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Bernhard Hauser: Spielen. Frühes Lernen in Familie, Krippe und Kindergarten

Rezensiert von Patricia Methling, 02.04.2014

Cover Bernhard Hauser: Spielen. Frühes Lernen in Familie, Krippe und Kindergarten ISBN 978-3-17-021975-5

Bernhard Hauser: Spielen. Frühes Lernen in Familie, Krippe und Kindergarten. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2013. 215 Seiten. ISBN 978-3-17-021975-5. 26,90 EUR.
Reihe: Entwicklung und Bildung in der frühen Kindheit.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Seit Erstellung der Rezension ist eine neuere Auflage mit der ISBN 978-3-17-030117-7 erschienen, auf die sich unsere Bestellmöglichkeiten beziehen.

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Thema

Das Buch geht der Bedeutung und Anlage kindlichen Spiels nach und unterstreicht somit einmal mehr, dass dieses kindliche Tätig sein die Grundlage allen Seins bildet. Der Titel des Buches weist eine Ambiguität auf und gibt dem interessierten Leser von Anbeginn die Möglichkeit, zwei Lesarten anzustreben. Zum einen die Chance, sich selbst mit seiner Sicht auf das kindliche Spiel auseinander zu setzen und zum anderen den Mut zu haben, viele Tätigkeiten des Kindes mit spielerischen Elementen zu verbinden.

Autor

Der Autor Prof. Dr. phil. Bernhard Hauser ist ein renommierter Schweizer Spiel-und Bildungsforscher, der als Professor für Psychologie & Pädagogik an der Pädagogischen Hochschule St. Gallen mit den Schwerpunkten Entwicklung und Lernen in der frühen Kindheit, Lernen im Spiel, Mobbingprävention, Klassenführung, Wirkung von gewalthaltigen Computer-und Videospielen, Begabungsförderung und Entwicklung von Expertise tätig ist.

Entstehungshintergrund

Die veränderten Bedingungen des Aufwachsens von Kindern führten dazu, dass auch das kindliche Spiel nebst den dazu vorgesehenen Materialien Veränderungen unterworfen ist. Bereits 1991 stellte Rimmet van der Kooij, Präsident des ICCP fest, dass es zur damaligen Zeit weit über 4000 wissenschaftliche Publikationen über das Spiel gibt und dennoch gelingt es dem Autor, im Jahr 2013 ein Werk vor zu legen, das als eine Art Kompendium bezeichnet werden kann. Es entstammt der Lehrbuchreihe „Entwicklung und Bildung in der Frühen Kindheit“ und richtet sich vordergründig an Auszubildende und Fachkräfte im pädagogischen Kontext.

Aufbau

Das Buch besteht aus 215 Seiten. Diese setzen sich aus einem Vorwort der Herausgeberin und des Herausgebers, einer Einleitung, fünf Kapiteln mit detaillierten Unterkapiteln zu ausgewählten Themen und Hintergründen rund um das kindliche Spiel und je einem sehr akribisch angelegten Inhaltsverzeichnis am Ende eines jeden Kapitels, zusammen. Zudem erhält der Leser auf den letzen 32 Seiten des Buches eine fundierte Literatursammlung zum Spiel in früher Kindheit.

Inhalt

Vorwort. Die Herausgeber der Lehrbuchreihe „Entwicklung und Bildung in der Frühen Kindheit“ geben in diesem Kapitel ein Statement zur Anlage und Zielsetzung der Publikationen ab. In den einzelnen Bänden sollen jeweils unterschiedliche Bildungsbereiche einer näheren wissenschaftlichen Betrachtung unterzogen werden.

Einleitung. Ziel der Einleitung soll sein, die Hintergründe dar zu legen, die zur Entstehung des Werkes führten. Hierbei wird einmal mehr deutlich und vom Verfasser mit aller Deutlichkeit unterstrichen, wie wichtig es gerade im Elementarbereich ist, sich der Thematik Spiel ausführlich zu widmen. Ein Hoch auf das Spiel und ein Hoch auf jene, die mit dem Bildungsauftrag für Kinder bis sechs Jahre vertraut sind und damit einmal mehr die Wichtigkeit des kindlichen Spiels im Alltag herausstellen und auch befördern können.

