Wulf Rössler, Wolfram Kawohl (Hrsg.): Soziale Psychiatrie. Band 1 Grundlagen
Rezensiert von Ilja Ruhl, 09.12.2013

Wulf Rössler, Wolfram Kawohl (Hrsg.): Soziale Psychiatrie. Band 1 Grundlagen. Verlag W. Kohlhammer (Stuttgart) 2013. 447 Seiten. ISBN 978-3-17-021987-8. 59,90 EUR.
Herausgeber
Prof. Dr. med. Wulf Rössler, geb. 1947 bei Heidelberg, ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Psychologe. Er habilitierte sich mit dem Thema „Soziale Rehabilitation Schizophrener“. Ursprünglich thematisch mit der Gesundheitssystemforschung beschäftigt, verlagerte sich sein Fokus in Richtung der psychiatrischen Epidemiologie. Rössler befasst sich u.a. mit der Stigmatisierung psychisch kranker Menschen, der Evaluation von rehabilitativen Maßnahmen und mit Kostenaspekten des Versorgungssystems. Seit 2010 hat er eine Gastprofessur an der Leuphana Universität Lüneburg inne und leitet dort das Projekt „Vernetzte Versorgung“.
PD Dr. med. Wolfram Kawohl, ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und leitet seit 2007 das Kriseninterventionszentrum der psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich. Seine Habilitationsschrift befasst sich mit dem Thema „Akustisch und Somatosensorisch evozierte Potentiale in Psychiatrie und Psychotherapie“. Neben einem Schwerpunkt in der Versorgungsforschung befasst er sich außerdem mit Tic-Störungen und mit neurobiologischen Korrelaten psychopathologischer Phänomene.
Entstehungshintergrund
Nach der Zeit der großen Reformen in der Psychiatrie, die stark von sozialpsychiatrischem Denken geprägt waren, fand in der psychiatrischen Wissenschaft eine Hinwendung zu biologischen Ansätzen statt. Gleichwohl liefert die Sozialpsychiatrie vielfältiges praxisrelevantes Wissen. Die Herausgeber treten mit ihrem Handbuch an, um „die vielen Forschungs- und Tätigkeitsfelder […der Sozialpsychiatrie]“ abzubilden.
Aufbau
Das Buch umfasst sechs Teile.
Zu Teil 1: Begriffsbestimmungen und historische Entwicklung
Im ersten Kapitel wird zunächst eine begriffliche Klärung der Sozialpsychiatrie vorgenommen. Diese ist vor allem vor dem Hintergrund des Missbrauchs der sozialen Psychiatrie im Nationalsozialismus notwendig. Vor dieser Zeit bildete sich eine begriffliche Entwicklungslinie entlang der mit der Industrialisierung aufkommenden sozialen Medizin, die zur Berücksichtigung sozialer Aspekte in der psychiatrischen Disziplin führte. Anhand des Forschungsparadigmas Schizophrenie erläutert Rössler die sozialpsychiatrische Perspektive und stellt u.a. Einflussfaktoren für die Genese und den Verlauf der Schizophrenie vor.
In einem weiteren Unterkapitel erläutern Kumbier, Haack und Hoff in einem historischen Abriss die Entwicklung der Sozialpsychiatrie anhand einzelner Meilensteine insbesondere anhand der west- und ostdeutschen psychiatrischen Reformbemühungen.
Zu Teil 2: Sozialwissenschaftliche Grundlagen
Der zweite Teil befasst sich sowohl mit soziologischen als auch sozialpsychologischen Aspekten psychischer Erkrankung. Meyer geht dabei u.a. der Frage nach, welche gesellschaftlichen Bedingungen zur Entstehung psychischer Störungen bzw. Krankheiten beitragen und wie Gesellschaft auf diese reagiert.
Im Kapitel zur Sozialpsychologie, werden einige Phänomene wie z.B. die sich selbst erfüllende Prophezeiung und das Selbstschema beschrieben. Die AutorInnen Bierhoff und Rohmann stellen diese Phänomene am Beispiel des Placeboeffekts und der negativen selektiven Verarbeitung von Informationen bei depressiven Menschen dar.
