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Dagmar Oberlies: Strafrecht und Kriminologie für die soziale Arbeit

Rezensiert von Prof. Dr. Ulla Törnig, 02.10.2014

Cover Dagmar Oberlies: Strafrecht und Kriminologie für die soziale Arbeit ISBN 978-3-17-021637-2

Dagmar Oberlies: Strafrecht und Kriminologie für die soziale Arbeit. Eine Einführung. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2013. 291 Seiten. ISBN 978-3-17-021637-2. 29,90 EUR.
Reihe: Grundwissen soziale Arbeit - Band 12.

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Thema

Dem Titel gemäß geht es um die Vermittlung von Grundkenntnissen zum Strafrecht und zur Kriminologie für die Soziale Arbeit, wie sie - nicht nur- für Aufgaben des Sozialen Dienstes im Strafverfahren erforderlich sind. Auch im sonstigen Praxisalltag müssen Fachkräfte Sozialer Arbeit psychosoziale Befunde erheben, diese dann wissenschaftlich einordnen und Hypothesen bilden, um auf dieser Grundlage ihren Klienten Information und Orientierung bieten zu können.

Autorin

Dr. Dagmar Oberlies ist Professorin für Recht an der Fachhochschule Frankfurt am Main, Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit. Strafrecht und Kriminologie bilden hier einen Schwerpunkt ihrer Lehrtätigkeit. Als frühere Rechtsanwältin sind ihr die Rechtsfragen und Alltagsprobleme aus eigener Praxis bekannt.

In der Lehre geht es Dr. Dagmar Oberlies nicht in erste Linie um die Vermittlung von Rechtskenntnissen, wie sie für Juristen notwendig sind. Im Mittelpunkt steht vielmehr die Wissensvermittlung zur Erfüllung originär sozialarbeiterischer/-pädagogischer Aufgaben.

Entstehungshintergrund

Das Buch ist erschienen in der Reihe „Soziale Arbeit, Grundwissen“, herausgegeben von Rudolf Bieker, die den Anspruch erhebt durch ein überschaubares Volumen, Verständlichkeit der Sprache Anschaulichkeit und Theorie-Praxis-Verknüpfung Studierenden Grundwissen, auch für das Selbststudium zu vermitteln.

Aufbau und Inhalt

In Kapitel 1 „Einführung“ werden Grundbegriffe und -erkenntnisse des Strafrechts und der Kriminologie erläutert. Vor allem aber wird ein kompakter Überblick über das gesamte materielle Strafrecht, inklusive der Rechtsfolgen, auch des Jugendstrafrechts gegeben. Mittels statistischer Zahlen die Relevanz der einzelnen Themen und Aspekte aufgezeigt.

In ihrem „Überblick über das Strafverfahren und die Beteiligten“ (Kapitel 2) zeigt die Autorin zunächst die Verfahrensabschnitte, beginnend mit dem Ermittlungsverfahren, bis hin zum Vollstreckungsverfahren auf und erläutert dabei die wichtigsten handlungsleitenden Prinzipien. Auf Besonderheiten des Jugendstrafverfahrens wird jeweils hingewiesen. Besonders Augenmerk gilt der Rolle der Sozialen Arbeit innerhalb des Strafrechtssystems; dies vor allem im Zusammenspiel mit den Verfahrensbeteiligten Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht, deren Aufgaben in diesem Kapitel aufgezeigt werden. In diesem Kontext werden die Berufsbilder der Straffälligenhilfe vorgestellt. Den Abschluss bilden Ausführungen zu Beschuldigten und deren Verteidigern sowie Zeugen und deren Beistände und Hinweisen darauf, inwieweit die unmittelbar Betroffenen (Beschuldigte und Geschädigte) auch Klienten der Sozialen Arbeit sein können.

Nach der ausführlichen Beschreibung strafrechtlicher und prozessualer Rahmenbedingungen steht die Darstellung der „Soziale Arbeit im Kontext von Strafverfahren“ im Mittelpunkt des 3. Kapitels. Anhand verschiedener Delikte (beispielsweise Eigentumsdelikte, Gewaltdelikte) und Lebenssituationen (beispielsweise Schwangerschaft, Leben in der Illegalität) wird hier zunächst die Relevanz strafrechtlicher Kenntnisse im Berufsalltag von Fachkräften Sozialer Arbeit anschaulich und praxisnah dargestellt. Ein umfassendes Unterkapitel ist dann der Sozialen Arbeit mit Beschuldigten gewidmet, indem die Arbeitsfelder der Straffälligenhilfe näher beleuchtet werden. Im Einzelnen finden sich Ausführungen zu den Berufsbildern Jugendgerichtshilfe, Gerichtshilfe, Bewährungshilfe, Sozialdienst im Vollzug aber auch zur Arbeit freier Träger in diesem Kontext (Soziale Trainingskurse, Täter-Opfer-Ausgleich, gemeinnützige Arbeit, freie Straffälligenhilfe). Für all diese Tätigkeiten werden Auftrag, Rolle, Konflikte, Arbeitsweisen, Tätigkeit, Organisation und Qualifikation gesondert erläutert. Das letzte Unterkapitel enthält dann – in gleicher Systematik – nochmal Ausführungen zur die Arbeit mit Geschädigten.

