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Hubertus Adam, Sarah Inal: Pädagogische Arbeit mit Migranten- und Flüchtlingskindern

Rezensiert von Prof. Dr. Wolfgang Berg, 13.01.2014

Cover Hubertus Adam, Sarah Inal: Pädagogische Arbeit mit Migranten- und Flüchtlingskindern ISBN 978-3-407-62825-1

Hubertus Adam, Sarah Inal: Pädagogische Arbeit mit Migranten- und Flüchtlingskindern. Unterrichtsmodule und psychologische Grundlagen. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2013. 200 Seiten. ISBN 978-3-407-62825-1. D: 29,95 EUR, A: 30,80 EUR, CH: 40,10 sFr.
Reihe: Pädagogik - Praxis. Mit Online-Materialien.

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Thema

Das Buch stellt ein Konzept vor, wie Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in einem schulischen oder auch außerschulischen Setting gestärkt und gefördert werden können.

Autor und Autorinnen

Prof. Dr. Hubertus Adam ist praktizierender Kinder- und Jugendpsychotherapeut und war Mitbegründer der Stiftung „Children for Tomorrow”, bei der Sarah Inal MA beschäftigt ist. Beim Kapitel „Schule” ist Heidi Bistritzky als Mitautorin genannt.

Aufbau

Das Buch besteht aus drei Teilen, nämlich

  1. einer Einführung, „Theoretischer Teil” genannt, von 60 Seiten, davon 20 Seiten zur Schule, sodann
  2. einem „Praxisteil” von etwa 140 Seiten sowie
  3. Online-Materialien, vor allem Arbeitsblätter für die Kinder und Jugendlichen, welche sich im konkreten Fall jedoch einem Download entzogen.

Inhalt

Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass Schule wie Jugendhilfe auf die Verhaltensauffälligkeiten und emotionalen Probleme von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund nicht vorbereitet sind. Dabei kann die „Erziehungslogik” der Schule, nämlich auf individuelle Entwicklung und Selbständigkeit angelegt, den traditionellen Erziehungszielen im Elternhaus widersprechen. Die Eltern wiederum können gerade in der ersten Phase nach der Ankunft zwischen Hoch- und Schuldgefühlen hin- und hergerissen sein.

Ausführlich diskutieren die Autoren die Unterschiede zwischen Assimilation und Akkulturation, insbesondere aber den Begriff des Traumas und der posttraumatischen Belastungsstörung. Kinder sind durch Erlebnisse, die ihre Verarbeitungsmöglichkeiten übersteigen, direkt betroffen, aber auch indirekt, wenn die Eltern emotional erschöpft sind. Jugendliche können Erlebnisse aber auch mal als Abenteuer abhaken. Manche empfinden „Ausbruchsschuld” (Romer), weil sie die Familie beschützen, sich aber auch von ihr emanzipieren wollen.

Das Schulkapitel geht von der Tatsache aus, dass die Lernpotentiale von Kindern mit Migrationshintergrund bei weitem nicht ausgeschöpft werden. Erforderlich seien einerseits Sicherheit und Orientierung durch Rituale, andererseits individualisierte, passgenaue Förderung im Klassenzimmer. Integration als Anpassung geht nicht, die Schule muss auf die Kinder eingehen (Inklusion).

Ab Seite 60 beginnt der sog. Praxisteil, das sind 25 Unterrichtsentwürfe in Tabellenform, nach Kindern von 8-13 Jahren und Jugendlichen von 13-16 Jahren unterteilt. Der Stundenablauf ist bis ins kleinste Detail aufgeführt. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Übungen, in denen die Kinder oder Jugendlichen sich untereinander kennenlernen, sich mit Festen, Herkunft, Religionen, Familienstrukturen befassen und diese reflektieren sollen. Einzelheiten, speziell die Arbeitsblätter, könnten den Online-Materialien entnommen werden.

Diskussion

Der erste Teil gibt einen guten Überblick über den Forschungsstand, bleibt aber weitgehend unanschaulich. Er ist nicht frei von einer Defizitperspektive; dass Familien die Migration aus eigener Kraft gestalten, kommt so nicht vor. Den Schulerfolg von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund gibt es doch! Die exzellenten Abiturnoten von Kindern aus vietnamesischen Familien wären so ein Beispiel. Auch im Traumata-Kapitel kommen echte Kinder und Jugendliche nicht vor; der Praxisteil nimmt keinen Bezug mehr darauf.

Der sog. Praxisteil ist eher ärgerlich. Die Lernziele sind selten aus der Perspektive der Kinder und Jugendleichen formuliert, dafür stark kognitiv (z.B. „Erlernen der notwendigen Begrifflichkeiten zum Thema Gefühle”). Da Rituale betont werden, wiederholen die Stundenablaufpläne ständig die gleichen Schritte. Trotz intendierter Individualisierung, entgegen allen Erkenntnissen zur Transkulturalität, müssen bei einigen Übungen die Schüler schon mal als Vertreter ihres Herkunftslandes herhalten.

Der „Praxisteil” programmiert detailversessen und bürokratisch Lernprozesse: Praktische Erfahrungen damit werden nicht berichtet. Haben die Module den Kindern und Jugendlichen gefallen?

Fazit

Das Buch ist eine freundliche Einladung, darüber nachzudenken, wie Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund gestärkt und gefördert werden können. Dazu liefert es gute Gründe. Die pädagogische Umsetzung überzeugt nicht.

Rezension von
Prof. Dr. Wolfgang Berg
Hochschule Merseburg
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Es gibt 128 Rezensionen von Wolfgang Berg.

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ISSN 2190-9245