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Hubert Böke: Die Trauersprechstunde

Rezensiert von Dr. Mechthild Herberhold, 21.03.2014

Cover Hubert Böke: Die Trauersprechstunde ISBN 978-3-8436-0409-3

Hubert Böke: Die Trauersprechstunde. Was in der Trauer weiterhilft. Patmos Verlag (Ostfildern) 2013. 172 Seiten. ISBN 978-3-8436-0409-3. D: 14,99 EUR, A: 15,50 EUR, CH: 21,90 sFr.

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Thema und Entstehungshintergrund

Nach dem Tod eines nahe stehenden Menschen haben viele Trauernde das Gefühl, gleichsam aus der Welt heraus zu fallen. Alles erscheint in einem anderen Licht, nichts ist mehr so wie früher. Sich in dieser neuen Situation zurecht zu finden, ist da nicht einfach. In seiner „Trauersprechstunde“ hat Hubert Böke Fragen zusammengestellt, die Trauernde bewegen, und bietet aus seiner jahrelangen Erfahrung in der Trauerbegleitung Antworten an.

Autor

Der evangelische Klinikseelsorger Hubert Böke (* 1951) hat 25 Jahre lang zusammen mit seiner Frau Lene Knudsen im Auftrag des evangelischen Kirchenkreises Leverkusen trauernde Menschen begleitet. Sieben Jahre lang war er Leiter der Begegnungsstätte auf dem Friedhof Leverkusen-Reuschenberg. Hier können in einer Blockhütte der früheren Landesgartenschau Trauernde - unterstützt von ehrenamtlichen Trauerbegleiterinnen - sich austauschen, miteinander lachen und weinen. Darüber hinaus arbeitet Böke als Supervisor mit dem Schwerpunkt Hospiz.

Aufbau und Inhalt

Nach einem Vorwort greift Böke in 34 Fragen alltagsnahe und existenzielle Facetten von Trauerprozessen auf. Seine Antworten umfassen jeweils zwischen zwei und sieben Seiten. Zitate aus Liedern, (Kinder-)Büchern, Märchen oder der Bibel verdeutlichen Trauernden, dass sie mit ihrer Erfahrung nicht allein sind. Das letzte Kapitel enthält Bökes Erzählung „Mein Herz ist wie April“. Abschließend gibt der Trauerbegleiter Anregungen für Anlaufstellen in der eigenen Umgebung.

Die Fragen sind nicht weiter gruppiert. Zwischen „Wie lange wird die Trauer dauern?“ (Kapitel 1) und „Darf ich wieder glücklich sein?“ (Kapitel 34) ist zwar eine mögliche Entwicklung denkbar, nichtsdestotrotz kann jede Frage zu jedem Zeitpunkt des Trauerprozesses gelesen werden, wenn sie denn von Interesse ist.

Die Frage, welche Art von Trauer richtig ist (oder sein könnte), taucht in mehreren Kapiteln auf: „Ist es normal, dass ich mich so schwach fühle?“ (Kapitel 4), „Darf ich zornig sein?“ (Kapitel 8), „Warum trauern wir so verschieden?“ (Kapitel 14) oder „Muss ich wirklich ‚loslassen‘?“ (Kapitel 21). Der Trauerbegleiter ermutigt die LeserInnen durchgehend, sich auf die eigene Trauer einzulassen, denn Trauer ist „die Antwort der Seele auf den Verlust eines nahen Menschen“ (36).

Hubert Böke greift auch belastende Aspekte der Trauer auf: „Kann ich etwas tun gegen die nächtlichen Ängste und die Schlaflosigkeit?“ (Kapitel 24), „Die schrecklichen Bilder des Sterbens überlagern alle Erinnerungen. Was hilft mir, mich auch wieder an die guten Zeiten erinnern zu können?“ (Kapitel 25), „Wie kann ich damit leben, dass wir keinen Frieden miteinander gefunden haben?“ (Kapitel 30) oder „Werde ich irgendwann damit leben können, dass er/sie mich durch den Suizid alleine zurückgelassen hat?“ (Kapitel 29)

Immer wieder gibt der Verfasser konkrete Vorschläge für Rituale, etwa einen „Erinnerungsaltar“ (141) oder ein „Buch des gemeinsamen Lebens“ (143). Er regt an, Jahrestage und Feiertage bewusst zu begehen: „Vielleicht ist es gar nicht so entscheidend, wie Sie diese besonderen Tage verbringen. Aber es ist hilfreich, sich vorher zu überlegen, wie Sie diese Tage gestalten wollen“ (126).

Irgendwann wird das Herz wieder leichter, machen Trauernde neue Erfahrungen, treten vielleicht neue Menschen in das Leben. Dann, so Böke, „wünsche ich Ihnen von Herzen, dass Sie bereit sind, … sich zu verbeugen vor dem neuen Leben, das zu Ihnen kommen will“ (150). Jedoch sollte man dabei nichts überstürzen: „Lassen Sie sich Zeit. Seien Sie behutsam mit sich selbst und überfordern Sie sich (und andere) nicht zu früh mit einer neuen Partnerschaft“ (92). Der Seelsorger bestärkt Trauernde darin, den Toten einen Platz im Herzen und im Leben zu bewahren. „Denn loslassen werden Trauernde ihre Liebsten niemals wirklich. Und wir sollen es auch gar nicht!“ (95f.)

Diskussion

Das Buch versteht sich als Nachschlagewerk. Es lädt zum Blättern ein, auf der Suche nach hilfreichen Gedanken für die eigene Situation. Hubert Böke überlässt es den LeserInnen, was sie aus seinen Angeboten machen. „Wenn eine Antwort hilfreich sein kann, freut es mich. Wenn Sie spüren: ‚Das passt nicht für mich‘, dann verwerfen Sie diese Antwort.“ (13) Er spricht die Leserin, den Leser in der zweiten Person direkt an und ist über viele Ich-Formulierungen selbst als Person präsent. Er hält keine Vorträge, sondern lässt sich – wie im Trauergespräch – auf die Situation von Einzelpersonen ein. „Es scheint in der Trauer eher normal zu sein, dass manches neben der (bisher vertrauten) Spur läuft.“ (25) Behutsam, respektvoll, zurückhaltend und doch klar erzählt er aus seiner Praxis, so zum Beispiel von einer Frau, die nach dem Tod ihres Mannes allein auf ihre langjährige gemeinsame Urlaubsinsel Lanzarote fliegt. Religiöse Deutungsangebote insbesondere aus den Psalmen zeigen, dass Menschen sich seit Jahrtausenden mit Trauer auseinandersetzen. Der Trauerbegleiter macht Mut, sich auf den individuellen Weg einzulassen: „Wie lange Ihre Seele dazu brauchen mag? Sie braucht die Zeit, die sie braucht.“ (16)

Fazit

Ein schönes Geschenk für Trauernde. Darüber hinaus eignet sich das Buch für Menschen, die sich manchmal über Fragen Trauernder wundern und nicht wissen, was sie sagen sollen. Zusätzlich zu seinen inhaltlichen Vorschlägen, was man auf derartige Fragen antworten könnte, gibt Hubert Böke durch die Art und Weise seiner Ausführungen implizit auch Anregungen für einen hilfreichen, wertschätzenden Umgang mit Trauernden.

Rezension von
Dr. Mechthild Herberhold
Ethik konkret, Altena (Westf.).
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Es gibt 16 Rezensionen von Mechthild Herberhold.

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ISSN 2190-9245