In Kapitel 4 „Wissenschaftlich fundierte sozialarbeiterische Intervention im Kontext des Strafverfahrens“ schließlich wird konkret aufgezeigt, wie es gelingt sich mit strafrechtlich, kriminologischen Fachwissen in der Fallarbeit beruflich als Fachkraft Sozialer Arbeit zu profilieren. Den Auftakt bilden jeweils Praxisfälle aus den Bereichen Eigentums- und Vermögensdelikte, Partnergewalt, Sexualdelikte, Drogendelikte, aufenthaltsrechtliche Verstöße bis hin zu einem Beispielen möglicher Strafbarkeit von Fachkräften der Sozialen Arbeit. Dem schließen sich jeweils ein Überblick über den Deliktsbereich und eine Darstellung strukturierter Fallarbeit an, im Sinne der eingangs zunächst theoretisch dargelegten Aspekte Methodisches Vorgehen, Funktion von Theorien, angewandte Kriminologie und selbstkritische Sozialarbeit. Abschließend werden jeweils Vertiefungshinweise gegeben.

Das Lehrbuch endet mit dem 5. Kapitel „Ausblick: Soziale Arbeit im Strafverfahren“, in dem die Autorin nochmals für ein selbstbewusstes, professionelle Selbstverständnis des sozialen Arbeit wirbt, wie es durch wissenschaftlich fundiertes, transdisziplinäres Wissen gewonnen werden kann.

Diskussion

Thematisch facettenreich und dicht am Praxisalltag werden wissenschaftsfundiert Grundkenntnisse zum Strafrecht und zur Kriminologie vermittelt. Das Einarbeiten von statistischen Zahlen zur Häufigkeit und damit auch zur Relevanz der ausgeführten Aspekte ist dabei ebenso hilfreich, wie der Abdruck von Mustern zu Merkblättern, Verfügungen und Checklisten aus der Praxis. Bereits die Einführung enthält wesentliche und sehr umfassende Informationen, die sehr komprimiert dargestellt werden; insofern ist die Überschrift etwas irreführend.

Das Lehrbuch bietet eine breite Darstellung über nahezu alle kriminologischen und strafrechtlichen Aspekte, die für Fachkräfte der Sozialen Arbeit praktisch relevant werden können. Lediglich beim Thema Datenschutz und im Jugendstrafrecht bleiben ein paar „Lücken“. So gehört es zu den wichtigen Praxisfragen, sich mit dem Verhältnis von fehlendem Zeugnisverweigerungsrecht und der Pflicht zum Schutz von Sozialdaten ausführlich zu befassen, namentlich zu wissen, wann die Zeugenpflicht unter Berufung auf § 35 SGB I für Fachkräfte Sozialer Arbeit entfallen kann. Einige jugendstrafverfahrensrechtliche Besonderheiten bleiben unerwähnt, die Aufgaben der Sozialen Arbeit im Jugendarrest hätten noch aufgenommen werden können, die Rolle der „Jugendgerichtshilfe“ als psychosoziale Fachkraft hätte an manchen Stellen noch deutlicher herausgearbeitet werden können, beispielsweise bei der Feststellung „schädlicher Neigungen“. Die Gesetzesänderungen von 2012 (Heraufsetzen der Höchststrafe, Einführung des sog. „Warnschussarrests“, Regelung der „Vorbewährung“) bleiben leider unberücksichtigt.

Insgesamt gelingt Dr. Dagmar Oberlies nicht nur eine Wissensvermittlung, sondern auch eine Anleitung zum Kompetenzerwerb. Dargestellt werden nicht nur die Grundkenntnisse des Strafrechts und der Kriminologie, sondern auch was Fachkräfte wie mit diesem Wissen machen sollen. So enthält das Lehrbuch auch konkrete methodische Anleitungen. Dabei geht es immer um die eigene professionelle Haltung als Fachkraft Sozialer Arbeit; sich als solche in einem justizdominierten Feld selbstbewusst und für alle Beteiligten gewinnbringend zu bewegen – hierzu leistet das Lehrbuch einen wichtigen Beitrag.

Fazit

Das Lehrbuch wird dem Anspruch der Reihe, in der es erschienen ist, „überschaubares Volumen, Verständlichkeit der Sprache Anschaulichkeit und Theorie-Praxis-Verknüpfung Studierenden Grundwissen, auch für das Selbststudium zu vermitteln“ bestens gerecht. Zu empfehlen ist es aber insbesondere wegen der reflektierenden Auseinandersetzung mit den Rollen und Aufgaben im strafrechtlichen Kontext. (Angehende) Fachkräfte der Sozialen Arbeit finden hier wegweisende Impulse sich fachlich selbstbewusst im Strafrechtssystem zu verorten.

Rezension von
Prof. Dr. Ulla Törnig
Jg. 1967, Dr. jur., seit 2002 Professorin an der Hochschule Mannheim, Fakultät für Sozialwesen, für die Lehrgebiete Kinder- und Jugendhilferecht, Familienrecht, (Jugend-) Strafrecht, zuvor Berufserfahrung als Rechtsanwältin, Konfliktschlichterin (Täter-Opfer-Ausgleich) und wissenschaftliche Angestellte am Institut für Kriminologie der Universität Heidelberg. Seit 1997 Vorsitzende des Dialog e.V. Heidelberg, einer Einrichtung der Straffälligenhilfe in freier Trägerschaft zur Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs im Jugendbereich.
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Es gibt 4 Rezensionen von Ulla Törnig.

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ISSN 2190-9245