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Birger Hartnuß (Hrsg.): Schule der Bürgergesellschaft

Rezensiert von Dr. Rolf Frankenberger, 14.01.2014

Cover Birger Hartnuß (Hrsg.): Schule der Bürgergesellschaft ISBN 978-3-89974-913-7

Birger Hartnuß (Hrsg.): Schule der Bürgergesellschaft. Bürgerschaftliche Perspektiven für moderne Bildung und gute Schulen. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2013. 430 Seiten. ISBN 978-3-89974-913-7. D: 49,80 EUR, A: 51,20 EUR, CH: 66,90 sFr.
Reihe: Engagement und Partizipation in Theorie und Praxis. Politik und Bildung.

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Thema

Bürgerschaftliches Engagement wird in der wissenschaftlichen und öffentlichen Debatte um die Vitalisierung und Weiterentwicklung der Demokratie als ein zentraler Faktor betrachtet. Dass bürgerschaftliches Engagement „nicht von selbst und automatisch“ zustande kommt, sondern es „entsprechender normativer Orientierungen und Handlungsdispositionen“ bedürfe, die gelernt und geübt werden müssen, betonen die Herausgeber des vorliegenden Bandes „Schule der Bürgergesellschaft“, Birger Hartnuß, Reinhild Hugenroth und Thomas Kegel, in der Einleitung (S.11). Dass Schule als zentrale Institution des Lernens und der Bildung auch in Bezug auf die Einübung solcher staatsbürgerschaftlicher Orientierungen eine wichtige Rolle spielt (oder zumindest spielen sollte), ist ebenso schlüssig wie unumstritten. Dass es, wie die Herausgeber konstatieren (S.12), bislang keinen breiten gesellschaftlichen Diskurs über die Rolle bürgerschaftlichen Engagements in der Schule und in den pädagogischen Zielbestimmungen der Schule gibt und auch keine systematisch Entwicklung einer partizipatorischen Schul- und Lernkultur gibt, erscheint vor diesem Hintergrund als höchst problematisch. Das Ziel des vorliegenden Bandes ist es daher, „einen konzeptionellen Rahmen zu stiften, methodische Ansätze zu bündeln und Beispiele gelungener Praxis zu präsentieren“ (S.13), und so einen Beitrag zur systematischen Schulentwicklung zu leisten, der es ermöglicht, dass auch und gerade in der zentralen Bildungsinstitution Schule soziale, demokratische und bürgerschaftliche Kompetenzen ausgebildet werden können. Kurz, es sollen Antworten auf folgende Frage präsentiert werden: Wie kann Schule zu einem Ort des bürgerschaftlichen und demokratischen Lernens werden und so zur „Demokratisierung der Demokratie“ (Claus Offe) beitragen?

Herausgeber und Herausgeberin

Die drei Herausgeber sind erfahrene Experten und Praktiker im Bereich des Bürgerschaftlichen Engagements und gestalten die Debatten seit Jahren aktiv mit. Birger Hartnuß war unter anderem war er Referent in der Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ des 14. Deutschen Bundestages und im Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) tätig. Seit 2007 ist er Referent in der Leitstelle Ehrenamt und Bürgerbeteiligung der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz. Reinhild Hugenroth ist Sprecherin der Arbeitsgruppe Bildung und Qualifizierung im BBE und stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik. Sie ist Expertin für politische Bildung, zivilgesellschaftliches Lernen und Kompetenzerwerb. Thomas Kegel ist seit 1999 Studienleiter der Akademie für Ehrenamtlichkeit Deutschland und Mitglied im Koordinierungsausschuss des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Qualifizierung und Organisationsentwicklung zum Freiwilligenengagement. Neben den drei Herausgebern haben insgesamt 45 Autoren aus Wissenschaft, Schule, Politik und Zivilgesellschaft zum vorliegenden Sammelband beigetragen.

