Christof Loose, Peter Graaf et al. (Hrsg.): Schematherapie mit Kindern und Jugendlichen
Rezensiert von Thomas Buchholz, 01.11.2013

Christof Loose, Peter Graaf, Gerhard Zarbock (Hrsg.): Schematherapie mit Kindern und Jugendlichen. Mit Online-Materialien. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2013. 349 Seiten. ISBN 978-3-621-28014-3. D: 39,95 EUR, A: 41,10 EUR, CH: 50,50 sFr.
Thema
Die Schematherapie steht in der Tradition der kognitiven Verhaltenstherapie und wird der sog. dritten Welle zugeordnet. Im Rahmen dieser dritten Welle im Allgemeinen und durch den Ansatz der Schematherapie im Speziellen nähert sich die kognitive Verhaltenstherapie psychodynamischen Ansätzen an. Auch Einflüsse anderer Ansätze, wie der Transaktionsanalyse und der Gestalttherapie, sind in der Schematherapie deutlich zu spüren.
Die Schematherapie findet insbesondere Anwendung bei Persönlichkeits- aber auch bei affektiven Störungen, wie Depression oder Angsterkrankungen, sowie bei Patienten mit Essstörungen oder in der Paartherapie, insbesondere bei langjährigen Beziehungskonflikten. Sie ist besonders gut für erwachsene Betroffene ausgearbeitet. Mit dem vorliegenden Buch gehen die Autoren nun einen Schritt weiter und zeigen Möglichkeiten auf, wie die Schematherapie auch in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen Anwendung finden kann. Das Buch zeichnet sich neben einer theoretischen Einführung insbesondere auch durch einen großen Praxisteil aus, in dem der Leser/die Leserin erfährt, wie eine Behandlung von Kindern und Jugendlichen nach dem Ansatz der Schematherapie ausgestaltet werden kann und welche Techniken und Vorgehensweisen sich im Möglichkeitsfeld der Schematherapie befinden.
Das angesprochene Altersspektrum reicht dabei über die gesamten Lebensspannen der Kindheit und des Jugendalters, also vom Säugling bis zum jungen Erwachsenen. Darüber hinaus nehmen die Autoren auch die Arbeit mit den Eltern in den Fokus, denn gerade bei jüngeren Kindern muss sich die Behandlung verstärkt auch auf die Interaktion zwischen Eltern und Kind konzentrieren.
Autoren
Das Autorenteam setzt sich aus Psychologischen Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zusammen, die langjährige Erfahrung in der Anwendung schematherapeutischer Konzepte und Zugänge haben. Die Autoren sind entweder in niedergelassen Praxen in der psychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen tätig oder in der Aus- bzw. Weiterbildung von Therapeuten bzw. Psychologen.
Aufbau und Inhalt
Das Buch beginnt mit einer allgemeinen Einführung in die Schematherapie (Kapitel 1). Neben entwicklungspsychologischen Aspekten wird in knapper Form grundlegend in das schematherapeutische Modell eingeführt. Dabei wird z.B. beschrieben, was Schemata und Modi sind und es wird auf das Modustransaktionsmodell eingegangen. Anschließend übertragen die Autoren das schematherapeutische Modus-Konzept auf Kinder- und Jugendliche und gehen dabei insbesondere auf altersspezifische Besonderheiten der Schematherapie ein.
In den Kapiteln 2-6 vertiefen die Autorinnen und Autoren die in Kapitel 1 kurz angerissenen altersspezifischen Besonderheiten. Dabei stellen sie die schematherapeutische Arbeit mit folgenden Altersgruppen vor: Säuglinge bis Kleinkinder (Kapitel 2), Kinder im Vorschulalter (Kapitel 3), Kinder im Grundschulalter (Kapitel 4), Kinder in der Pubertät (Kapitel 5) und die Altersgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen (Kapitel 6).
