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Martina Hahn, Sibylle C. Roll: Beratungshilfe Psychotrope Arzneistoffe

Rezensiert von Dr. Stephanie Pfeuffer, 11.02.2014

Cover Martina Hahn, Sibylle C. Roll: Beratungshilfe Psychotrope Arzneistoffe ISBN 978-3-7741-1246-9

Martina Hahn, Sibylle C. Roll: Beratungshilfe Psychotrope Arzneistoffe. Govi-Verlag Pharmazeutischer Verlag GmbH (Eschborn) 2013. 36 Seiten. ISBN 978-3-7741-1246-9. D: 19,90 EUR, A: 20,50 EUR, CH: 28,50 sFr.

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Thema

Die Beratungshilfe Psychotrope Arzneistoffe erläutert in kompakter Form, wie die verschiedenen Psychopharmaka auf der Rezeptorebene wirken. Die unterschiedliche Affinität der Arzneistoffe zu diesen Rezeptoren erklärt nicht nur die Wirkung der Arzneistoffe, sondern zeigt auf, dass die Nebenwirkungen klar vorhersehbar und damit beherrschbar sind. Mit diesem Hintergrundwissen kann der Apotheker als Arzneimittelfachmann die psychiatrischen Patienten kompetent beraten und unbestimmte Ängste bezüglich der Risiken von Psychopharmaka minimieren.

Diese Thematik beschäftigt aber auch Heil- und Pflegeberufe sowie alle Menschen, die in der sozialpsychiatrischen Betreuung tätig sind. Von daher ist dieses Buch auch zur Weiterbildung einsetzbar.

Autorinnen

Frau Dr. rer. physiol. Martina Hahn ist Apothekerin und Fachapothekerin für klinische Pharmazie.

Frau Dr.med. Sibylle C.Roll ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Suchtmedizin.

Entstehungshintergrund

Frau Dr. Hahn ist seit 2011 Klinische Pharmazeutin an der Vitos Klinik Eichberg und dort verantwortlich für die Etablierung des sog. Eichberger Modells: Eine Apothekerin im Klinikteam ist regelmäßig bei den Visiten psychiatrischer Patienten anwesend und achtet auch die Vermeidung arzneimittelbezogener Probleme.

Frau Dr. Roll ist Ärztliche Direktorin des Vitos Klinikum Rheingau und Klinikdirektorin der Vitos Klinik Eichberg. Sie ist bekannt als Mitherausgeberin und Co-Autorin eines Standardlehrbuchs für Psychiatrische Pflege und Psychotherapie beim Thieme Verlag.

Die Erkenntnisse aus der täglichen Zusammenarbeit einer Fachapothekerin mit einer Fachärztin im Alltag einer großen psychiatrischen Klinik war Anlass für diese interprofessionelle Beratungshilfe.

Aufbau und Inhalt

Die Beratungshilfe Psychotrope Arzneistoffe umfasst fünf Kapitel einschließlich Anhang.

Im ersten Kapitel gibt es auf einer Seite einen kurzen Überblick über die wichtigsten Fachbegriffe wie Agonisten, Antagonisten, partielle Agonisten, Rezeptoraffinitäten und die konzentrationsabhängigen Ki-Werte

Im zweiten Kapitel werden die Wirkweisen der folgenden vier Psychopharmaka-Gruppen in kurzen, knappen Sätzen auf sechs Seiten vorgestellt und ihre Wirkungen an den Rezeptoren in Abbildungen sichtbar gemacht

  • Antidepressiva: Wiederaufnahmehemmer, MAO-Hemmer und NaSSA
  • Antipsychotika
  • Anxiolytika
  • Stimmungsstabilisierer

Im dritten Kapitel werden die Profile der wichtiger Rezeptoren in sehr kompakter Form auf den nächsten elf Seiten vorgestellt: Nach einer tabellarischen Gegenüberstellung der erwünschten und erwünschten Wirkung erläutern die Autorinnen pharmakologische Einzelheiten. Es folgt dann eine alphabetische Auflistung relevanter Arzneistoffe und in rot umrandeten Kästen wichtige Merksätze und – getrennt davon – praxisrelevante Tipps für die Beratung.

Folgende sieben Rezeptoren werden schlaglichtartig in dieser strukturierten Form vorgestellt:

  • α-Rezeptoren
  • Muskarin-Rezeptoren
  • Histamin-Rezeptoren
  • Dopamin-Rezeptoren
  • Serotonin-Rezeptoren
  • GABA-Rezeptoren
  • NMDA-Rezeptoren

Eine ganzseitige Abbildung zum vegetativen Nervensystem verdeutlicht das komplexe Wechselspiel von Sympathikus und Parasympathikus und die Beeinflussung der Balance durch anticholingerge Substanzen.

Das vierte Kapitel thematisiert kurz und knapp die Begriffe pharmakodynamische und pharmakokinetische Interaktionen.