Entstehungshintergrund

Der vorliegende Sammelband ist aus einer Tagungsreihe der Arbeitsgruppe „Bildung und Qualifizierung von Bürgerschaftlichem Engagement“ des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE) entstanden und fasst die inhaltlichen Erträge von sechs Tagungen zusammen. Er dient der systematische der Ergebnisse, die den Herausgebern der Buchreihe „Engagement und Partizipation in Theorie und Praxis“ des BBE zufolge den Leserinnen und Lesern einen Überblick über die Schnittstelle von Schule und Bürgergesellschaft vermitteln und eigene Initiativen befruchten soll.

Aufbau

Der 430 Seiten starke Sammelband umfasst 37 Aufsätze, welche die Herausgeber in eine Einleitung, sechs aus jeweils mehreren Beiträgen bestehende inhaltliche Kapitel und ein Fazit gliedern:

  • Kapitel 1: Theoretische Zugänge und Leitbilder (S.25-82), vier Aufsätze.
  • Kapitel 2: Pädagogische Konzepte, Reformmodelle und Schulentwicklung: Chancen für die Bürgergesellschaft (S.83-150), fünf Aufsätze.
  • Kapitel 3: Methoden und Konzepte der Engagementförderung in und durch Schulen (S.151-242), sieben Beiträge.
  • Kapitel 4: Engagement, Demokratie und Partizipation in Schulen (S.245-298), fünf Artikl.
  • Kapitel 5: Kooperation von Schule und Gemeinwesen: Bereiche und Akteure (S.299-382), zehn Beiträge
  • Kapitel 6: Schule und Wirtschaft (S.383-416), drei Aufsätze.
  • Kapitel 7: Anstatt eines Ausblicks (S.417-425), ein Interview.

Inhalt

Nach einer Einführung über den Stand der Debatte zur Bildungspolitik und Bürgergesellschaft widmen sich vier Aufsätze in Kapitel 1 den theoretischen Zugängen und Leitbildern. Neben dem grundsätzlichen Verhältnis von Schule und Engagement werden Schultypen und Schulentwicklung ebenso thematisiert wie die Frage, ob Bildung durch Engagement entstehe. Thomas Rauschenbach thematisiert die schwierige Beziehung zwischen den beiden Welten Schule und Engagement, die auch und gerade auf systemische Unterschiede wie die Gegensätze zwischen Pflicht und Freiwilligkeit, Fremd- und Selbstbestimmung sowie Künstlichkeit und Ernsthaftigkeit zurückzuführen seien. Genau diese gelte es jedoch im „Zusammenspiel ungleicher Partner“ zu nutzen und die „wechselseitige Fremdheit“ (S.39) zu überwinden. Die Notwendigkeit von größerer Autonomie für Schulen sowie einer Öffnung der Schule zu Gesellschaft und Wirtschaft betont Adalbert Evers. Er sieht neue Formen von Governance jenseits der Hierarchie, also etwa durch Partizipation oder Wettbewerb als zentral für eine Weiterentwicklung der Schule zu einem sozialen Unternehmen. Sibylle Rahm betont, dass Schulentwicklung eine Kooperationsaufgabe von Schülern, Eltern, Lehrern und Verantwortlichen in einer Bildungsregion sei. Nur in dieser Kooperation könne Schulentwicklung Erfahrungslernen im Dewey‘schen Sinne sein und die Bildungslandschaft durch Engagement verändern. Thomas Olk bilanziert auf der Basis einschlägiger Forschungsergebnisse, „dass bürgerschaftliches Engagement ein zentraler gelegenheitsraum für informelle und nonformale Lernprozesse“ (S.79) sei und misst ihm daher eine zentrale Bedeutung beim Erwerb von staatsbürgerschaftlichen Orientierungen sowie einer wehrhaft-demokratischen Grundhaltung bei. Daher sei es unabdinglich Schulentwicklung und Demokratielernen systematisch zu verbinden.