Konkrete methodische Hinweise zu kindbezogenen Techniken und Vorgehensweisen präsentieren die Autorinnen und Autoren in Kapitel 7 des Buches. Das Kapitel wird eingeleitet mit Überlegungen zu Therapiemotivation und zum Beziehungsaufbau. Die Autoren betonen an dieser Stelle, dass insbesondere für die schematherapeutische Behandlung von Kindern und Jugendlichen ein gelungener Beziehungsaufbau relevant ist. Dies gilt jedoch nicht nur für schematherapeutisch orientierte Behandlungskonzepte sondern für Psychotherapie im Allgemeinen. Im Kontext der Schematherapie zeichnen sich aber Beziehungsaspekte als relevant ab, die z.B. im Konzept der „begrenzten Nachbeelterung“ des Patienten durch den Therapeuten als therapeutische Intervention ihre Anwendung finden. „Roediger … spricht im therapeutischen Kontext von einem ‚Labor der Nachreifung‘, d.h. vor dem Hintergrund frustrierter Bedürfnisse soll eine nachträgliche Befriedigung erfolgen“ (S. 186).
Neben dieser für die Schematherapie zentralen Intervention werden weitere kindgerechte bzw. altersspezifisch anzuwendende Techniken und Verfahren vorgestellt. Für einen Überblick werden an dieser Stelle die wichtigsten Techniken genannt: Empathische Konfrontation (Kapitel 7.4), Modusorientierte Spieltherapie (Kapitel 7.5), die Arbeit mit Geschichten in der Schematherapie (Kapitel 7.6), Psychoedukation (Kapitel 7.7), die Anwendung von Zeichnungen und kreativen Materialien in der Schematherapie (Kapitel 7.8), die Stuhltechnik in der Anwendung mit Kindern ab 9 und Jugendlichen (Kapitel 7.9), die Modusarbeit mit Puppen und anderen Figuren (Kapitel 7.10), die Arbeit am „Inneren Haus“ (Kapitel 7.11) und Imaginationstechniken in der Schematherapie (Kapitel 7.12).
Da die Elternarbeit insbesondere in der Behandlung von Kindern und zum Teil auch noch in der Behandlung von Jugendlichen einen sehr hohen Stellenwert einnimmt, widmen die Autoren das Kapitel 8 elternbezogenen Techniken und Vorgehensweisen. Damit bringen die Autoren notwendigerweise eine systemische Perspektive in die schematherapeutische Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und deren Eltern ein. Neben einer grundlegenden Einordnung der Elternarbeit in das schematherapeutische Konzept (Kapitel 8.1) wird der Blick wie schon erwähnt um eine systemische Perspektive erweitert (Kapitel 8.2). In Kapitel 8.3 beleuchten die Autoren, wie bei Eltern Modi aktiviert werden können und welche Rolle diese inneren Anteile bei Eltern in der Interaktion mit dem Kind bzw. Jugendlichen spielen. Die Rolle des Therapeuten gegenüber den Eltern wird in Kapitel 8.4 näher beschrieben. Dabei reicht das von den Autoren zugeschriebene Aufgabenspektrum von der Diagnostik elterlicher Schemata und Modi (Kapitel 8.5) über die Edukation der Eltern (Kapitel 8.6) bis hin zur therapeutischen Intervention bei dysfunktionalen elterlichen Schemata und Modi (Kapitel 8.7). Das Kapitel wird mit einem Fallbeispiel zur Darstellung der verschiedenen Interventionsmöglichkeiten abgeschlossen.
Mit dem Therapieantrag befassen sich die Autoren in Kapitel 9. Hierbei gehen sie auf Besonderheiten ein, wenn man nach dem schematherapeutischen Konzept arbeitet. Im letzten Kapitel geben die Autoren einen Überblick über nationale und internationale Entwicklung im Bereich der Schematherapie. Darüber hinaus erhält der Leser einen Überblick darüber, inwieweit der schematherapeutische Ansatz in Fort- und Weiterbildung sowie Supervision zur Anwendung kommt.
