Stephan Kostrzewa: Menschen mit geistiger Behinderung palliativ pflegen und begleiten
Rezensiert von Dr. Stephanie Pfeuffer, 07.01.2014

Stephan Kostrzewa: Menschen mit geistiger Behinderung palliativ pflegen und begleiten. Palliative Care und geistige Behinderung.
Verlag Hans Huber
(Bern, Göttingen, Toronto, Seattle) 2013.
381 Seiten.
ISBN 978-3-456-85331-4.
D: 29,95 EUR,
A: 30,80 EUR,
CH: 39,90 sFr.
Reihe: Palliative Care.
Thema
Das Buch setzt sich umfassend und intensiv mit der Thematik der palliativen Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung auseinander.
Autor
Der Autor Stephan Kostrezewa ist examinierter Altenpfleger und Diplom-Sozialwissenschaftler; Chefredakteur von „Palliativpflege heute“; Studienleiter der Fernlehrgangs „Palliativbeauftragter in der stationären Altenpflege“; Organisationsberater und Projektmanager; Inhaber eines Fortbildungsinstituts; Fachbuchautor; Dozent und Fachreferent für palliative und gerontopsychiatrische Interventionen; Berufserfahrung in der stationären Alten- und Krankenpflege sowie in der Hospizarbeit.
Entstehungshintergrund
Zurzeit sind die Wohnstätten für Menschen mit geistiger Behinderung Orte des Lebens, aber nicht Orte zum Sterben. Häufig werden schwerkranke Bewohner in den Stunden des Sterbens in das Krankenhaus gebracht, da vor allem die Mitarbeiter mit pädagogischem Hintergrund für die Thematik der Palliative Care nicht ausreichend sensibilisiert und geschult sind. Das Buch zielt darauf ab, allen Berufsgruppen in diesen Einrichtungen das nötige theoretisches Wissen und praktischen Erfahrungen in kompakter Form zu vermitteln. Nur ein gutes Palliativ- und Hospizkonzept ermöglicht es nach Auffassung des Autors, dass Menschen mit geistiger Behinderung auf ihrem letzten Lebensweg geborgen in vertrauter Umgebung sterben dürfen.
Aufbau
Das Buch gliedert sich im ca. 300 Seiten umfassenden Hauptteil in 14 Kapitel. Es schließt sich dann an ein umfangreicher Anhang mit Checklisten, ein Literaturverzeichnis zum Text, ein weiterführendes deutschsprachiges Literaturverzeichnis zur Palliative Care sowie Adressen- und Linkverzeichnis, das Autorenprofil und ein Sachwortverzeichnis.
Inhalt
- Im ersten Kapitel gibt Stephan Kostrzewa einen historischen Überblick über die Behindertenarbeit in Deutschland.
- Im zweiten Kapitel werden die Einrichtungen für ältere Menschen mit geistiger Behinderung problematisiert in Hinblick auf deren Palliativversorgung.
- Im dritten Kapitel stellt der Autor die aktuelle Forschung zu Sterbeprozess und Todeskonzepte bei Menschen mit geistiger Behinderung vor.
- Der Exkurs im vierten Kapitel beschäftigt sich mit der Demenz, da auch ältere Menschen mit geistiger Behinderung zusätzlich ein solches Krankheitsbild entwickeln können.
- Das Konzept der Palliativversorgung und der Hospizarbeit ist Thema des fünften Kapitels.
- Im umfangreichen sechsten Kapitel stehen ausgewählte Symptome wie z. B. Schmerz und entsprechende Maßnahmen im Vordergrund, ergänzt durch die Fallbesprechung in der kollegialen Beratung und konkreten Maßnahmen der basalen Stimulation.
- Im siebten Kapitel wird dargelegt, dass in diesem Kontext ethische Fragen wie z.B. Patientenautonomie im Alltag einer Einrichtung strukturiert aufgenommen werden müssen.
- Im achten Kapitel belegt die Vorstellung des 2-jährigen Projektes Alsbachtal, dass die theoretischen Ansätze tatsächlich praktisch gelebt werden können.
- Im neunten Kapitel schließen sich die Themen Trauerarbeit und Abschiedskultur an.
