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Monika Müller, Sylvia Brathuhn et al.: Handbuch Trauerbegegnung und -begleitung

Rezensiert von Dr. rer. medic. Kerstin Kremeike, 28.02.2014

Cover Monika Müller, Sylvia Brathuhn et al.: Handbuch Trauerbegegnung und -begleitung ISBN 978-3-525-45188-5

Monika Müller, Sylvia Brathuhn, Matthias Schnegg: Handbuch Trauerbegegnung und -begleitung. Theorie und Praxis in Hospizarbeit und Palliative Care ; mit 1 Tabelle. Vandenhoeck & Ruprecht (Göttingen) 2013. 292 Seiten. ISBN 978-3-525-45188-5. D: 29,99 EUR, A: 30,90 EUR, CH: 38,90 sFr.

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Thema

Das Handbuch behandelt Möglichkeiten und Grenzen von Trauerbegegnung und -begleitung. Hierzu will das Buch theoretisches Grundwissen und praktische Umsetzungsweisen vermitteln. Trauer wird dabei v.a. im Kontext palliativer und hospizlicher Versorgungsstrukturen betrachtet.

Autorinnen und Autor

Monika Müller war Leiterin der Ansprechstelle im Land NRW zur Palliativversorgung, Hospizarbeit und Angehörigenbegleitung (ALPHA). Ihr wird ein entscheidender Anteil am Ausbau der Strukturen der Hospiz- und Palliativarbeit in Deutschland zugesprochen.

Sylvia Brathuhn ist Pädagogin und Trainerin in Palliative Care und zu den Themen Sterben, Tod und Trauer. Sie arbeitet als Trauerbegleiterin sowie als Autorin und Fachreferentin mit den Schwerpunktthemen Sterbebegleitung und Trauer.

Matthias Schnegg ist katholischer Theologe, Caritas-Pfarrer für das Erzbistum Köln und Mitbegründer des ambulanten Hospizes Frechen.

Darüber hinaus kommen zwölf weitere Autoren aus verschiedenen Professionen und Perspektiven in einzelnen (Unter-) Kapiteln zu Wort.

Aufbau

Das Buch gliedert sich in zwei Teile, die jeweils aus zwei Kapiteln bestehen.

  1. Der erste Teil „Theoretisches Grundlagenwissen“ thematisiert das Phänomen Trauer sowie Trauer im Kontext von palliativen und hospizlichen Versorgungsstrukturen.
  2. Im zweiten Teil „Praxisrelevanz und Umsetzungsmöglichkeiten“ finden Haltung und Kommunikation sowie Begegnung mit und Begleitung von Trauer im palliativ-hospizlichen Kontext eingehender Beachtung.

Zu Teil I: Theoretisches Grundlagenwissen

1. Das Phänomen Trauer

Trauer als zutiefst menschlicher Vorgang und existentielle Erfahrungen des Lebens werden hier einführend betrachtet. Betont wird dabei die Individualität und Einzigartigkeit von Trauer.

Unser Verständnis von Trauern wird einem zweiten Unterkapitel thematisiert. Nach einer kurzen Einleitung folgt dazu „Das Märchen von der Trauerbewältigung“.

Im Anschluss werden Werdeschritte des Trauerns angeführt und ausführlich erläutert:

  1. Wahrnehmen und Sehen-Lernen; zum Einen nach außen, des veränderten Lebens, zum anderen nach innen, des eigenen Ichs
  2. Erkennen; als bewusste Betrachtung des veränderten Lebens und aktiver Innenschau
  3. Annehmen; Hineinbegeben in die Wechsel- und Schicksalhaftigkeit des eigenen Lebens
  4. Gestalten; Verbinden des alten und neuen Lebens sowie des alten und neuen Ichs

Veranschaulicht werden die Ausführungen zu den genannten Punkten durch Zitate Betroffener. Außerdem verdeutlicht eine imaginäre Fotoausstellung, wie Trauer sich äußern kann.

2. Trauer im Kontext von palliativen und hospizlichen Versorgungsstrukturen

Anhand des Modells der „drei Felder der Trauer“ wird in diesem Kapitel zunächst eine Strukturierung des Phänomens Trauer vorgenommen. Mit der Gewissheit über den nahen Tod wandele sich das bisherige Denkwissen über Leid, Sterben und Tod in Erfahrungswissen. Dieser Wandel betrifft den unheilbar erkrankten Menschen (1. Feld), die An- und Zugehörigen im Prozess der Sterbebegleitung (2. Feld) und die Trauer nach dem Tod (3. Feld). Anhand praktischer Beispiele und durch Zitate Betroffener werden diese Felder in ihren einzelnen Aspekten beleuchtet.