Zu Teil 3: Einflussfaktoren auf psychische Gesundheit und psychische Erkrankung
Im ersten Kapitel des dritten Teils (Kapitel 5) befasst sich Wälte u.a. mit verschiedenen Modellvorstellungen zur Entstehung psychischer Erkrankungen aber auch psychischer Gesundheit. Im Zusammenhang mit zweitgenanntem geht er nicht ausschließlich auf die Salutogenese nach Antonovsky ein, sondern referiert Einzelaspekte wie Kontrollüberzeugungen, Selbstwirksamkeit oder Resilienz.
Die zwei folgenden Kapitel behandeln die Themen „Lebensstile“ (Ajdacic-Gross & Bollok) sowie „Lebensübergänge und psychische Gesundheit“ (Lehmann und Martin). Einer kurzen Übersicht über die Lebensstil-Forschung (z.B. Milieus, Social Support) schließen sich kritische Überlegungen zum aktuellen Verhältnis zwischen Sozialwissenschaften und biologischer Orientierung in der psychiatrischen Wissenschaft an, ohne dabei die methodologischen Schwierigkeiten sozialwissenschaftlicher Ansätze in der Psychiatrie zu unterschlagen. Lehmann und Martin stellen kurz die möglichen Auswirkungen von Lebensübergängen auf die psychische Gesundheit dar.
Es folgt ein Kapitel zur Epidemiologie der Erstmanifestation verschiedener Erkrankungen (u.a. psychotische Störung, unipolare und bipolare affektive Störung) unter Berücksichtigung der jeweiligen Einflussfaktoren. Dem schließen sich Kapitel mit den Themen „Arbeit und psychische Gesundheit, „Gender“ und „Sexualität“ an, wobei das Kapitel zur Sexualität sehr unterschiedliche Aspekte aufgreift. Es befasst sich sowohl mit den Auswirkungen psychischer Erkrankungen auf die Sexualität, als auch mit Störungen, die sich in Form von abweichendem sexuellem Verhalten oder durch Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Geschlechtsidentität definieren.
Der dritte Teil des Bandes endet mit einem Kapitel, das sich mit der sozialen Exklusion aufgrund psychischer Erkrankung befasst.
Zu Teil 4: Diagnostik und Therapie
Im ersten Kapitel des vierten Teils stellt Obert die Grundlagen sozialpsychiatrischen Handelns und Behandelns vor. Die Verwendung des Begriffspaars „Handeln“ und „Behandeln“ deutet es bereits an, bei Obert geht es nicht ausschließlich um die Rolle des Arztes in der Sozialpsychiatrie. Vielmehr werden hier auch die Tätigkeitsfelder der komplementären psychosozialen Hilfsangebote beschrieben.
Es folgt ein Kapitel zur Diagnostik von Fähigkeitsstörungen, mit dem Fokus auf die ICF und ihre verschiedenen Ratingskalen. Thematisch schließt sich das Kapitel zur Rehabilitation bei psychischen Erkrankungen von Stengler und Becker an, in dem u.a. auf die zwei verschiedenen Ansätze des „Place an Train“ und „Train an Place“ vorgestellt werden.
Sieberer und Machleidt beleuchten im Kapitel zur transkulturellen Psychiatrie die aktuellen Handlungsfelder der Disziplin und deren wissenschaftlichen Diskurse.
Zu Teil 5: Forschungsthemen
Der fünfte Teil beginnt mit einem Kapitel zur Epidemiologie, in dem neben Termini wie z.B. „Prävalenz“ oder „Odds Ratio“ verschiedene Studiendesigns erörtert werden.
Thematisch anders gelagert ist das darauf folgende Kapitel zu den Konzepten und zum Stand der Stigma-Forschung.
Es folgt ein Kapitel, das sich mit den der psychiatrischen Versorgungsforschung befasst und sowohl auf die methodischen Grundlagen als auch auf den aktuellen Forschungsstand Bezug nimmt. Neben den verschiedenen Studiendesigns der quantitativen Forschung (z.B. RCT) greifen die AutorInnen auch kurz qualitative Ansätze auf.
Franz und Meyer beleuchten im Kapitel zur Lebensqualität die verschiedenen Konzepte dieses Konstrukts, nicht ohne diese auch kritisch in Bezug auf die methodologisch problematischen Wechselwirkungen zwischen psychischen Erkrankungen und Lebensqualitätskonzepten zu hinterfragen.
Im Kapitel „Neurobiologie des Gehirns“ befassen sich Brüne und Juckel mit verschiedenen Facetten des „sozialen Gehirns“ und erklären z.B. den Einfluss neurochemischer Prozesse auf die Regulierung verschiedener Gefühle.
