Jenny Metzig: [...] Eigenheiten im Zusammenleben bikultureller Paare
Rezensiert von Prof. Dr. Brigitte Wießmeier, 26.05.2014
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Jenny Metzig: Die Wahrnehmung kultureller Eigenheiten im Zusammenleben bikultureller Paare.
Frank & Timme
(Berlin) 2013.
318 Seiten.
ISBN 978-3-7329-0003-9.
D: 36,00 EUR,
A: 36,00 EUR,
CH: 54,00 sFr.
Reihe: Kulturen - Kommunikation - Kontakte - Band 17.
Thema
Bikulturelle Paare werden seit Jahren aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und vielfach liegt der Focus auf einer angenommenen Kulturdifferenz innerhalb der Paarbeziehung. Die Schwierigkeit einer Kulturdefinition hält die Wissenschaftlerin Metzig keineswegs davon ab, 32 Menschen aus 20 Ländern mit bikulturellen Paarbeziehungen nach ihrer Wahrnehnung von kulturellen Eigenheiten der eigenen Beziehung zu befragen.
Autorin
Interkulturelle Kommunikation ist für eine Diplomtranslatorin und Diplomandin der interkulturellen Fachkommunikation (HU Berlin) die zentrale Grundlage und es erscheint naheliegend, dass der Blick auch auf private Beziehungen gerichtet wird, wobei Sprache und Kommunikation im Kontext von Kulturen fokussiert werden.
Entstehungshintergrund und Aufbau
Mit 318 Seiten liegt eine umfangreiche Diplomarbeit vor, die sich in einen kurzen theoretischen und einen empirischen Teil untergliedert. Zur Empirie gehört ein etwa 200-seitiger Anhang mit differenziert kategorisiertem und paraphrasiertem Interviewmaterial, der hier Korpus genannt wird. Ein 3. Anhang ist über den Verlag per Internet zu erhalten.
Inhalt
Die theoretischen Ausführungen belegen die aktuelle Situation von Deutschland als Zuwanderungsland und sie bieten erste Zahlen und Fakten. Im Komplex Kommunikation, Sprache und Sprachebenen wird die „Kette von der Sprache zur Kommunikation und zum Handeln“ eingeführt und Sprache wird -sehr hilfreich- in Muttersprache, Alphabetisierungssprache und Fremdsprache unterschieden, wozu noch -weniger nützliche- Varietäten angeboten werden. Eine gemeinsame Sprache gilt für eine gleichberechtigte Partnerschaft als höchst bedeutsam und ein gemeinsam geteiltes „Sprachinventar eines Paares“ kann seine Kommunikationsformen positiv beeinflussen.
Damit sind erste Ausgangsthesen angedeutet, die durch Kulturdefinitionen und Kulturdimensionen erweitert werden. Metzig benutzt den ungenauen Begriff bikulturell der „Einfachheit halber“ und ist sich der Vereinfachung bewusst, wenn sie u.a. auf Hofstedes Kulturdimensionen zurückgreift. Vorrangig aber geht sie davon aus, dass (frühe) kulturelle Prägungen den Alltag von Paaren markant beeinflussen, diese Beeinflussung aber unterschiedlich wahrgenommen werden kann. Der individuelle Umgang mit Fremdheit wird als ein Schlüssel für Wahrnehmungsdifferenzen betrachtet und -besonders interessant- als Konfliktlösungsmodell.
Hierbei bleibt unklar, ob die Annahme größeren Entgegenkommens bei mehr kultureller Distanz theoretisch abgeleitet ist oder es sich hierbei um eine Vorwegnahme ihrer Datenanalyse handelt. Ähnlich überraschen die -üblicherweise aus der Theorie abgeleiteten- Ziele (S.42) und die darauf folgenden Fragen (S.47f) der Untersuchung, die weitgehend unbegründet bleiben.
Der empirische Teil des Buches gibt Hinweise auf das methodische Vorgehen, auf das Sample und auf eine ausgesprochen aufwändige Datenanalyse des meist transkribierten Audiomaterials – ohne Verweis auf eine spezifische Vorgehensweise. Alleine 32 – vorwiegend – Einzelinterviews, die in drei Sprachen geführt und somit für die Textanalyse übersetzt wurden, verschiedene diffizile Tabellen und die groß angelegte Synopse erscheinen der Rezensentin im engen zeitlichen Rahmen einer Diplomarbeit kaum machbar. Die vorliegenden Ergebnisse und noch bedeutsamer, das vorliegende Datenmaterial, stellen einen wertvollen Fundus dar für die Gruppe der über bikulturelle Paarbeziehungen Forschenden.
Die vorgestellten Ergebnisse beziehen sich auf die Alltagssprachen der Paare, ihre Wahrnehmung von Kulturspezifika (wie u.a. Zeit, Familie, Höflichkeit, Humor) und auf ihre kulturelle Identifizierung, die einen deutlichen Hinweis auf eine deutsch-deutsche Differenzierung, eine die Autorin Metzig überraschende Bikulturalität gibt.
Diskussion
Im Rahmen aktueller Forschungsarbeiten wird einer Kulturalisierung von Problemen vorgebeugt, indem jegliche entsprechende Beobachtung reflektiert, relativiert und individualisiert wird. Das hier vorgestellte Sample ist nicht kulturspezifisch zusammengestellt, wie von Wimmer (2013) gefordert. Dennoch werden implizit Vergleiche angestrebt und angestellt, die nur möglich sind, wenn denn auf bekannte Grenzziehungen wie Sprachgruppe, Nationalität oder Kontinent zurückgegriffen wird. Die geringe Anzahl von Interviewten aus zu vergleichenden Gruppen führt regelmäßig zum Ruf nach weiteren spezifischeren Studien (hier S. 66), womit der vorgelegte Forschungsansatz letztlich infrage gestellt wird.
Fazit
Wer sich für in Berlin lebende bikulturelle Paarbeziehungen interessiert, nicht auf theoretisches Hintergrundwissen angewiesen ist, und keine methodischen Tipps sucht, der wird sich über ein umfangreiches und vielfach aussagestarke Datenmaterial mit ersten Ergebnissen freuen können.
Rezension von
Prof. Dr. Brigitte Wießmeier
Forschungskoordinatorin
Institut für Innovation und Beratung an der Evangelischen Hochschule Berlin, INIB
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Zitiervorschlag
Brigitte Wießmeier. Rezension vom 26.05.2014 zu:
Jenny Metzig: Die Wahrnehmung kultureller Eigenheiten im Zusammenleben bikultureller Paare. Frank & Timme
(Berlin) 2013.
ISBN 978-3-7329-0003-9.
Reihe: Kulturen - Kommunikation - Kontakte - Band 17.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/16079.php, Datum des Zugriffs 30.09.2023.
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