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Annette Huland: Frauenhandel in Deutschland

Rezensiert von Mag.a Christina Frank, 22.04.2014

Cover Annette Huland: Frauenhandel in Deutschland ISBN 978-3-8288-3027-1

Annette Huland: Frauenhandel in Deutschland. Im Spannungsfeld von Abschiebungspolitik und Prostitution. Tectum-Verlag (Marburg) 2012. 408 Seiten. ISBN 978-3-8288-3027-1. D: 34,90 EUR, A: 34,90 EUR, CH: 26,18 sFr.
[Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum-Verlag / Reihe Politikwissenschaften] Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum-Verlag, Reihe Politikwissenschaften - Band 54.

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Thema

Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beschäftigt das Thema Frauenhandel Öffentlichkeit, Politik und Kultur. Heute wird die Thematik als Problemkomplex verstanden, der der übergeordneten Zusammenarbeit verschiedener politischer Ebenen als auch regionaler, nationaler, internationaler und zivilgesellschaftlicher Gruppierungen in Herkunfts-, Transit- und Zielländern bedarf. Frauenhandel wird in den letzten Jahren zunehmend als elementare Menschenrechtsverletzung aufgefasst. Darüber hinaus artikulieren sich in Dokumenten nationaler, internationaler sowie nicht-staatlicher AkteurInnen mannigfaltige Bemühungen hinsichtlich der Prävention, Verhinderung und Bestrafung des Tatbestandes des Frauenhandels.

Diesen Entwicklungen stellt die Autorin die bislang geringen Resultate von politischen und gesellschaftlichen Interventionen zur Eindämmung von Frauenhandel gegenüber und wirft die Frage nach den zugrundeliegenden Ursachen auf.

Autorin und Entstehungshintergrund

Die Autorin Anette Huland studierte neben Politikwissenschaften auch Psychologie und Philosophie in Tübingen, Paris sowie Leipzig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind u.a. Internationale Ethik, Migration, Geschlechterverhältnisse und strukturelle Gewalt. Die vorliegende Arbeit ist im Rahmen eines Dissertationsprojektes im Fachbereich Politikwissenschaften an der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie der Universität Leipzig unter dem Titel „Frauenhandel und Abschiebungspolitik in Deutschland im europäischen und internationalen Kontext. Eine Diskursanalyse“ entstanden.

Aufbau

In einem ersten, einleitenden Kapitel werden der Untersuchungsgegenstand erörtert und zugrundeliegende Hypothesen formuliert. Auch beschreibt die Autorin ihre für die Arbeit gewählte theoretische Perspektive. Neben einem kurzen Abriss zum aktuellen Forschungsstand liefert Huland ebenso weitere literarische Anknüpfungs- und Orientierungspunkte.

Weiter ist die Arbeit in drei Hauptabschnitte gegliedert:

  1. Abschnitt I behandelt „Frauenhandelsdiskurse“. Hier skizziert die Autorin die Entstehung des Frauenhandelsdiskurses und liefert eine historische Einbettung in andere, relevante Diskursfelder.
  2. Abschnitt II befasst sich mit der Analyse von „Grenzziehungen, Ausländer- und Abschiebediskursen“. Allgemein wird die Entstehung und Funktion von politischen Grenzen dargestellt, um in weiterer Folge einen spezifischeren Blick auf Entwicklungen und Auswirkungen von Ausländer- und Abschiebungsdiskursen in Deutschland zu werfen.
  3. In Abschnitt III widmet sich die Autorin der „empirischen Analyse von Primärquellen“, zur Darstellung und kritischen Analyse des neueren geschichtlichen Verlaufs. Als Quellen dienen hier diverse Übereinkommen und Berichte, u.a. der Vereinten Nationen (UN), der Europäischen Union (EU) und des Europarats. Zwei Exkurse zu „Geschlechtsverhältnissen – (Strukturelle) Gewalt gegen Frauen“ und „Sexualität und Prostitution“ runden die Arbeit ab. Zuletzt zieht die Autorin ihr Fazit und eröffnet einen themenspezifischen Ausblick.

Inhalt

In ihren einleitenden Worten (Kapitel 1) beschreibt Anette Huland, wie in den letzten Jahren das Thema Frauenhandel zunehmend als Menschenrechtsverletzung aufgefasst wird. Aktuell beziehen demnach alle AkteurInnen der nationalen und internationalen Politik zur Bekämpfung des Menschenhandels, wie auch zivilgesellschaftliche Anti-Trafficking-AkteurInnen, ihre Legitimität aus dem Verweis auf universale Menschenrechte. Weiter werden in diversen nationalen, internationalen sowie nicht staatlichen Dokumenten vielfältige Anstrengungen hinsichtlich der Prävention, Verhinderung und Bestrafung des Tatbestandes des Frauenhandels unternommen. Dennoch können bislang nur wenig tatsächliche Erfolge verbucht werden. Huland wirft die Frage nach den zugrundeliegenden Umständen auf und macht diese zu ihrem zentralen Untersuchungsgegenstand.