Zu Teil 6: Gesellschaftliche und politische Aspekte
Im ersten Kapitel des sechsten Teils geben Moock und Giersberg einen Überblick über die Sozialpolitik und die soziale Lage in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie erläutern die verschiedenen Modelle der Sozialpolitik (z.B. konservatives und sozialdemokratisches Modell) und geben eine Einschätzung ab, inwiefern die Sozialpolitik der drei Länder diesen Modellen zuzuordnen ist.
Diesem Kapitel schließt sich eine Übersicht über das jeweilige Gesundheitswesen der drei Länder an. Hier werden neben den verschiedenen Versicherungssystemen auch Basisdaten zum stationären und ambulanten medizinischen Bereich genannt. Für Deutschland werden auch spezifische psychiatrische Daten vorgestellt.
Es folgen zwei Falldarstellungen in denen in Ich-Form von den Erfahrungen mit einer akuten depressiven Episode und einer psychotischen Ersterkrankung berichtet wird. Die Falldarstellungen reichen vom Aufkommen erster Episoden bis zur Genesung und kurz nach der Zeit der Klinikentlassung.
Salize und Kilian erörtern im Kapitel „Gesundheitsökonomie“ deren verschiedenen Begrifflichkeiten wie z.B. die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten, direkte Kosten oder intangible Kosten, nicht ohne darauf hinzuweisen, wie schwierig die Ermittlung vor allem vergleichbarer gesundheitsökonomischer Zahlen ist.
Auf die konkrete Ausstattung mit finanziellen Mitteln gehen Deister und Stab ein. Die Autoren stellen sowohl klassische Finanzierungsmodelle als auch noch wenig etablierte, wie z.B. regionale Budgets, vor. Kritisch in Bezug auf fehlende sozial-/gemeindepsychiatrische Anreize wird das PEPP gewürdigt, außerdem wird im Kapitel auch kurz auf die psychiatrische Finanzierung in Österreich und der Schweiz eingegangen.
Es folgt ein Kapitel zum sozialpsychiatrischen Team, in dem zum einen die charakteristischen Merkmale dieser Teams beschrieben, aber auch die Schwierigkeiten aufeinandertreffender Professionen und das Spannungsverhältnis zwischen ökonomischen Rahmenbedingungen und den Grundhaltungen der Teammitglieder thematisiert werden.
Inhaltlich eng verknüpft sind die Texte von Hoff zur Ethik in der Sozialpsychiatrie und dem von Steinert zu Autonomie und Zwang. Während Hoff die unterschiedlichen ethischen Grundprinzipien und -arten vermittelt, wendet Steinert diese auf die Fragestellung, ob und wie Einschränkungen der Patientenautonomie und die Anwendung von Zwang im psychiatrischen Kontext ethisch vertretbar sind, an. Dabei greift Steinert die aktuellen rechtlichen Entwicklungen in Bezug auf die Zwangsbehandlung auf.
Zwischen den oben angeführten Kapiteln zur Ethik und zur Autonomie findet sich ein Text von Windgassen und Röttgers zu rechtlichen Aspekten in der Gemeindepsychiatrie, in dem unterschiedliche Aspekte, wie die UN-Behindertenrechtkonvention, sozialrechtliche Rahmenbedingungen der Gemeindepsychiatrie und die Aufgaben und Struktur der Sozialpsychiatrischen Dienste, aufgegriffen werden.
Diskussion
Die Herausgeber Wulf Rössler und Wolfram Kawohl haben für ihren ersten Band von „Soziale Psychiatrie“ eine Vielzahl von AutorInnen gewinnen können, die das sehr weite Spektrum der für die Grundlagen der Sozialen Psychiatrie relevanten Themen abdecken. Die AutorInnen sind meist wissenschaftlich mit den jeweiligen Themen befasst, der Kenntnis- und Literaturstand ist recht aktuell, wobei einige Kapitel besonders positiv herausstechen. So findet zum Beispiel im Kapitel zum Gesundheitswesen (S. 306) bereits die Abschaffung der Praxisgebühr Erwähnung, zudem werden die für 2013 geltenden Krankenversicherungspflichtgrenzen genannt (ebd.). Den jeweiligen Kapiteln ist jeweils eine kurze Zusammenfassung vorangestellt, was eine schnelle Orientierung über das Inhaltsverzeichnis hinaus ermöglicht. Das Buch ist thematisch in sieben Abschnitte unterteilt, die inhaltliche Zuordnung der Kapitel zu diesen Abschnitten erschließt sich nicht immer sofort, was aber sicherlich auch in der Schwierigkeit begründet ist, die vielfältigen Themen scharf zu trennen. Mitunter kommt es zu inhaltlichen Überschneidungen, die sich nicht immer vermeiden lassen.