Kapitel 2 umfasst fünf Aufsätze zu pädagogischen Konzepten, Reformmodellen und Schulentwicklung, die sich insbesondere mit den Chancen für die Bürgergesellschaft in diesem Kontext beschäftigen. Von Der Demokratiepädagogik über Politische Bildung und Engagementförderung bis hin zu Konzepten der Schulöffnung und -kooperation werden unterschiedliche Aspekte beleuchtet. Einen Überblick über demokratiepädagogische Konzepte sowie zahlreiche Initiativen und Projekte geben Wolfgang Beutel et al. in ihrem Beitrag. Diese reichen von Gewaltprävention über Klassenräte bis hin zum Council of Europe. Sie betonen dabei, dass der Kern aller Demokratiepädagogik die Vermittlung der Bedeutung des Einzelnen in einem als Demokratie funktionierenden Gemeinwesen sei (S.97). Im einzigen englischsprachigen Beitrag des Bandes betonen Richard Lerner und Michelle Boyd die Notwendigkeit eines integrativen Ansatzes für Entwicklung, Bildung und Zivilgesellschaftliches Engagement. Nur so könnten die wechselseitigen Einflüsse zwischen den sich entwickelnden jungen Menschen und ihrer Umwelt angemessen verstanden werden, welche die Basis für eine produktive Entwicklung seien. Ansgar Klein stellt in seinem Artikel Ziele und Anliegen politischer Bildung vor und „stellt diese in den Kontext von Erfahrungsbezügen des politischen und sozialen Lernens“ (S.113)und plädiert für eine Verschränkung schulischer und außerschulischer Institutionen der politischen Bildung. Mit der Bedeutung von Ganztagesschulen bei der Förderung von Partizipation und Engagement setzen sich Birger Hartnuß und Stephan Maykus auseinander. Dabei betonen sie die Ambivalenzen, denn die sich bietenden Chancen müssten im jeweiligen Setting der Schule unter Entwicklung angepasster Konzepte und Standards aktiv genutzt werden. Claudia Leitzmann und Thomas Röbke unterstreichen die Notwendigkeit des Brückenbaus zwischen Schule und Gemeinwesen. Sie fordern von der Politik i Verankerung von Bürgerschaftlichem Engagement in den Lehrplänen. Denn Strategien wie Service Learning seien kein schmückendes Beiwerk, sondern zentrale Methoden zur Verknüpfung beider Sphären.

In Kapitel 3 setzen sich die Autoren in sieben Aufsätzen mit Methoden und Konzepten der Engagementförderung in und durch Schulen auseinander. Die Bandbreite der besprochenen Methoden reicht von Service Learning bis zu Freiwilligendiensten, von Mentorenkonzepten bis zu Generationenlernen. Anne Sliwka erläutert Idee, Zielsetzung und Bedeutung des aus den USA stammenden Konzepts des Service Learning, das m wesentlichen daraus besteht, dass Schüler im Rahmen des Unterrichts ein Projekt durchführen, dessen Ergebnis dem Gemeinwesen zugute. Ute Recknagel-Saller stellt die so genannten „themenorientierten Projekte“ als neben Fächern und Fächerverbünden dritte Unterrichtskategorie in baden-württembergischen Realschulen vor, welche Lernen, praktisches Arbeiten, soziale Erfahrungen und Einblicke in die Berufswelt zu verbinden suchen und Kooperationen mit außerschulischen Akteuren fördern. Thomas Kegel gibt in seinem Beitrag eine Einführung in das Freiwilligenmanagement mit Bezug zur Schule und stellt fünf Modelle der Koordination vor, in denen Lehrer, Schüler und Eltern, aber auch externe Akteure als Koordinatoren auftreten können. Schulische Freiwilligendienste als Bildungs- und biographische Orientierungsangebote stellt Philipp Stemmer-Zorn vor. Dabei zeigt sich, dass das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) an einer Schule inzwischen eine relevante Alternative zur Alten- oder Behindertenhilfe geworden ist. Stefan Bestmann et al. stellen das Mentorenprojekt „Hürdenspringer“ und seinen Nachfolger „Hürdenspringer+“ vor. Mit dem Projekt werden Schülerinnen und Schüler aus sozial benachteiligten Familien beim Berufseinstieg unterstützt. Dies übernehmen freiwillig engagierte Mentoren, die jeweils eine Person betreuen. Durch die Dokumentation der Wirkung und Evaluation einzelner Module bietet der Beitrag zahlreiche Anregungen. Mit Generationenprojekten beschäftigt sich Volker Amrhein und betont deren emanzipatorische und integrative Bedeutung. Einzelne Projekte können über die Beispielliste in Form von Links eingesehen werden. Gisela Jakob beschließt dieses Kapitel mit einem Beitrag zu Service Learning in New York, in dem sie ihre Eindrücke aus einer Begegnung mit Community Service und Service Learning an dortigen Schulen schildert. Dabei grenzt sie eine Reihe von Varianten des Engagements gegeneinander ab und stellt diese beispielhaft vor. Abschließend setzt sie sich mit Erfolgsbedingungen dieser Formen auseinander.