1. Spieldefinitionen und Bedingungen für Spiel. Dieses Kapitel setzt sich mit der widersprüchlichen Haltung von Experten auseinander, die sich mit Spieldefinitionen beschäftigen. Sehr pragmatisch beschreibt der Autor, dass allein der kindliche Akteur darüber befindet, ob seine Tätigkeit als Spiel bezeichnet werden kann. Einmal mehr plädiert Hauser dafür, dem Spiel breite Präsentationsmöglichkeiten zu geben, vor allem dann, wenn das Spiel vor allem im Elementarbereich einer besonders intensiven Verschulung ausgesetzt ist. Neben einem geschichtlichen Abriss zur Spielgeschichte, der Aufführung bedeutender Vertreter und einem Definitionsversuch wurde auf Grundlage dieser Erkenntnisse und neuesten wissenschaftlichen Ergebnissen eine exklusive Spieldefinition, wie sie noch in keinem Werk vor zu finden ist, dargestellt. Anhand ausführlicher Merkmale wird diese Definition wissenschaftlich belegt. Danach stellt der Autor interessante Bezüge zwischen familiärem Stress, sicherer Bindung und den Einflüssen auf das kindliche Spiel dar. Durch eine Vielzahl an Forschungsergebnissen gelingt es Hauser einmal mehr hervor zu heben, dass eine sichere Bindung des Kindes positive Auswirkungen auf sein Spielverhalten haben kann. Das Werk lebt von einer Fülle an methodisch-didaktischen Möglichkeiten, die die Quintessenz aus den gezogenen Konsequenzen für die pädagogische Praxis besonders betonen. So werden in diesem Kapitel Möglichkeiten der Spielförderung und gleichzeitig auch die Notwendigkeiten des Vorhandenseins von Gelingensbedingungen bekräftigt: Die dabei geäußerten Tipps richten sich aber nicht nur an das pädagogische Fachpersonal, sondern auch an die ersten Experten für dass Kind- an seine Eltern. Gleichzeitig stellt am Ende des 1. Kapitels der Autor eine wichtige Behauptung auf: Je versunkener ein Kind im Spiel ist, desto mehr ist das ein Anzeichen dafür, dass dieses Kind frei von Belastungen ist. Daraus zieht er eine tiefgreifende Forderung, vor allem für die Pädagogen: Die Institutionen, in denen sich das Kind tagsüber aufhält, zu ‚problemfreien Inseln‘ (S.43) aus zu rufen und so einmal mehr das In-sich-Versunkensein zu fördern.

2. Biologische Funktion. Aus biologischer Sicht wendet sich Hauser in diesem Kapitel der Thematik Spiel zu. Der Leser findet hier interessante Einblicke in die Ontogenese des Spiels und wird daneben mit biologischen Gelingensbedingungen des Spiels vertraut gemacht. Im weiteren Verlauf widmet sich der Autor der Gender-Thematik. Das ist besonders für den Elementar-und Primarbereich von überaus großer Bedeutung, liegt doch in beiden Bereichen der Anteil weiblicher pädagogischer Fachkräfte im oberen Drittel der Skala. Es gelingt Hauser, sowohl für den Auszubildenden als auch für die erfahrene pädagogische Fachkraft verständlich und gleichermaßen wissenschaftlich fundiert darzustellen, worin sich das Spiel der Mädchen vom Spiel der Jungen unterscheidet. Die Vielzahl an Literaturverweisen bietet dem interessierten Leser die Möglichkeit, darüber hinaus auf dem Gebiet des geschlechterbezogenen Spielverhaltens noch weitere Anregungen und Tipps zu erhalten.

3. Die wichtigsten Spielformen. Dieses 3. Kapitel kann als Herzstück des Buches bezeichnet werden (zusammengesetzt aus insgesamt 40 Teilkapiteln). In diesen Ausführungen erhält der Leser in akribischer und detaillierter Weise Informationen über die wichtigsten Spielformen. In imposanten und eindrücklichen Stil gelingt es Hauser, neben den Darstellungsweisen und Funktionen ausgewählter Spielformen parallel wissenschaftliche Studien einfließen zu lassen, die Gesagtes damit verifizieren. Sowohl für den Berufseinsteiger als auch den versierten Fachmann eignen sich diese Darlegungen besonders; zum einen in der Form, um gerades erworbenes Fachwissen zu vertiefen oder auch bestehendes auf zu frischen.

4. Kulturelle Funktion. Bernhard Hauser geht im Vorfeld seiner Ausführungen von der These aus, dass jene Menschen, die in ihrer Kindheit viel Zeit mit Spiel verbringen, bessere Berufschancen haben als jene, die in ihrer Kindheit wenig spielen. Es schließen sich eine Reihe biologischen Grundlagen an, die für kulturelles Spiel von Wichtigkeit sind. Des Weiteren geht der Autor einer Fragestellung nach, die vor allem im heutigen Zeitalter wichtiger und notwendiger denn je ist. Die Medizin als auch eine Vielzahl an pädagogischen Fachkräften greifen leider noch immer in ihrem Alltag auf veraltete Testung und weniger Kind zentrierte Methoden zurück, wenn es um die Auseinandersetzung mit der Thematik ‚Schulfähigkeit‘ geht. Der Autor hingegen bricht in diesem Kapitel das starre Muster auf und setzt dagegen eine seit einiger Zeit bewährte Spielpraxis, die all die Fähigkeiten und Kompetenzen im Kinde im Sinne eines konstruktiven Bildungsverständnisses anbahnt, ohne es langfristig Drill und verschulten Methoden auszusetzen. Im weiteren Verlauf findet der interessierte Leser wissenschaftlich fundierte Ausführungen für eine gelingende Frühpädagogik. Im internationalen Vergleich führt Hauser Ergebnisse aus Studien zu deren Gelingensbedingungen in der Elementarpädagogik auf. Besonders Augenmerk gilt dabei den Verweisen auf Die EPPE-Studie; könnten diese vorliegenden Ergebnisse nicht unbedeutend auch auf das in Deutschland begonnene Verständnis im Sinne der Ko-Konstruktion sein. Die nun im Anschluss genannten Wirkungen, die vom kindlichen Spiel ausgehen können, untermauern einmal mehr, welch gravierende Vorteile spielende Kinder auch mittel-und langfristig für ihre Entwicklung ableiten können. Dass dabei der kindlichen Fantasie die größte Komponente im Rahmen der Spielbegleitung zukommt, ist unbestritten. In einem abschließenden Teil dieses Kapitels stellt Hauser fachlich fundiert Möglichkeiten vor, wie die grundlegenden Kulturtechniken auf spielerische Weise vermittelt werden können und dabei die Motivation des Kindes positiv beeinflussen.

