Wolfgang Seufert, Felix Sattelberger (Hrsg.): Langfristiger Wandel von Medienstrukturen
Rezensiert von Arnold Schmieder, 22.01.2014
Wolfgang Seufert, Felix Sattelberger (Hrsg.): Langfristiger Wandel von Medienstrukturen. Theorie, Methoden, Befunde.
Nomos Verlagsgesellschaft
(Baden-Baden) 2013.
283 Seiten.
ISBN 978-3-8487-0761-4.
D: 44,00 EUR,
A: 45,30 EUR,
CH: 62,90 sFr.
Reihe: Medienstrukturen - Band 4.
Thema und Entstehungshintergrund
Der Band setzt sich aus Beiträgen unterschiedlichen theoretischen und empirischen Zugriffs zusammen. Gegliedert ist er in die Gegenstandsbereiche um Dynamiken und Determinanten des Medienwandels, sich ändernder inhaltlicher Angebote und Nachfragen sowie Veränderungen und Unterschieden des Regulierungsrahmens im internationalen Vergleich. Im einführenden Beitrag von Seufert werden Relevanz und Komplexität der Thematik konturiert und dann auf die weiteren elf Einzelbeiträge bezogen, die zunächst auf einen Workshop des interdisziplinären Netzwerkes Medienstrukturen im Oktober 2012 diskutiert worden sind und nun als Sammelband vorliegen.
Was näher in Augenschein genommen und analysiert wird, sind die als Problematik so geläufigen Phänomene um Konzentration bzw. Globalisierung von Medienindustrien, Kommerzialisierung und Kompetenz- wie Professionalisierungsverluste, Verwässerung bis Boulevardisierung der Inhalte bis in die Niederungen oberflächlichsten Entertainments, nicht zuletzt beobachtbar weitere Fragmentierung oder Segmentierung von Rezipientengruppen, was (u.a.) aus dem Zusammenhang der für einzelne Medien oder Formate spezifischen inhaltlichen Ausrichtungen folgt. Ebenso kommen Ursachen und Folgen aus der Universalisierung der Medienindustrie zur Sprache.
Aufbau und Inhalt
Im ersten Teil des Bandes werden vor allem die Interdependenzen zwischen Mediensystem und gesellschaftlichen Teilsystemen beleuchtet, wobei eine populationsökologische Argumentation wie eine evolutionstheoretische vorgestellt werden. In zwei weiteren Beiträgen wird zum einen der Wandel der Medienstrukturen in ökonomisch überformte gesellschaftliche Transformationsprozesse eingebettet, zum anderen das Wirksamwerden kapitalistischer Ökonomie in Kulturindustrie und Medien deutlich gemacht, was zur „reellen Subsumtion der in der Medienindustrie beschäftigten (Kultur)Arbeiter unter das Medienkapital“ beitrage. (S. 21)
Die vier Beiträge des zweiten Teils kreisen um veränderte Angebote und verändertes Nachfrageverhalten der Rezipienten. Markt, Konzentration, Kosten werden als intervenierende Variablen in ihrer Reichweite analysiert und im Anschluss daran wird zum einen festgestellt, dass und warum die Einrichtung von Programmsparten der Nachfrage hinterher hinkt, was im nächsten Beitrag nur folgerichtig um die Frage erweitert wird, wie das Verhältnis von Anbietern und Nutzungsverhalten gestaltet ist. Da hier auch die Frage der Integrationsfunktion von Medien aufgeworfen ist, was angesichts einer behaupteten Fragmentierung der Nutzer problematisch scheint, wird für Zweck tragfähigerer Aussagen für einen Überlappungsansatz plädiert, mit dem Medienangebote und verschiedene gesellschaftliche Gruppen präziser in Zusammenhang gebracht werden können.
Im dritten Teil geht es um politische Steuerung des Mediensystems, also um den Regulierungsrahmen und den Einfluss auf die Medienunternehmen, was mit einem vergleichenden Blick auf Österreich und Deutschland geschieht: Zwar seien die politischen Systeme und ihre jeweiligen Regulierungsinstrumente durchaus vergleichbar, woraus aber keine medienpolitisch identischen Veränderungsstrategien folgten. Das zeigt sich auch in einer Analyse des Medienrechts der EU-Mitgliedsstaaten, wo trotz gleicher technologischer Innovationen und rechtlicher Vereinheitlichungsbestrebungen keine übergreifende und handlungsfähige Kontrollinstanz auszumachen ist. Darum wird im letzten Beitrag für eine solide Datenerhebung auf EU-Ebene plädiert, mit deren Hilfe ein internationaler Vergleich ermöglicht wird und einen Parameter abgeben kann, an dem Einlösung gesellschaftlicher Funktionen und Aufgaben seitens öffentlicher Medienunternehmen gemessen werden können.
Fazit
Der tradierte kommunikationswissenschaftliche Problem- und Fragehorizont wird in diesem Band mit seinen aktualisierten Analysen erweitert, auch was methodische Annäherungen betrifft, wie der sich anbahnende und langfristig zu erwartende Wandel von Medienstrukturen mit seinem Einfluss auf inhaltliche Gestaltung untersucht werden kann. Das nötigt zugleich, und zwar hier unter Bezugnahme auf die in den einzelnen Beiträgen präsentierten Ergebnisse und Forschungsperspektiven eine kritische Elle anzulegen, wie Funktion und Aufgabe von Medien im demokratischen Prozess in der Perspektive jenes langfristigen Wandels von Medienstrukturen riskiert sind oder befördert werden können. Insofern empfiehlt sich der Band nicht nur Kommunikationswissenschaftlern, sondern wird auch das Interesse von Soziologen, Politikwissenschaftlern und Ökonomen finden. Vor allem aber ‚Medienmachern’ und ‚Kulturarbeitern’, die in ihrem Arbeitsalltag mit jener „Dialektik von universal-reeller Subsumtion unter das Kapital und ‚Befreiungspotential’“ (Knoche, S. 102) unmittelbar konfrontiert sind, kann der Band zur Aufklärung und dazu dienen, missliebigen Entwicklungen entgegen zu halten.
Rezension von
Arnold Schmieder
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Zitiervorschlag
Arnold Schmieder. Rezension vom 22.01.2014 zu:
Wolfgang Seufert, Felix Sattelberger (Hrsg.): Langfristiger Wandel von Medienstrukturen. Theorie, Methoden, Befunde. Nomos Verlagsgesellschaft
(Baden-Baden) 2013.
ISBN 978-3-8487-0761-4.
Reihe: Medienstrukturen - Band 4.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/16173.php, Datum des Zugriffs 16.09.2024.
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