In den fünf Beiträgen von Kapitel 4 werden verschiedene Settings und Kontexte für Engagement, Demokratie und Partizipation in Schulen wie etwa Netzwerkbildung, Schülerbeteiligung, Klassenräte und Selbstorganisation mit neuen Medien untersucht. Sigrid Meinhold-Henschel betont die zunehmende Bedeutung von Vernetzung im Bereich der Engagementförderung. Denn, so die Autorin, auch im Bereich informeller Bildung würden zunehmend soziale Ausschlussmechanismen greifen. Der daraus resultierenden „mangelnden gesellschaftlichen Einbindung von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen“ (S.256) könne und müsse durch gezielte Anstrengungen und Vernetzungsangebote entgegengewirkt werden. Heike Kahl thematisiert in ihrem Beitrag anhand von Beispielen die Bedingungen, unter welchen Partizipation von Schülern zur „Entwicklung einer demokratischen Alltagskultur“ (S.260) beitragen kann. Dabei sei das wichtigste, dass Engagement nicht als „lästiges Übel“ verstanden werde. Lennart Beeck bilanziert Schülerbeteiligung und ihre Formen in Hinblick auf ihre engagementpolitische Wirkung. Dabei betont er, dass diese nicht nur den Rahmen für Diskurse bieten müsse, sondern auch für verantwortliche Mitgestaltung, um eine demokratisierende Wirkung zu entfalten. Josef Blank erläutert mit dem Klassenrat ein Grundlageninstrument der Demokratiepädagogik, das als geschützter Raum die Möglichkeit einer selbstverantworteten Umsetzung demokratischer Prinzipien ermöglicht und für Schule wie Bürgergesellschaft zu einem wertvollen Beteiligungssystem werden kann. Mit der Nutzbarkeit neuer Medien wie Homepages, Blogs und Internetforen für Engagement und Selbstorganisation setzt sich Reinhild Hugenroth auseinander. Dabei betont sie, dass sich Schulklima und Leistungsbereitschaft durch eine „selbstorganisierte veränderte Kommunikation aller an Schule Beteiligten“ (S.296) verbessern lasse.