Im fünften Kapitel folgen als Anhang nach dem Literatur- und Abkürzungsverzeichnis drei Tabellen, die in äußerst komprimierter Form eine Fülle von Informationen beinhalten:

  1. Die erste Tabelle umfasst in der ersten Spalte eine alphabetische Auflistung von 14 Antidepressiva, 16 Antipsychotika, 2 Anxiolytika, 4 Antidementiva und 4 Stimmungsstabilisierer. In der zweiten Spalte gibt es in Form von Piktogrammen eine visualisierte Form der möglichen Nebenwirkungen bei der Ersteinnahme/Dosissteigerung und in der dritten Spalte mögliche Nebenwirkungen bei langfristiger Einnahme.
  2. Die zweite Tabellezeigt die Rezeptoraffinitäten von 20 Antipsychotika – bezogen auf elf Rezeptoren und Neurotransmitter.
  3. Die dritte Tabellezeigt die Rezeptoraffinitäten in gleicher Weise für 15 Antidepressiva.

Diese drei Tabellen machen damit den Einsatz dieser Psychopharmaka für den Arzneimittelfachmann transparent in Bezug auf die erwünschten und unerwünschten Wirkungen.

Diskussion

Viele Patienten zeigen keine Einsicht in ihre psychischen Erkrankungen und sie erkennen nicht, dass der Nutzen vieler Psychopharmaka das mögliche Risiko meist deutlich überwiegt. Auch in der Arzneimitteltherapie sollte die Autonomie des Patienten im Vordergrund stehen. Nehmen diese Menschen aber aus unbestimmter Angst vor Nebenwirkungen billigend das Wiederauftreten von Psychosen, Ängsten oder Depressionen in Kauf, sind sie tatsächlich nicht mehr Herr ihres Lebens.

Hier kann eine gezielte Ansprache durch einen Arzneimittelfachmann/Arzneimittelfachfrau die Ängste aufnehmen, konkrete Nebenwirkungen benennen und Lösungsvorschläge dem Patienten unterbreiten. Diese kompakte Beratungshilfe vermittelt das aktuelle Wissen und den Mut dazu.

Diese Beratungshilfe ist laut Vorwort vorrangig an Apothekerinnen und Apotheker adressiert, die in der öffentlichen Apotheke verantwortlich sind für die Beratung von psychiatrischen Patienten. Eine gute Beratung ist aus Sicht der beiden Autorinnen wichtig, denn die Compliance sei aufgrund der Nebenwirkungsprofile niedrig. Auch eine Prüfung auf mögliche Wechselwirkungen gehöre zum pharmazeutischen Aufgabengebiet.

Dieses broschierte Buch erklärt auf nur 35 Seiten alle relevanten Psychopharmaka in ihrer Wirkung auf molekularer Ebene und visualisiert in den sorgfältig erstellten Abbildungen die komplexen Rezeptor-Bindungsreaktionen.

Klare tabellarische Darstellungen der erwünschten und unerwünschten Wirkungen der speziellen Rezeptorwirkungen, ergänzt durch pharmakologische Einzelheiten im Fließtext sowie der wichtigsten Wirkstoffe führen zu vorhersehbaren Nebenwirkungen

Viele Arbeitsstunden haben die beiden Autorinnen sicher für die Erstellung der drei Tabellen im fünften Kapitel benötigt, denn sie bergen eine Fülle von Fakten und Informationen. Von daher ist die Platzierung in der Anlage nicht ganz nachvollziehbar

Mit dem gebündelten Wissen von Frau Dr. Hahn und Frau Dr. Roll in diesem Buch kann man in der Beratung dem Patienten gezielt auf unerwünschte Wirkungen vorbereiten und sogleich einfache, aber hilfreiche Tipps geben. Hier Beispiele aus dem Buch:

Bei anticholingergen Arzneimitteln lindern beispielsweise zuckerfreie Bonbons, künstliche Tränenflüssigkeit oder ausreichende Flüssigkeitszufuhr die möglichen Beschwerden.

Bei Psychopharmaka mit histaminerger Wirkkomponente ist es wichtig auf den vermehrten Appetit und damit verbundener erheblicher Gewichtszunahme hinzuweisen. Wer von Anfang an dann auf die Ernährung achtet, kann diese Nebenwirkung deutlich abschwächen.

Solche klaren Ansagen stehen im Gegensatz zu der Einschätzung der betroffenen Patienten, die vor allem eine Veränderung ihres Wesens und ihrer Persönlichkeit durch die Psychopharmaka fürchten.

Fazit

Die Beratungshilfe Psychotrope Arzneistoffe hat sich als Ziel gesetzt, in kompakter Form das medizinisch-pharmazeutische Wissen über Psychopharmaka zu bündeln. Wer die Zusammenhänge von Rezeptorprofilen und Rezeptoraffinitäten versteht und anwendet, kann dann kompetent den betroffenen Patienten über Nutzen und Risiko von Psychopharmaka aufklären.

Dieses Buch schließt damit inhaltlich eine Lücke und in seiner wissenschaftlichen Detailliertheit vor allem für Apotheker und Ärzte konzipiert. Aber auch für interessierte Fachpflegekräfte in der Psychiatrie und für Verantwortliche im sozialpsychiatrischen Bereich ist dieses Kompendium eine Bereicherung.

Rezension von
Dr. Stephanie Pfeuffer
Pharmazeutin, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fachbereich Pflege- und Gesundheitsförderung, Evangelische Hochschule Darmstadt.
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Es gibt 13 Rezensionen von Stephanie Pfeuffer.

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ISSN 2190-9245