Einzelne Kapitel hätten aus der Sicht des Rezensenten umfangreicher ausfallen können (z.B. zur sozialen Exklusion, Lebensübergänge).
Gelegentlich finden sich im Text kleine Ungenauigkeiten, wie die Beschreibung des Placebos als ein „wirkungsloses Präparat“ (S. 65), richtiger wäre hier sicherlich, von wirkstofffreiem Präparat zu sprechen. Auf Seite 105 wird die Länge der Prodromalphase bei der Schizophrenie einmal mit durchschnittlich fünf Jahren angegeben, auf der gleichen Seite wird an anderer Stelle aber von drei bis vier Jahren gesprochen. Missverständlich sind auch die Angaben zu den Erkrankungszahlen bei Frauen und Männern nach dem 45. Lebensjahr (S. 128). Die Angaben suggerieren, dass von allen Frauen über 45 Jahren insgesamt 20% an Schizophrenie erkranken.
Bei der Darstellung der Sozialsysteme wäre es wünschenswert gewesen, die übersichtliche tabellarische Darstellung für das deutsche Sozialsystem auch für die Schweiz und Österreich zu übernehmen. Im selben Kapitel finden sich auf Seite 309 keine Erklärungen für die in der Grafik angegebenen Sternchen. Verwirrend ist (für die nicht-schweizerischen LeserInnen) auch die Verwendung von Kommata als Tausendertrennzeichen in einer Tabelle (S. 363).
Etwas befremdlich erscheint die Einschätzung von Hoffmann-Richter und Zurbriggen, dass das Internet die klassischen Medien nicht ersetzten (S. 324). In Bezug auf die Printmedien scheint diese Einordnung nicht mehr aktuell zu sein. Etwas später (ebd.) schreiben die AutorInnen dann im Zusammenhang mit nicht zu erwartenden Veränderungen im Nutzungsverhalten auch nicht mehr von den klassischen Medien allgemein, sondern von Fernsehen und Radio. Auch die Aussage, Dokumentationen zu psychiatrischen Themen seien selten (S. 327) entspricht aus Sicht des Rezensenten nicht mehr den aktuellen Realitäten.
Mitunter werden Begrifflichkeiten missverständlich verwendet, wie die des „regulären“ Alkoholikers oder Cannabiskonsumenten (S. 1130). Gemeint ist hier wahrscheinlich „regelmäßig“. Die Formulierung, dass eine Wahrscheinlichkeit „26 % tiefer“ war“, erscheint sprachlich regional gefärbt (S.101). Große Differenzen gibt es zwischen den AutorInnen bezüglich des vorausgesetzten Vorwissens der LeserInnen. Während einige AutorInnen Termini erläutern (z.B. Odds Ratio), werden von anderen AutorInnen Fachbegriffe vorausgesetzt (z.B. Heritabilität, Geschlechtsdimorphismus).
Im Unterkapitel zum Persönlichen Budget hätten die Autoren aus Sicht des Rezensenten kurz auf die Problematik der Budgetassistenz eingehen können (S. 381).
Positiv ist hervorzuheben, dass Rüsch in Bezug auf die gelegentliche Klage seitens der Psychiater, sie würden stigmatisiert, klar Stellung bezieht. Er empfiehlt hier recht unverblümt, Psychiater sollten ihre eigene Machtposition gegenüber ihren Patienten reflektieren und sich mit der Stigmatisierung ihrer Patienten beschäftigen, statt mit „ihrer eigenen vermeintlichen“. Insgesamt fällt auf, dass sich viele AutorInnen, ähnlich wie Rüsch, nicht davor scheuen, kritisch mit psychiatrischen Strukturen ins Gericht zu gehen. So beschreiben z.B. Franz und Meyer die Problematik der Verwendung von medizinischen Outcomevariablen (statt solchen zur Lebensqualität) im Zusammenhang mit substanzvergleichenden pharmakologischen Studien, da diese im Sinne der Pharmafirmen meist zu interessenskonformen Ergebnissen führten (S. 265). Insofern knüpfen hier Riedel-Heller und König inhaltlich im Kapitel zu Versorgungsforschung an, wenn sie betonen, dass die Einbeziehung von psychiatrieerfahrenen Menschen die Orientierung an lebensqualitätsbezogenen Outcome-Kriterien fördern könnte (S. 256).
