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Rolf Arnold: Selbstbildung. Oder: Wer kann ich werden und wenn ja wie?

Rezensiert von Dr. Juliane Noack Napoles, 21.01.2014

Cover Rolf Arnold: Selbstbildung. Oder: Wer kann ich werden und wenn ja wie? ISBN 978-3-8340-1139-8

Rolf Arnold: Selbstbildung. Oder: Wer kann ich werden und wenn ja wie? Schneider Verlag Hohengehren (Baltmannsweiler) 2013. 2., korrigierte Auflage. 333 Seiten. ISBN 978-3-8340-1139-8. D: 19,80 EUR, A: 20,40 EUR, CH: 34,60 sFr.

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Thema

Das Thema des vorliegenden Buches „Selbstbildung oder: wer kann ich werden und wenn ja wie?“ ist Selbstbildung. Es zielt drauf ab zu verdeutlichen, dass sich sämtliche pädagogisch erzielbaren Wirkungen einer Selbstbewegung des Subjektes verdanken und insofern „der Gegensatz zwischen Selbstbildung und Fremdbildung (…) bei nüchterner Betrachtung bloß ein Gedanke, keine empirische Gegebenheit ist.“ (vgl. Klappentext) In einer solchen Bewegung der Selbstbildung werde dann die populäre Frage „Wer bin ich und wenn ja wie viele?“ durch die Frage ersetzt: „Wer kann ich sein und wenn ja wie.“ (S. 175) Dieser nachzugehen und in verschiedene Richtungen auszudeuten konstituiert Ziel und Thema der Arbeit.

Autor

Univ.-Prof.-Dr. Rolf Arnold ist Professor für Pädagogik (Berufs- und Erwachsenenpädagogik) und Aufsichtsratsvorsitzender und Wissenschaftlicher Direktor des Distance and International Studies Centres (DISC) an der Technischen Universität Kaiserslautern, Verwaltungsratsvorsitzender des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE/Bonn) sowie systemischer Berater im nationalen und internationalen Rahmen (vgl. Klappentext).

Entstehungshintergrund

Der Autor versteht sein Buch als „eine Art Zwischenbilanz, denn es werden eigene Forschungen und praktische Erfahrungen reflektiert, in neuem Kontext gedeutet und zu akzentuierteren Fragerichtungen verdichtet.“ (S. 11) Deshalb sei der Gestus des Buches zum einen theoretische Suchbewegung und zum anderen Illustrierung durch selbst erlebte Praxis.

Aufbau und Inhalt

Die vorliegende Arbeit besteht neben dem Vorwort und der Einleitung aus folgenden zehn Kapiteln:

  1. Die Pädagogik: Eine Lebenslauf- und Veränderungswissenschaft
  2. Eine unmögliche Disziplin
  3. Bildung oder Kompetenzentwicklung
  4. Lebendigkeit und das eigentliche Selbst
  5. „Ich deute, also bin ich?“
  6. Das internationale Argument in der Pädagogik
  7. Wider die Ideologie der Zweckfreiheit
  8. „I have a dream“: Bildung und Selbstbildung der Zukunft
  9. Selbstbetroffenheit und Selbstreflexion: Voraussetzung professioneller Begleitung
  10. „Ich möchte so bleiben, wie ich bin!“ – Zur Restauration repräsentationistischer Weltsichten