- Das zehnte Kapitel weitet den Blick auf die Netzwerkarbeit z. B. mit spezialisierten ambulanten Palliativteams und die Integration von Angehörigen und Ehrenamtlichen.
- Die Ängste und Befürchtungen der Mitarbeiter im Hinblick auf die Versorgung ihrer sterbenden Patienten stehen im Mittelpunkt des elften Kapitels.
- Damit ein erarbeitetes Palliativkonzept dauerhaft gelebt werden kann, wird im zwölften Kapitel die Methode des Palliative Care Mapping vorgestellt.
- Weitere Details zur Projektplanung und -durchführung gibt es im dreizehnten Kapitel.
- Das abschließende vierzehnte Kapitel verdeutlicht die zunehmende Schnittmenge von Behindertenhilfe und der stationären Altenhilfe.
Ein Gesprächsleitfaden zum Lebensende (Anhang 1), die Konzeption der Palliativversorgung in der Wohnstätte Alsbachtal (Anhang 2), eine Checkliste zur Ist-Erhebung (Anhang 3), ein Instrument zur Einschätzung einer würdevollen Sterbebegleitung (Anhang 4), ein Reflexionsbogen (Anhang 5), ein Bewohner-Fragebogen (Anhang 6) und ein Angehörigen-Fragebogen (Anhang 7) vertiefen die Ausführungen des Hauptteils.
Diskussion
In diesem Buch hat Stephan Kostrzewa ein umfassendes Konzept zur Palliativversorgung von Menschen mit geistiger Behinderung zusammengestellt. Die umfangreichen und aktuellen Literaturlisten im Anhang belegen, dass eine gründliche Literaturrecherche zu dieser Thematik vorausging. Sehr differenziert werden dann in den sachlogisch aufgebauten Kapiteln die vielfältigen Facetten der Palliativversorgung beleuchtet, häufig in Kombination mit farblich abgesetzten Fallbeispielen aus der Praxis. Die Erkenntnisse benachbarter Disziplinen werden aufgenommen und in ein ganzheitliches Konzept integriert, wie zum Beispiel die Tipps von Kommunikationswissenschaftlern im Kap. 4 oder der ärztlichen Fachgesellschaften im Kapitel 6. Lobenswert ist das Kapitel zur Netzwerkarbeit und Angehörigenintegration, denn es belegt den integrativen Ansatz dieses Buches. Der erfahrene Autor gibt vielfältige Impulse, die in einem 2-jährigen Praxisprojekt in Oberhausen (Rheinland) realisiert wurden. Die Umsetzung theoretischen Wissens in den Alltag einer Behinderteneinrichtung kann als Modell genutzt und nun angepasst werden.
Das Buch ist redaktionell hervorragend gestaltet. Die Fülle von Informationen wird in den einzelnen Kapiteln klar strukturiert. Die zahlreichen Tabellen oder Schritt-für-Schritt – Handreichungen und Musterfragebögen lockern den Fließtext auf. Die verschiedenen Checklisten auch im Anhang ermöglichen einen einfachen Einstieg in die Thematik, ein sorgfältiges Stichwortverzeichnis ermöglicht rasches Nachschlagen. Und wer über dieses Buch hinaus weitere Details benötigt, bekommt den Zugang über ein umfangreiches deutschsprachiges Literaturverzeichnis und ein Adressen- und Linkverzeichnis.
Fazit
Wer Menschen mit geistiger Behinderung palliativ pflegen und begleiten möchte, kann das neue Praxishandbuch von Stephan Kostrzewa sehr empfohlen werden. Angesichts der demographischen Entwicklung werden auch die Träger entsprechender Wohnungseinrichtungen praktikable Ansätze der Palliativversorgung und Sterbebegleitung entwickeln müssen. Der erfahrene Autor gibt vielfältige Impulse und alltagstaugliche Hilfestellungen für alle engagierten pädagogischen und pflegerischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Der Preis von knapp 30 EURO ist mehr als gerechtfertigt.
Rezension von
Dr. Stephanie Pfeuffer
Pharmazeutin, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Fachbereich Pflege- und Gesundheitsförderung, Evangelische Hochschule Darmstadt.
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