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Ulrich Stascheit, Gerd Stecklina (Hrsg.): Jüdische Wohltätigkeits- und Bildungsvereine

Rezensiert von Prof. (i.R.) Dr. Gudrun Ehlert, 16.04.2014

Cover Ulrich Stascheit, Gerd Stecklina (Hrsg.): Jüdische Wohltätigkeits- und Bildungsvereine ISBN 978-3-943787-01-6

Ulrich Stascheit, Gerd Stecklina (Hrsg.): Jüdische Wohltätigkeits- und Bildungsvereine. Fachhochschulverlag (Frankfurt am Main) 2013. 345 Seiten. ISBN 978-3-943787-01-6. D: 24,00 EUR, A: 24,70 EUR, CH: 34,50 sFr.
Arbeitskreis Geschichte der Jüdischen Wohlfahrt in Deutschland: Schriftenreihe des Arbeitskreises Geschichte der Jüdischen Wohlfahrt in Deutschland - Band 5.

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Herausgeber und AutorInnen

Die vorliegende Publikation ist der fünfte Band der „Schriftenreihe des Arbeitskreises Geschichte der Jüdischen Wohlfahrt in Deutschland“. Der Arbeitskreis wurde im Jahr 2002 gegründet und hat sich der Aufarbeitung und Verbreitung der „Geschichte der jüdischen Wohlfahrt in Deutschland“ verschrieben.

Herausgeber dieses Bandes sind Ulrich Stascheit und Gerd Stecklina.

  • Ulrich Stascheit ist pensionierter Hochschullehrer für Arbeits- und Arbeitslosenrecht am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit der Fachhochschule Frankfurt am Main und Leiter des Fachhochschulverlages.
  • Gerd Stecklina ist Hochschullehrer für Theorie und Geschichte Sozialer Arbeit an der Hochschule für angewandte Wissenschaften München.

Die Autorinnen und Autoren der Beiträge zu den jüdischen Wohltätigkeits- und Bildungsvereinen stammen mehrheitlich aus den Geschichtswissenschaften.

  • Dr. Erika Hirsch ist Germanistin und Historikerin, sie leitet die Gedenk- und Bildungsstätte Israelitische Töchterschule (Hamburger Volkshochschule) in Hamburg.
  • Harald Lordick ist als Diplom-Sozialwissenschaftler wissenschaftlicher Mitarbeiter im Salomon Ludwig Steinheim – Institut für deutsch-jüdische Geschichte an der Universität Duisburg-Essen.
  • Dr. Beate Meyer (Politik-, Geschichts- und Literaturwissenschaft, Pädagogik) arbeitet am Institut für die Geschichte der deutschen Juden an der Universität Hamburg.
  • Dr. Sebastian Panwitz (Neuere und Neueste Geschichte, Europäische Ethnologie) ist selbständiger Historiker.
  • Dr. Björn Siegel (Neuere und Neueste Geschichte mit dem Schwerpunkt Jüdische Geschichte und Kultur, Ost- und Südosteuropäische Geschichte und Religionswissenschaft) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für die Geschichte der deutschen Juden an der Universität Hamburg.
  • Dr. Angelika Schwarz (Sozial- und Wirtschaftsgeschichte) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Ferdinand Beneke-Editionsprojekt Hamburg.
  • Dr. Gunda Ulbricht ist Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei HATIKVA e.V.

Aufbau und Inhalt

Die Publikation besteht aus zwei Teilen.

  1. Der erste Teil, auf weißem Papier gedruckt, versammelt sieben Originalbeiträge, die auf Vorträgen beruhen, die anlässlich der Jahrestagungen des Arbeitskreises 2010 und 2011 gehalten wurden.
  2. Der zweite Teil auf gelbem Papier enthält Nachdrucke historischer Texte zu jüdischen Wohltätigkeits- und Bildungsvereinen, die alle mit einer Einführung versehen sind.

Einen umfassenden Überblick zum Thema liefert der einführende Beitrag von Harald Lordick „Mildtätigkeit, Solidarität und Selbsthilfe – Jüdische und Wohltätigkeits- und Bildungsvereine im 19. Jahrhundert“. Hier wird deutlich, in welchem Ausmaß sich im 19. Jahrhundert jüdische Wohlfahrt zur formalisierten Hilfe in Gestalt eines Vereins institutionalisiert hat. So gab es 1905 ca. 5000 jüdische Vereine in Deutschland von denen sich ein großer Teil (ca. 3000) wohltätigen Zwecken widmete.