Das mit zehn Beiträgen umfassendste Kapitel 5 setzt sich mit Bereichen und Akteuren der Kooperation von Schule und Gemeinwesen auseinander. Dabei wird ein breites Spektrum berücksichtigt: Jugendverbandsarbeit, Sport, Kultur, Freiwilligenzentren, schulische Vereine, interkultureller Dialog Ernährung und globales Lernen. Christian Weis bilanziert das ambivalente Verhältnis von Jugend(verbands)arbeit und Schule. Beide könnten sich, so der Autor, aufgrund ihrer Verschiedenheit ergänzen, jedoch nicht ersetzen. Beispielsweise sei der Bereich der Ganztagesschulen einer, in dem beide Seiten voneinander profitieren könnten. Karin Fehres, Gudrun Schwind-Gick und Boris Rump betonen die Bildungspotenziale im organisierten Sport als Lernort für Engagement und Kompetenzen, die durch eine stärkere Verknüpfung von Schule und Sportvereinen und -verbänden besser genutzt werden könnten. Kerstin Hübner schildert anhand einiger Beispiele das Potential von kulturellem Engagement von Schulen, Einrichtungen und Erwachsenen, das leider kaum systematisch genutzt werde (S.325). Ausgehend von der Agenda 21 diskutiert Klaus Hübner Nachhaltige Entwicklung als ein Lern- und Handlungsfeld, in dem konkrete Projekte für eine bessere Vernetzung von Schule, Verbänden und Experten sorgen können. Dies illustriert er mit Beispielen aus dem Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. Yvonne Möllers und Bernhard Suda stellen Freiwilligenzentren als gesellschaftliche Entwicklungsagenturen vor, die „Information, Beratung und Vermittlung (…) in allen Fragen zum bürgerschaftlichen Engagement“ (S.337) anbieten. Sie können, so die Autoren, auch für Schulen eine Schlüsselstelle zur Engagementförderung sein, wie die vorgestellten Aktivitäten in den Bereichen Kurzzeitengagement, Service Learning, Projektseminare und Patenschaften illustrieren. Gerd Nosek diskutiert Zukunftsperspektiven für schulische Fördervereine, die im Schulalltag eine immer bedeutendere Rolle spielen, um „den Schülern das Lernen in der Schule [zu] ermöglichen“ (S.345). Dabei betont er die positiven Effekte einer Mitgliedschaft im Bundesverband der Fördervereine in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (BFD), welche neben der Unterstützung der Vereinsverwaltung Ansprechpartner für die speziellen Probleme sei und nicht zuletzt Versicherungsschutz biete. Die Vereinsgründerin Christiane Richter stellt Seniorpartner in School e.V. vor. Die Idee es Vereins besteht darin, „eine Brücke zwischen den Generationen zu bauen“ (S.351) und das Wissen der älteren Generation im Engagement in Schulen zu entfalten. Siglinde Naumann illustriert die Bedeutung von interkultureller Bildung und interkulturellem Dialog für Demokratie- und Toleranzlernen in heterogenen Lebenswelten am Projekt „lern-netzwerk Bürgerkompetenz“. Im Rahmen des Projekts wurden Lernarrangements in Zusammenarbeit mit den Zielgruppen – afrikanisch-christliche Gemeinden in Hamburg und ältere Migranten in Nordrhein-Westfalen – zu entwickeln du durchzuführen. Katharina Avemann und Catherina Jansen zeigen am Beispiel Schulverpflegung, dass Kooperation auch im Bereich Gesundheit und Ernährung wichtig ist. Denn die Zufriedenheit mit der Schulverpflegung sei dort am größten, wo „vermehrt auf eine Kooperation mit lokalen Partnern, auf Partizipation der Schülerinnen und Schüler sowie auf Zusammenarbeit mit Eltern“ (S.367) setze. Sybille Jester erläutert abschließend beispielhaft, dass erfahrene ehemalige Entwicklungshelfer als Referenten im Rahmen des Globalen Lernens einen wertvollen Beitrag zur Kompetenzentwicklung etwa der Meinungsbildung, dem vernetzten Denken und Sensibilität gegenüber Anderem schon im Vor- und Grundschulalter leisten können.