5. Ausgewählte (kulturelle) Domänen des Spiels. Bernhard Hauser widmet sich in diesem letzten Kapitel den Bereichen Sozialverhalten, Sprache und Mathematik und führt Zusammenhänge auf, wie diese Bereiche in den ersten sieben Lebensjahren durch zahlreiche Spielerfahrungen positiv beeinflusst werden können. Seine Aussagen untermauert der Autor mit fundierten Studien zum Spielverhalten in sozialen, sprachlichen und mathematischen Bereichen. Am Ende diese Kapitel setzt sich der Autor auch mit der Frage nach dem Einsatz des Computers, dem Einsatz von Computerspielen im Vorschulalter auseinander und vertritt dabei eine sehr eindrucksvolle Meinung, die da lautet, dass diesen Medien durchaus Platz und Berechtigung im Vorschulalter einzuräumen sei, die Frage stellt sich lediglich nach dem zeitlichen Umfang.

Diskussion

Zusammenfassend kann man sagen, dass dieses Werk eine Hochschrift auf das kindliche Spiel darstellt. Wer dieses Buch liest, bekommt Lust, sich mit diesem Thema intensiver zu beschäftigen sowie im Alltag viele Gelegenheiten zu nutzen, um kindliches Spiel zu ermöglichen. Das Buch bietet eine umfassende und verständliche Einführung-sowohl für den pädagogischen Fachmann als auch den interessierten Laien in das kindliche Spielverhalten an. Der Autor hebt dabei die enorme Bedeutung des Einsatzes vom Spiel in früher Kindheit hervor und untermauert diese Aussagen mit internationalen Studien und gut strukturierten Beispielen aus eigenem pädagogischem Erleben. Der berühmte und epochemachende Wissenschaftler Einstein hat in einem Gespräch mit J. Piaget auf die Problematik des Verstehens von Kinderspielen mit folgenden Worten hingewiesen: ‚Das Verständnis des Atoms ist ein Kinderspiel im Vergleich zum Verständnis des Kinderspiels‘. Bernhard Hauser hat mit dem vorliegenden Werk ein wesentliches Stück zur Verständlichkeit beigetragen.

Fazit

Spiel und besonders kindliches Spiel ist, historisch betrachtet, schon lange Gegenstand philosophischer und poetischer Betrachtungen sowie verschiedener wissenschaftlicher Analysen. Die ersten Deutungsversuche reichen bis in die Antike zurück. Wenngleich das öffentliche und wissenschaftliche Interesse am Spiel nicht über alle Zeitepochen kontinuierlich fortbestand, so gibt es dennoch gegenwärtig eine kaum zu überschauende Flut von Publikationen, in denen Ergebnisse und empirische Einzelbefunde dargestellt sind. Das umfängliche vorliegende Werk von Bernhard Hauser hebt sich in vielerlei Hinsicht von den auf dem Markt vorhandenen Publikationen zum Thema ab, allein schon deshalb, da es eindrücklich die Facetten kindlichen Spiels darstellt und gleichzeitig als eine Art Ratgeber an Erwachsene richtet, ihre eigene Rolle zu reflektieren und ggf. zu korrigieren. In jeden Fall ein Buch, das in keiner (erziehungswissenschaftlichen) Bibliothek fehlen sollte.

Rezension von
Patricia Methling
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Es gibt 2 Rezensionen von Patricia Methling.

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Zitiervorschlag
Patricia Methling. Rezension vom 02.04.2014 zu: Bernhard Hauser: Spielen. Frühes Lernen in Familie, Krippe und Kindergarten. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2013. ISBN 978-3-17-021975-5. Reihe: Entwicklung und Bildung in der frühen Kindheit. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/15802.php, Datum des Zugriffs 18.01.2025.


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