>Besonders erfreulich ist die Berücksichtigung der Betroffenenperspektive in Form von zwei ausführlichen und differenzierten Erfahrungsberichten zu einer psychotischen und einer depressiven Ersterkrankung, die im übrigen nicht weiter kommentiert werden und vielleicht gerade deswegen bei den LeserInnen ihre ganz eigene Wirkung entfalten.
Das Kapitel zum sozialpsychiatrischen Team liest sich wirklich spannend, insbesondere weil die AutorInnen sehr gut herausarbeiten, welche Haltung die MitarbeiterInnen eines solchen Teams im besten Falle gegenüber den Patienten bzw. Klienten einnehmen, ohne dabei die gruppendynamischen und unternehmenskulturellen Einflüsse zu unterschlagen.
Das Kapitel zur Ethik in der Sozialpsychiatrie ist sehr umfangreich, Beispiele aus der Praxis machen die ethischen Aspekte gut nachvollziehbar.
Insgesamt lesen sich die Texte auch für den medizinischen Laien gut, bis auf wenige, oben bereits angesprochenen Ausnahmen, werden Fachbegriffe und Abkürzungen erläutert.
Zielgruppen
Die Frage danach, welche Zielgruppen durch den ersten Band von „Soziale Psychiatrie“ angesprochen werden, ist nicht ganz einfach zu beantworten. Der Untertitel „Das Handbuch für die psychosoziale Praxis“ weist zwar in Richtung der professionellen Protagonisten mit direktem Kontakt zu PatientInnen bzw. KlientInnen. Für diese Personengruppe ist aus Sicht des Rezensenten aber eher der zweite Band („Praxis“) geeignet. Das hier besprochene Werk spricht dagegen z.B. (angehende) Gesundheits- und PflegewissenschaftlerInnen an, bietet es doch zunächst eine erste Orientierung in Bezug auf die verschiedenen sozialpsychiatrischen Forschungsfelder und später ein Nachschlagewerk, von dem z.B. die Literaturrecherche ausgehen kann.
Fazit
Beim ersten Band („Grundlagen“) von „Soziale Psychiatrie“ handelt es sich um eine ausführliche Darstellung der Sozialpsychiatrie sowie ihrer Handlungs- und Forschungsfelder. Neben dem historischen Hintergrund, wird die Sozialpsychiatrie aus sehr unterschiedlichen Perspektiven unter die Lupe genommen. Die Gliederung in insgesamt sieben Teile strukturiert die Themen, wobei die Zuordnung nicht immer auf Anhieb einleuchtet. Die AutorInnen sind in der Regel wissenschaftliche ExpertInnen auf den referierten Gebieten. Das Buch hilft einerseits dabei, sich einen sehr umfassenden Überblick über die Sozialpsychiatrie zu verschaffen und ist andererseits auch als Nachschlagewerk geeignet. Die Aufbereitung der Texte ermöglicht auch LeserInnen ohne tiefgehendes medizinisches Fachwissen die Lektüre. Eine häufigere Verwendung von Grafiken zur illustrativen Unterstützung der Texte hätte die Lesbarkeit noch weiter verbessern können. Das Buch wendet sich inhaltlich nicht primär an Praktiker im sozialpsychiatrischen Bereich, sondern ist eher z.B. in den Gesundheits- und Pflegewissenschaften mit psychiatrischem Schwerpunkt anzusiedeln.
Rezension von
Ilja Ruhl
Soziologe M.A.
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Zitiervorschlag
Ilja Ruhl. Rezension vom 09.12.2013 zu:
Wulf Rössler, Wolfram Kawohl (Hrsg.): Soziale Psychiatrie. Band 1 Grundlagen. Verlag W. Kohlhammer
(Stuttgart) 2013.
ISBN 978-3-17-021987-8.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/15629.php, Datum des Zugriffs 26.03.2023.
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