Ausgangsthese ist, dass die Problematisierung von Menschen- bzw. Frauenhandel oftmals verdeckte politische Funktionen erfüllt und zur Instrumentalisierung für andere Zwecke verwendet wird. Darüber hinaus stellt sie zur Diskussion, welche Funktionen und Wirkungen aktuelle Frauenhandelsdiskurse auf den Fortbestand und die Bekämpfung des Frauenhandels haben. Eine theoretische Rahmung erhält die vorliegende Studie durch den feministischen Ansatz der Einfühlenden Kooperation von Sylvester (1994).

Zur Untersuchung des Frauenhandelsdiskurses stützt sich die Autorin methodisch auf Foucaults Diskursanalyse (1971) und deren Weiterentwicklung durch Jürgen Link (1997) und Siegfried Jäger (1999). Einem weiteren für die Arbeit maßgeblichen Untersuchungsgegenstand widmet sich die Autorin durch die Untersuchung des „nationalen Normalisierungsfeldes“, basierend auf Links Konzept des „Normalismus und Synchronem System kollektiver Symbole“ (1999). Unter diesem ist die Summe der Diskursanteile zu verstehen, die die Vorstellungen „von nationalen Grenzen, nationaler Souveränität und die Idee einer einheitlichen Nation hervorrufen und durch Normalisierung stabilisieren.“ (S. 19). Die Autorin untersucht Diskurse wie Ein- und Ausgrenzung, ausländerrechtliche Aspekte, Illegalität, Abschiebung, Sicherheitspolitiken etc. auf ihre normalisierende Auswirkung hin. So gehören auch flexibel geöffnete und geschlossene Staatsgrenzen zum normalistischen Diskurs über Zuwanderung. Nicht selten wird die Einschränkung universeller Menschenrechte mit nationaler oder internationaler Sicherheit argumentiert (vgl. S. 43f). Fruchtbar dürfte jener Ansatz für die vorliegende Arbeit deshalb sein, weil er besonders auf den gesellschaftlichen Ausschluss von Individuen, hier Betroffene von Frauenhandel, rekurriert und dabei den Aspekt der „Selbstadjustierung“ hervorstreicht. So fasst Huland zusammen: „Die Normalisierungsmacht funktioniert, wenn Angst vor Ausschluss aus der Gemeinschaft herrscht.“ (S. 45).

Zum Abschluss des ersten Kapitels werden der aktuelle Forschungsstand sowie weitere Anknüpfungspunkte in der Literatur skizziert.

Im ersten Abschnitt (Kapitel 2 bis 3) des Buches befasst Huland sich mit Diskursen zum Frauenhandel. Insbesondere beschreibt sie die Entwicklung des Frauenhandelsdiskurses aus dem Prostitutionsdiskurs im ausgehenden 19. Jahrhundert und thematisiert die Frage, wie letzterer für die Abschaffung der Prostitution instrumentalisiert wurde. ProstitutionsgegnerInnen versuchten, Bündnisse für die Abschaffung der Prostitution zu bilden. Ihr Versuch, so Huland, war letztlich zum Scheitern verurteilt und eben jene AktivistInnen erweiterten den Diskurs um die „auslandsspezifische Hilflosigkeit betroffener Frauen“ (S. 128). Diese Erweiterung ermöglichte die Bildung von politischen Allianzen und erste internationale Abkommen wurden verabschiedet. Der Tatbestand der Zwangsprostitution im Inland wurde hierbei jedoch nicht eingeschlossen. Dies scheiterte an den unterschiedlichen Ansichten, was „sexuelle Ausbeutung“ sei. Frauenhandelsbekämpfungsinstrumente wurden immer wieder für eine Verhinderung der Prostitution eingesetzt. Gerade die enge Verflechtung zwischen diesen beiden Diskursen sorgte und sorgt nach wie vor für eine Übertragung von starken ideologischen Aufladungen sowie einer Tradierung von normativen, teils umstrittenen Positionen zu dem Problemkomplex Frauenhandel.

In den 1980er Jahren zeigte sich ein Wandel der Migrationsrichtung von Frauen. Nun waren es nicht mehr „inländische“ Frauen, die Gefahr liefen, im „Ausland“ Opfer von Frauenhandel zu werden, sondern „ausländische“ Frauen, die immigrierten. „Der Angriff auf die Nation wurde diesmal über die ‚einströmenden‘ Immigranten diskursiv hergestellt.“ (S. 129). Der Frauenhandelsdiskurs wurde folgend immer weniger für den Prostitutionsdiskurs instrumentalisiert, vielmehr wurde er nun zur Stabilisierung des nationalen Normalisierungsfeldes genutzt.