Ausgangspunkt des Autors ist die Annahme, dass alle Denkfiguren und Argumentationen bezüglich bildungstheoretischer Fragen ihre Berechtigung und Tragfähigkeit letztlich aus der Erklärungskraft ihrer Konzepte, Annahmen und Entwürfe hinsichtlich der individuellen Gestaltung der Lebensbedingungen in den gewandelten gesellschaftlichen Kontexten herleiten müssen. Insofern leitet Arnold als Grundthemen einer bildungstheoretischen Neuorientierung das Leben, den Lebenslauf und die Veränderung ab, zu welchen im vorliegenden Buch Annäherungen entwickelt werden sollen. Diese basieren ihrerseits auf der eigenen reflektierten Praxis in unterschiedlichen Kontexten der Gestaltung und des Durchdenkens von Bildungserleben. Als Leitthese des Buches formuliert Rolf Arnold denn auch, dass man Pädagogik als Wissenschaft von Bildungs- und Selbstbildungsbewegungen letztlich nicht betreiben könne, „ohne eine Vorstellung vom Leben bzw. vom Lebendigen zu haben.“ (S.15)

In diesem Sinne entfaltet Arnold im ersten Teil des Buches unterschiedliche Perspektiven auf Pädagogik, Pädagogik als eine Lebenslauf- und eine Veränderungswissenschaft (Kapitel 1) und Pädagogik als Handlungs-, Reflexions-, Subjekt-, Beobachtung- und Sprachwissenschaft (Kapitel 2).

Ausgehend von der Feststellung, dass der moderne Bildungsdiskurs ein Kompetenzdiskurs sei (S.75), setzt Arnold im dritten Kapitel die Konzepte Bildung und Kompetenzentwicklung in Beziehung zueinander. Kernpunkte seiner Argumentation kreisen um die Frage des Verhältnisses von Fachdidaktik und Didaktik. Daran schließt sich im vierten Kapitel eine Auseinandersetzung mit der Beziehung zwischen Lebendigkeit und dem eigentlichen Selbst, die in Kapitel 5 zu den Grundfragen nach Identität und Selbst als Prozess und Resultat der Bildungsbemühungen führt.

Im sechsten Kapitel „Das internationale Argument“ thematisiert Arnold das Verhältnis von Bildung und Entwicklung ausgehend von folgenden drei großen Entwürfen: dem Primat der Kompetenzentwicklung, dem Primat der Wirtschaftsentwicklung und dem Primat der Systemischen Nachhaltigkeit (S. 188). Wobei der Autor den letzten vorzieht, da er uns einlade „neu und nicht-europäisch, sondern kulturell offen und systemisch orientiert über das Zusammenwirken von Bildung und Entwicklung nachzudenken und vor diesem Hintergrund auch die Möglichkeiten, die sich den Menschen „vor Ort“ (…) bieten, nachzudenken. Diese systemische Perspektive ist die Perspektive der Praxis.“ (S. 189)

Mit der Ideologie der Zweckfreiheit setzt sich Arnold im 7. Kapitel seines Buches auseinander und stellt die Möglichkeiten und Stärken des Lehrer-Coachings als Herzstück einer transformativen Weiterbildung von Lehrkräften vor.

Im 8. Kapitel werden Bildung und Selbstbildung vor dem Hintergrund unseres Lebens in einer Nichtwissensgesellschaft thematisiert und festgestellt, dass die formale Seite der Kompetenzentwicklung, d.h. die Formung des Subjekts und auch seiner Möglichkeiten des Anderseins zugunsten der inhaltlichen Seite von Bildung zurücktreten (S. 233).

Unter dem Titel „Selbstbetroffenheit und Selbstreflexion: Voraussetzungen professioneller Begleitung“ setzt sich Arnold im 9. Kapitel mit reflexiven Zugängen zum Sozialen auseinander, die in der Pädagogik erst sehr vereinzelt feststellbar seien (S. 255) und leitet vom reflexiven über das transformative Lernen zur pädagogischen Méthexis, was als Gegenteil vom „Mimesis“ soviel wie Teilhabe bedeutet. Dieses Kapitel wird schließlich mit einem Exkurs über den Kaiserslauterer Ansatz zum Lernen Erwachsener beendet.