Im Anschluss wird in einem Unterkapitel noch einmal der Übergang vom Denk- zum Erfahrungswissen des Menschen bezüglich seiner Sterblichkeit aufgegriffen und der geschichtliche Wandel dieses Phänomens betrachtet. Eine Diskussion findet anhand von Beispielen und Zitaten aus Medizin oder Philosophie statt.

Die Ungleichartigkeit und Ungleichzeitigkeit von Trauer wird im folgenden Unterkapitel thematisiert. Mit den verschiedenen Trauer-Typen „Weitermacher“, „Nützlicher“, „Verbindender“ und „Dramatischer“ wird die Vielfalt möglicher Perspektiven veranschaulicht. Eine Konkurrenz um die richtige oder passende Trauer sei dabei problematisch. Übersetzungshilfe in die jeweils andere Wahrnehmung wird als Aufgabe der Trauerbegleitung angeführt.

Sterbebegleitung und ihre Auswirkungen auf die Trauer sind Thema des nächsten Unterkapitels. Sterbe- und Trauerbegleitung wird dabei hauptsächlich als Mitgehen beschrieben, nicht als Intervention. Praktische Anhaltspunkte für eine würdigende Art und Weise der Sterbebegleitung werden gegeben und die Rolle des Begleiters beleuchtet, etwa bezüglich der Entschleunigung oder der Bahnung der Trauerbegleitung durch die Sterbebegleitung. Auch Grenzen der Begleitung werden hier thematisiert, z.B. durch die eigene Betroffenheit. Vor diesem Hintergrund wird auch das Anbieten von Sterbe- und Trauerbegleitung aus einer Hand kritisch diskutiert.

Komplizierte Trauer wird im folgenden Abschnitt von der normalen Trauer abgegrenzt. Hierzu werden diagnostische Kriterien angeführt und auf die Häufigkeit und Risikofaktoren komplizierter Trauer sowie ihre Behandlung eingegangen.

Abschließen zum theoretischen Teil des Buches findet die Belastung professionell Mitarbeitender in der hospizlichen und palliativen Versorgung sterbender Menschen Beachtung.

Zu Teil II: Praxisrelevanz und Umsetzungsmöglichkeiten

1. Haltung und Kommunikation

Als elementar für eine Begleitung gelte das Wahrnehmen und Anerkennen der grundsätzlichen Untröstlichkeit von Menschen in einem Verlusterleben. Dennis Klaas plädiert diesbezüglich für eine offene Betrachtung von tiefem Kummer und Trost. Der emeritierte Professor für Religionswissenschaften kritisiert die tendenziell Optimismus-orientierte Sichtweise auf Trauer in Forschung und Praxis. Diese führe zum Übersehen und Abwerten intensiver Trauer. Er appelliert daher für umfassendere Konzepte und diskutiert z.B. die Depression in der Trauer oder den Trost-Begriff anhand der Arbeiten von Sigmund Freud oder Søren Kierkegaard sowie anderer existenzphilosophischer oder pflegewissenschaftlicher Schriften.

Trauer auslösen ist die Überschrift des folgenden Unterkapitels. Hier wird beispielhaft angeführt, wie sensibel vorgegangen werden kann, um der Trauer Raum zu geben. Bei-Leiden und die anwaltschaftliche Begleitung durch Dritte sowie Verdrängung und schrittweise Annäherung seitens der Betroffenen werden dabei genauso thematisiert wie die Rolle der Lebensstrategie für den Trauerprozess.

Das Themenfeld Trauer und Sprache wird anhand von Zitaten von Trauernden, Philosophen und Lyrikern behandelt. Durch offene Fragen statt Antworten könne der Begleiter dem Trauernden wieder in Wort und Sprache helfen. Dazu werden Beispiele genannt.

Zu Trauer und Demenz werden die damit einhergehende begrenzte Erreichbarkeit der Betroffenen, mögliche Zugangsformen wie Validation oder Biografiearbeit und die Bedeutung des Wissens über die Krankheit für die Angehörigen thematisiert.