In Kapitel 6 wird das Verhältnis von Schule und Wirtschaft thematisiert. Dabei geht es in den drei Beiträgen um die Kooperation von Unternehmen und Schulen und deren Grenzen sowie das Thema Schulsponsoring. Peter Friedrich betont in seinem Beitrag über die Kooperation von Unternehmen und Schulen, dass diese keineswegs neu seien. Der Reformdruck auf Schulen einerseits und Klage über den Mangel an Fachkräften andererseits verleihe der Debatte aber neue Dynamiken. Im Vordergrund stehen dabei Sponsoring, Spenden, Unternehmenspraktika, Berufsvorbereitung und Unternehmensbesichtigungen. Einige Studien weisen auf Ungleichheiten in der Zusammenarbeit, aber auch auf positive Effekte hin. Helmut Schorlemmer beleuchtet den Bereich des Schulsponsorings genauer. Im Unterschied zu Mäzenatentum stehen den Förderleistungen von Unternehmen Gegenleistungen in Form von Imagewerbung gegenüber. Gerade angesichts der schwierigen Finanzlage vieler Kommunen sei es daher wichtig Regeln zu beachten, die erfolgreiches Sponsoring garantierten. Zu diesem Zwecke erläutert der Autor Bausteine einer Sponsorenkonzeption. Frank Heuberger und Birger Hartnuß diskutieren in ihrem Beitrag die Chancen und Grenzen der Kooperation zwischen Wirtschaft und Schule. Sie plädieren dabei für einen kritischen Umgang mit solchen Kooperationen. Sie seien dahingehend zu prüfen, „ob sie einen wirksamen Beitrag zur Erfüllung des öffentlichen Bildungsauftrags“ (S.416) leisteten und nicht eher dem „greenwashing einer sozial verantwortungslosen Formenpolitik“ dienten.

Ein Interview von Jens Hänisch mit Wolfgang Edelstein zum Stand der Entwicklung und zu Zukunftsperspektiven der Trias Bürgerschaftliches Engagement, Demokratie und Schule schließt anstatt eines Ausblicks den Band als Kapitel 7 ab.

Diskussion

Wenn etwas kritisch angemerkt werden kann, dann lediglich, dass sich hinsichtlich der Frage möglicher Interaktionen von Wirtschaft und Schule zumindest sprachliche Widersprüche zeigen. Denn entgegen der im kritisch-prüfenden Positionierung im Beitrag von Heuberger und Hartnuß klingt in mehreren Beiträgen eine „Ökonomisierung“ der Schule (Schule als soziales Unternehmen, Governance durch Wettbewerb, Wettbewerb zwischen Schulen, Community und Service Learning) an, die hinsichtlich der Zielsetzung der Stärkung von Demokratie und Engagement ambivalent ist. Denn diese verweist eben nicht auf Demokratisierung und Partizipation, sondern die zumindest sprachliche Übernahme einer anderen Systemlogik, die ähnlich wie Hierarchie ihre Schwierigkeiten mit Beteiligung und Engagement hat. Umso wichtiger ist es, dass die vielen Theorien, Konzepte, Methoden und Anregungen aus dem vorliegenden Band bedacht und angewandt werden.

Wer sich einen Überblick über die Diskurse um Schule und Bürgerschaftliches Engagement verschaffen will, ist mit diesem Band gut bedient – insbesondere in Ergänzung und Vertiefung zum thematisch breiter gehaltenen „Jahrbuch Engagementpolitik“, dem ersten Band aus der Reihe „Engagement und Partizipation in Theorie und Praxis“, der einen Überblick über die gesamte Arbeit des BBE gibt. Aber auch und gerade Leserinnen und Leser, die theoretische und praktische Anregungen suchen, finden hier eine Reihe von anregenden Beispielen. Insgesamt also ein sehr gelungener Band zu einem viel zu lange unsystematisch und niedrigschwellig diskutierten Bereich des bürgerschaftlichen Engagements und des Lernens von Demokratie.

Fazit

Der vorliegende Band zeichnet in seiner Breite und Tiefe einzigartiges und vergleichsweise systematisches Bild über die Herausforderungen und Chancen für die Entwicklung von Schule als Ort des Demokratielernens. Gerade, dass sich Schulen verändern müssen, um Demokratie- und Engagement-Lernen zu fördern, ist eine wichtige Erkenntnis, die im vorliegenden Band durch Beispiele aus Theorie und Praxis eindrücklich untermauert wird. Es enthält daher viele Anregungen auch und gerade für Praktiker, die sich Gedanken um eine Stärkung von Partizipation und Engagement in ihrer Schule machen.

Rezension von
Dr. Rolf Frankenberger
Politikwissenschaftler
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Es gibt 22 Rezensionen von Rolf Frankenberger.

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ISSN 2190-9245