Diskussion
Über das gesamte Buch hinweg wird der Arbeit mit den Eltern ein sehr hoher Stellenwert eingeräumt. Das ist in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie üblich, denn je jünger ein Kind ist, desto stärker sollte der Einbezug der Eltern sein. Erst mit zunehmenden Altern kann der Einbezug der Eltern abnehmen. Dies wird in dem Buch insoweit berücksichtigt, als dass die Einbeziehung der Eltern mindestens bis zur Pubertät des jungen Patienten vorgesehen ist. Die Autorinnen und Autoren sprechen davon, dass Eltern „gecoacht“ werden. „Die Eltern zu ‚coachen‘ … stellt die wohl wichtigste primäre Prävention psychischer Störungen dar und erspart die spätere ‚Nachbeelterung‘ durch den Therapeuten“ (S. 13). Wie fließend jedoch der Übergang vom Coaching zur Therapie ist, wird an mehreren Stellen deutlich, wenn es z.B. heißt: „Therapeutische Intreventionen müssen daher tief sitzende Verletzungen bei Eltern berücksichtigen“ (S. 283). „Elternarbeit kann auch therapeutische Sequenzen beinhalten, wenn in einzelnen Sitzungen Ursprünge von Schemata bei Eltern exploriert werden. Dabei kann tiefer Schmerz, Wut und Scham im Elterngespräch offenkundig werden und sollte auch mit therapeutischen Methoden beantwortet werden“ (S. 287). Auch wenn die Autoren davon ausgehen, dass nicht in jedem Fall die therapeutische Arbeit an den Schemata bzw. Modi der Eltern nötig ist, so bleibt doch der Eindruck zurück, dass das „Coaching“ in einigen Fällen schnell in eine Therapie für die Eltern überzugehen droht. Denn die Arbeit mit den Eltern zielt darauf ab, dass sie ihre eigenen zugrunde liegenden Schemata kennenlernen und diese modifizieren, um als kompetente Eltern auftreten zu können. Daraus ergibt sich eine Reihe von Anschlussfragen, insbesondere für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, die nicht in jedem Fall auch gleichzeitig eine Behandlungserlaubnis für erwachsene Patienten haben. An welcher Stelle der Behandlung ist also der Punkt erreicht, an dem die Arbeit mit den Eltern zur Therapie für die Eltern wird? Werden die Eltern im Behandlungsprozess zu Patienten, darf (zumindest im Fall der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten) schon allein aus berufspolitischen, haftungsrechtlichen und finanziellen Eigeninteressen (abgesehen von Bezugspersonenstunden wurde die Therapie für das Kind genehmigt) die Behandlung der Eltern nicht fortgeführt werden. Fachlich ist also in einigen Fällen die Therapie eines oder beider Elternteile geboten, praktisch gesehen ergeben sich daraus eine Reihe von offenen Fragen, die es noch weiter zu klären gilt.
Zuletzt sei noch auf die umfangreichen Online-Materialien hingewiesen. Es finden sich im Online-Bereich des Verlages zahlreiche Zusatzmaterialien, die als Ergänzung des Buchtextes oder als Arbeitsmaterialien für die Therapie (z.B. für Hausaufgaben oder als Psychoedukation des Patienten) zum Download angeboten werden. Dieses zusätzliche Angebot des Verlages dürfte insbesondere für praktisch tätige Therapeuten hilfreich sein.
Fazit
Das Buch führt grundlegend und praxisnah in die Schematherapie mit Kindern, Jugendlichen und deren Eltern ein. Es richtet sich an praktizierende Therapeuten und Therapeutinnen, die sich nicht nur einen Überblick über das schematherapeutische Konzept im Kontext der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie verschaffen wollen, sondern sich über konkrete schematherapeutische Vorgehensweisen und Techniken informieren wollen. Dabei stehen „erlebnisaktivierende Techniken sowie [Hinweise zur] Beziehungsgestaltung, die sich an dem Verhalten ‚fürsorgliche Eltern‘ orientiert“ (S. 13), im Vordergrund. Gleichwohl verweisen die Autoren und Autorinnen bereits am Beginn des Buches darauf, dass die Übertragung der Schematherapie auf die Behandlung von Kindern und Jugendlichen am Anfang steht und somit noch in der Entwicklung ist.
Rezension von
Thomas Buchholz
M.A.
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