Spiritualität und Beispiele für ihre Vielfältigkeit finden im Folgenden Beachtung. In der Trauerbegleitung sei Spiritualität auch eine von Ehrfurcht geprägte Haltung, in der sich der Urgrund unserer Sinnsuche widerspiegelt. Mit-Seien sei dabei die Spiritualität des Alltags.

Im abschließenden Unterkapitel widmet sich Martina Kern der Fremd- und Selbstsorge und bietet impulsgebende Fragen an, die von der Fremd- zur Selbstsorge leiten sollen.

2. Begegnung mit und Begleitung von Trauer im palliativ-hospizlichen Kontext

Trauerwege eröffnen wird hier als entscheidende Funktion der palliativen und hospizlichen Arbeit beschrieben und Begleitansätze der Trauer dargestellt. Außerdem wird die für die Anwendung dieser Ansätze nötige Haltung erläutert. Als begleiterische Fähigkeiten werden eisagoisch-hinführende, konsilatorisch-verstehende, stimulierend-provokative, reflektierend-verstehende und evaluierend-nachgehende Begleitfacetten bezeichnet und detailliert dargelegt.

Die Bedeutung von Schuld in der Trauer wird angesprochen und Hemmnisse in der Begleitung am Beispiel von Verzweiflung beleuchtet. Im Anschluss werden Trauer erwärmen und Focusing-unterstützte Trauerbegleitung als Methoden vorgestellt.

Darauf folgen mehrere Unterkapitel zur berufsgruppenspezifischen Rolle in der Begleitung von Physiotherapeuten, (Haus-)Ärzten, Pflegenden sowie ehrenamtlichen Mitarbeitern, die jeweils von Angehörigen der jeweiligen Profession verfasst sind.

Zum Setting von Trauerbegleitung wird die Sozialgesetzeslage bezüglich der Finanzierungsmodelle kritisch hinterfragt und verschiedene Formen der Trauerbegleitung vorgestellt. Erste Forschungsergebnisse zur Wirkung von Trauerbegleitung sowie Ausführungen zur Qualifizierung bilden den Abschluss des Kapitels.

Diskussion

Anhand von Ausführungen etwa zu Werdeschritten der Trauer, dem Modell der drei Felder der Trauer oder der komplizierten Trauer wird eine theoretische Basis geschaffen, auf der praktisch aufgebaut wird. Fragenbeispiele zu Trauer und Sprache sowie der Fremd- und Selbstsorge bieten dabei eine konkrete Hilfe für Begleiter und z.B. die Darstellung der begleiterischen Fähigkeiten veranschaulicht gut das Spektrum der Trauerbegegnung.

Obgleich die Formulierungen manchmal etwas umständlich wirken, ist auch der theoretische Teil des Buches nicht trocken-wissenschaftlich verfasst, sondern mit Beispielen und Zitaten bildhaft dargestellt. Grundlagen der Trauer wie ihre normale Zugehörigkeit zum menschlichen Leben und die Vielseitigkeit, in der Trauer sich äußern kann, werden dabei immer wieder gut veranschaulicht.

Damit besteht keine klare Trennung zwischen theoretischem und praktischem Teil, vielmehr wird durchgehend auf den theoretischen und wissenschaftlichen Hintergrund der Thematik eingegangen sowie viele Beispiele und Zitate angeführt.

Fazit

Theoretische Modelle sowie Handlungs- und Praxisansätze in vorliegendem Band vermitteln ein umfassendes Bild der Trauerbegegnung und -begleitung. Dies geschieht aus verschiedenen professionellen Perspektiven und anhand wissenschaftlicher und philosophischer Bezüge. Zitate und Beispiele aus der Praxis vervollständigen die Darstellungen. Damit stellt das Handbuch ein vielschichtiges Werk zur Thematik dar.

Rezension von
Dr. rer. medic. Kerstin Kremeike
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Zentrum für Palliativmedizin Universitätsklinikum Köln (AöR)
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Es gibt 24 Rezensionen von Kerstin Kremeike.

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Zitiervorschlag
Kerstin Kremeike. Rezension vom 28.02.2014 zu: Monika Müller, Sylvia Brathuhn, Matthias Schnegg: Handbuch Trauerbegegnung und -begleitung. Theorie und Praxis in Hospizarbeit und Palliative Care ; mit 1 Tabelle. Vandenhoeck & Ruprecht (Göttingen) 2013. ISBN 978-3-525-45188-5. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/15610.php, Datum des Zugriffs 25.01.2025.


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