Das letzte Kapitel des vorliegenden Buches beschäftigt sich unter dem Titel „Ich möchte so bleiben, wie ich bin! – Zur Restauration repräsentationistischer Weltsichten“ mit unterschiedlichen Kontroversen in der pädagogischen Debatte der letzten Jahre, wobei u.a. die Foucault-Rezeption in der Erwachsenenpädagogik aufgegriffen wird oder auch die Ideen Ludwig Pongratzs in einem fiktiven Dialog aufgearbeitet werden.

Fazit

Bei dem Buch „Selbstbildung – oder: Wer kann ich werden und wenn ja wie?“ handelt es sich um eine äußerst umfassende, dichte und nicht leicht lesbare Lektüre: „Es geht um die Auseinandersetzung mit der eigenen Wissenschaft, der Pädagogik, den Erziehungs- und den Bildungswissenschaften; in Bezug auf letztere werden kritische Fragen nach Entstehungs-, Interessen- und Verwertungskontexten gestellt. Es geht um die Debatte um Kompetenzentwicklung, den Mehrwert des Kompetenzbegriffes in der erziehungswissenschaftlichen Debatte und die Konsequenzen für pädagogisches Handeln. Es geht um die Professionalisierung und um kritische Fragen nach ihren Hintergründen und Legitimationsbastionen. Es geht um das dialektische Verhältnis von Bildung und Entwicklung, in dem Bildung Entwicklung begründet und gleichzeitig voraussetzt. Und es geht immer wieder um Bildungsforschung und Ansätze des Erkennens, des „Begreifens“ des Verhältnisses von Subjekt und Umwelt.“ (Nuissl 2011, S. 82)

Bereits 2011 war dieses Buch im REPORT 2/2011 (34. Jg.) „Das Buch in der Diskussion“ und wurde jeweils von Hannelore Bastian, Peter Faulstich und Ekkehard Nuissl rezensiert. Gemeinsamer Grundtenor, den ich teile, ist zum einen, dass die vorliegende Arbeit durch die vielen, teilweise auch überraschenden Bezüge zu unterschiedlichen Diskurskontexten (Nuissl, S. 83) sehr zum Denken anregen kann, es andererseits jedoch schwierig ist, „sich in der Vielfalt der Bezüge zurechtzufinden“ (Faulstich 2011, S. 81). Diese wiederum sind u.a. das Resultat von Arnolds Gedankenführung, die um ein Konzept der Selbstbildung und um „konkrete (…) Ansätze zur didaktischen Inszenierung nachhaltiger Kompetenz- und Organisationsentwicklung aus unterschiedlichen Kontexten“ (S. 11) kreist. Dazu merkt Bastian kritisch an: „Dieses „Kreisen“, das sich durch die in ihrer Gliederung schwer zu durchschauenden Kapitel zieht, bringt streckenweise ermüdende Redundanzen mit sich.“ (S. 80) So bleibt unter dem Blickwinkel der Didaktik, wie ihn Bastian einnimmt, der Gesamteindruck, „mit hohem Aufwand von etwas überzeugt worden zu sein, das man in weiten Teilen schon seit längerem für richtig hält“ (S. 80) Auch Faulstich kommentiert den erheblichen von Arnold betriebenen Aufwand, in diesem Falle jedoch mit dem Ziel der Grundlegung seiner Arbeit. Wie dem auch sei, was hier von Bastian und Faulstich als erheblicher/hoher Aufwand charakterisiert wird, führt einerseits zu der teilweise erschlagenden Dichte des Buches, die andererseits genau dessen Reichtum ausmacht. Das Buch ist für den/die genau richtig, der/die sich mit Arnold auf eine theoretische Suchbewegung zum Thema Selbstbildung einlassen möchte, die wiederum auf der Reflexion eigener Forschungen und praktischer Erfahrungen basiert.

Rezension von
Dr. Juliane Noack Napoles
Institut für Bildungsphilosophie, Anthropologie und Pädagogik der Lebensspanne der Universität zu Köln
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Es gibt 12 Rezensionen von Juliane Noack Napoles.

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ISSN 2190-9245