Erika Hirsch skizziert in ihrem Beitrag „Jüdische Vereine in Hamburg -Tradition und neue Herausforderungen“ die Geschichte jüdischer Wohlfahrt im Kontext jüdischer Vereinsgeschichte in Hamburg. Sie beschreibt die Tradition der Zedaka, die wohltätige Spende als Ausgleich zwischen reich und arm, für die auch ein Verein einen geeigneten Rahmen bot. Vereine organisierten die Krankenversorgung, verteilten Feuerung und Nahrungsmittel „unterstützten arme Greise, Witwen und Waisen, Wöchnerinnen, durchreisende Fremde, kleideten Schüler aus minderbemittelten Familien ein, gewährten Mietzuschuss, verköstigten bedürftige Familien am Sabbat“ (Hirsch 2013, 29). Hirsch beschreibt detailliert die Entwicklung von traditionellen jüdischen Wohltätigkeitsvereinen und Vereinen zur gegenseitigen Unterstützung der Mitglieder bis hin zu den Initiativen moderner Sozialarbeit durch jeweils eigenständige neu gegründete Vereine um die Jahrhundertwende.

In dem Beitrag von Ulrich Stascheit „Der Verein zur Versicherung gegen Stellenlosigkeit“ steht die Auseinandersetzung mit der Absicherung gegen Arbeitslosigkeit im Zentrum. Aufgrund der antizipierten hohen Risiken und Kosten wurde in Deutschland eine gesetzliche Arbeitslosenversicherung erst 1927 eingeführt. Bis dahin gab es nur Versuche auf freiwilliger, privatrechtlicher Basis eine Absicherung von ArbeitnehmerInnen gegen Arbeitslosigkeit vorzunehmen. Ein solches Beispiel steht im Zentrum des Beitrags von Stascheit, er berichtet über die Gründung und Umsetzung eines Vereins zur Versicherung gegen Stellenlosigkeit in Frankfurt am Main, insbesondere für sabbattreue Handlungsgehilfen. Deren Risiko arbeitslos zu werden war mit der Verschärfung der Sonntagsruhe gestiegen. Zusätzlich zum Sabbat musste auch der Sonntag als Arbeitstag entfallen. Wie aufwendig, kreativ und fundiert der Verein seit 1898 seine Arbeit organisierte ist bis heute unbekannt. Hier schließt der informative Beitrag von Stascheit eine Lücke.

Der zweite Teil der Veröffentlichung besteht aus insgesamt sechs ganz unterschiedlichen Nachdrucken von Originalschriften. Als erstes findet sich ein Nachdruck der „Gedenkblätter zur Erinnerung an das 175 jährige Jubiläum des Wohltätigkeitsvereins im ehemaligen Amt Starkenburg (Sitz Lorsch) 1739-1914“. Die Gedenkblätter wurden 1914 durch Moritz Mainzer verfasst und auch zum Gedenken an ihn und seine Familie als Nachdruck in die Publikation aufgenommen.

In einer Festschrift zum fünfzigjährigen Bestehen (1861-1911) des Vereins zur Unterstützung mittelloser israelitischer Studierender in Wien werden in den kurzen Beiträgen der Gratulanten und Gratulantinnen Positionen eines modernen und bildungsoffenen Judentums deutlich wie auch die Auseinandersetzung mit dem wachsenden Antisemitismus.

Lina Morgenstern hat 1893 ein über 550 Seiten umfassendes Handbuch zur Frauenarbeit in Deutschland erstellt. Darin enthalten sind auch Statistiken über die „Wohlfahrtsbestrebungen von und für Frauen“ (Lordick 2013, 299). Morgenstern sah in der Sozialarbeit eine Chance für die Emanzipation der Frauen und sie widmete der jüdischen Frauenwohlfahrtspflege ein eigenes Kapitel in ihrem Werk. Diese einzigartige Zusammenstellung findet sich abgedruckt in dieser Publikation, mit einer sehr informativen Einleitung von Harald Lordick.

Diskussion und Fazit

Die vorliegende Publikation „Jüdische Wohltätigkeits- und Bildungsverein“ liefert einen umfassenden Überblick über einen Ausschnitt der Geschichte der Sozialen Arbeit. Die Beiträge und die Einführungen in die historischen Nachdrucke sind sehr differenziert und anregend. Sie können das historische Interesse für Details fördern und im Rahmen von Seminaren zur Geschichte der Sozialen Arbeit zu regionalen Recherchen motivieren.

Rezension von
Prof. (i.R.) Dr. Gudrun Ehlert
Hochschule Mittweida, Fakultät Soziale Arbeit
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Es gibt 33 Rezensionen von Gudrun Ehlert.

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ISSN 2190-9245