung zu klären und damit die Hintergründe der Konzepte und Missverständnisse so zu ordnen, dass die Patienten ein Verständnismodell für sich selbst entwickeln können.
- Situative Ermutigung: Die Stärken der Patienten werden reflektiert und ihre Ressourcen entwickelt. In den verschiedenen Kontexten werden die Patienten ‚aufgewertet′ und zur Entwicklung ihrer Kompetenzen ermutigt.
- Verbalisierung: Aktualfähigkeiten, die sich in der therapeutischen Beziehung wiederholen und an die früheren Erlebnisse erinnern, werden bewusst. Eine Balance zwischen den oft widersprüchlichen Fähigkeiten Offenheit und Höflichkeit wird hergestellt, so dass der Patient Verantwortung für Veränderungen übernehmen kann.
- Zielerweiterung: Schließlich wird der Patient dazu angeregt, sich mit folgender Frage zu beschäftigen: „Was mache ich, wenn ich diese Probleme nicht mehr habe?“ Diese letzte Stufe des therapeutischen Prozesses kann als Rückfallprophylaxe verstanden werden.
Die Strukturierung des an sich spontan ablaufenden kommunikativen Prozesses wird vom Therapeuten durch entsprechende Einleitungsfragen, Geschichten und Assoziationshilfen moderiert. Diese Vorgehensweise gibt dem Therapeuten sowie dem Patienten Halt und Sicherheit und bereitet den Patienten rechtzeitig auf die Konfliktbearbeitung und Selbsthilfe in der Zeit nach der Therapie vor.
Diskussion
Die Vertreter der Positiven Psychotherapie betrachten sich als Vermittler zwischen verschiedenen psychotherapeutischen Schulen und Lebensformen. Neben ihrem eigenen psychodynamischen Ansatz werden in der Therapie verschiedene andere Vorgehensweisen aktualisiert, die entweder aus anderen westlichen Therapiearten stammen oder anderen Kulturen entnommen werden.
Es stellt sich die Frage, ob der Ansatz der Positiven Psychotherapie, den die Autoren als interdisziplinären Ansatz verstehen, als eklektisch zu bezeichnen ist. Nossrat Peseschkian konzipierte seine Methode ursprünglich aus der psychodynamischen Praxis heraus, die seinerzeit noch defizitorientiert war. Er ergänzte sie mit seinem großen kulturellen Wissen sowie mit Elementen der damals aufkommenden Humanistischen Psychologie und Psychotherapie, insbesondere mit Elementen des Personzentrierten Ansatzes respektive der Gesprächspsychotherapie, worauf jedoch im vorliegenden Buch nicht näher eingegangen wird (z.B. ganzheitliches Menschenbild, Orientierung an den Ressourcen des Patienten, Haltungen des Therapeuten v.a. im ersten Abschnitt des therapeutischen Prozesses). Im Weiteren wurden in die Positive Psychotherapie auch Elemente der Familientherapie, der Kognitiven Verhaltenstherapie, der Positiven Psychologie sowie der Salutogenese eingebaut.
Die Autoren antworten auf den ihnen wohl bekannten Vorwurf des Eklektizismus mit einem Zitat aus einem Werk des Begründers der Positiven Psychotherapie, das sich mit der Entstehung, der Häufigkeit, der Form und der Therapie der psychischen Erkrankungen in verschiedenen Kulturen befasst: „Dieser Eklektizismus (ist) systematischer Art und keine bloße Aneinanderreihung von Verfahren. Es wird genau festgelegt, warum und wann in der Psychotherapie welche Methode angewendet werden kann. Der scheinbare Eklektizismus ist somit Antwort auf die Vielfalt der Störungen und individuellen Verarbeitungsmöglichkeiten, die jeweils ihr besonderes Heilmittel brauchen.“ (145f., zit. nach Nossrat Pesechkian, 1991, S. 28f.)
Dennoch stellt sich die Frage, wie sich der tiefenpsychologische Ansatz mit dem Ansatz der Kognitiven Verhaltenstherapie oder dem Personzentrierten Ansatz wissenschaftstheoretisch vereinbaren lässt, zumal auf neuere Befunde der empirischen Psychologie, insbesondere der Kognitiven Psychologie und der Positiven Psychologie, kaum eingegangen wird (vgl. hierzu etwa das Kapitel „Auslaufmodellvorstellungen“ im „Lexikon der Psychoirrtümer“ von Rolf Degen, 2002/2008, München: Piper, S. 183-220).
Fazit
Am Ende des vorliegenden Buches werden die Leser/innen direkt angesprochen: „Liebe Leserinnen und Leser, wir wünschen Ihnen, dass Sie das Buch als eine anregende Landkarte nutzen können, um neue Wege zum Menschen zu finden“ (S. 149). Tatsächlich ist die „Positive Psychotherapie“ in vielerlei Hinsicht stimulierend. Auch wenn die theoretische Integration sowie die empirische Überprüfung noch unvollständig sind, vermag das Buch neue Wege aufzuzeigen oder zumindest auf Wege hinzuweisen, die bisher selten begangen wurden. Insbesondere die Berücksichtigung kultureller Faktoren und das Aufzeigen der Einzigartigkeit jeder Therapie verdient eine große Leserschaft. Das Buch ist spannend geschrieben und auch für Laien leicht zu lesen, nicht zuletzt deshalb, weil einige ebenso anschauliche wie aufschlussreiche Beispiele von Patienten angeführt werden. Dieselben werden von den Autoren im Verlaufe der Darlegung ihrer Position immer wieder aufgegriffen und vermögen damit den zunächst eher theoretisch konzipierten therapeutischen Prozess zu konkretisieren.
Rezension von
Prof. Dr. Mark Galliker
Institut für Psychologie der Universität Bern
Eidg. anerkannter Psychotherapeut pca.acp/FSP
Mitglied der Schweizerischen Gesellschaft für den Personzentrierten Ansatz
Weiterbildung, Psychotherapie, Beratung (pca.acp).
Redaktion der Internationalen Zeitschrift für Personzentrierte und Experienzielle Psychotherapie und Beratung (PERSON).
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Es gibt 16 Rezensionen von Mark Galliker.
Zitiervorschlag
Mark Galliker. Rezension vom 22.08.2013 zu:
Hamid Peseschkian, Arno Remmers: Positive Psychotherapie. Ernst Reinhardt Verlag
(München) 2013.
ISBN 978-3-497-02345-5.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/15144.php, Datum des Zugriffs 25.03.2023.
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