Der Fall des Eisernen Vorhangs, ein weltpolitischer Umbruch, veränderte nicht nur die politischen Grenzziehungen, sondern auch die Frauenhandelsmärkte: Frauen kamen nun überwiegend aus Mittel- und Osteuropa. Deren äußerliche Ähnlichkeit mit westeuropäischen Frauen verdeutlichte, wie willkürlich die Grenzziehung zwischen Menschen und Staaten vollzogen wird. Globalisierungsphänomene und ebenso die Erweiterung der Europäischen Union hatte eine Intensivierung von internationaler Arbeitsmigration zur Folge. Demnach verlor die nationalstaatliche Grenzsicherung an Bedeutung. Auch hier zeigt die Autorin die Instrumentalisierung des Frauenhandelsdiskurses auf: „Sie [die Diskurse] fungieren als konstitutiver Teil der Grenzpolitiken und stellen den Staat als machtvollen Akteur wieder her.“ (S. 101). Wie sich gerade im Kontext des Frauenhandels der Staat als machtvoller Akteur, als Schützer nationaler Identität und souveräner Grenzen gerieren kann, zeigt sich im Fall von Abschiebung, die „[…] von staatlicher Seite – das ultimative Mittel der Ausgrenzung und Rückbringung gehandelter Frauen im Falle ihres nicht legalen Aufenthaltes [ist].“ (S. 19).

Andere Arbeiten zum Thema konstatieren eine Verknüpfung des Frauenhandelsdiskurses mit angrenzenden Normen (Menschenrechte, Verhinderung von Gewalt gegen Frauen etc.), was eine Wiederbelebung und zusätzliche Implementierung der Anti-Trafficking-Norm zur Folge hat. Huland beurteilt diesen Erfolg jedoch als weitaus weniger ausgeprägt. So stellt sie die Frage, ob nicht mit jeder neuen Verknüpfung auch jeweils ein neues Diskussionsfeld eröffnet wird, dass das (hier negative) Potential besitzt, den Menschenhandelsdiskurs für andere Zwecke zu instrumentalisieren. Die Autorin schließt diesen ersten Abschnitt mit einer Zusammenfassung ab.

Im zweiten Abschnitt der vorliegenden Arbeit (Kapitel 4 bis 6) geht Huland auf Grenzziehungen sowie Ausländer- und Abschiebediskurse ein, um zu zeigen, auf welche Art und Weise das nationale Normalisierungsfeld stabilisiert wird. Hierbei berücksichtigt sie unter anderem die Entstehung territorialer Ordnungen, Migrationsgründe und -politiken unter Einbezug von Ausländer- und Abschiebediskursen. Zudem skizziert sie den zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen die gängige Abschiebepraxis in Deutschland.

Vorstellungen über die sogenannte nationale Souveränität werden über lange Prozesse sozial konstruiert. Das oder der/die sogenannte „Fremde“ wird als Bedrohung von Außen imaginiert und dient der Stärkung des nationalen Gefühls einer Zusammengehörigkeit. Huland zeigt deutlich, wie Diskurse der Ausländerpolitik zur Stabilisierung des nationalen Normalisierungsfeldes, also zu der Idee einer einheitlichen Nation beitragen und diese festigen. „Die Bedrohung im Falle illegaler Einwanderer besteht nicht mehr in der Okkupation von Räumen und nicht nur in der (oft nur bescheidenen) Teilhabe an sozialen Systemen und Märkten, sondern darin, dass der symbolische Gehalt der Grenzen unterminiert wird.“ (S. 145). Dennoch kann die strikte Ausgrenzung Migrationswilliger nicht mehr gerechtfertigt werden: So wird (illegale) Migration als notwendiges Übel betrachtet. Der Menschenhandel wird einerseits als Bedrohung für nationale Grenzen dargestellt, andererseits als Gefährdung der Menschenrechte von Betroffenen. Durch die Involvierung von organisierter Kriminalität kann das Bedrohungsszenario noch weiter zugespitzt werden.

NROs und andere EU-Staaten kritisieren, dass die deutsche Ausländer- und Flüchtlingspolitik äußerst stark an Eigeninteressen, Stichwort hochqualifizierte Beschäftigte, ausgerichtet ist und ihre Verantwortung im Flüchtlingsschutz auf andere EU-Mitgliedsstaaten abwälzt. Darüber hinaus wird immer wieder Kritik an rassistischen und menschenverachtenden Vorgehensweisen beispielsweise bei Abschiebungen laut. Zudem negiere Deutschland historisch gewachsene Verflechtungen und ignoriere historisch entstandene Verantwortlichkeiten.

Stringenterweise befasst sich Huland weiter mit ausländerrechtlichen Aspekten, denen Menschenhandelsbetroffene zumeist unterliegen. Sie diskutiert die bestehenden Rechtsgrundlagen für den Schutz und die Unterstützung betroffener Frauen und stellt fest, dass der deutsche Staat seinen eingegangenen Schutzverpflichtungen nicht gerecht wird: Oftmals sind Betroffene durch Abschiebehaft sowie der faktischen Nichtanerkennung der Verletzung ihrer Menschenrechte gefährdet. Es kann nicht oft genug angemerkt werden, dass Maßnahmen zum Schutze und zur Unterstützung betroffener Frauen nur in Ansätzen umgesetzt werden und bei weitem nicht ausreichen. Auch den zweiten Abschnitt schließt die Autorin mit einer zusammenfassenden Bemerkung.

Der empirischen Auseinandersetzung anhand von Primärquellen wird in Abschnitt III (Kapitel 7-12) der vorliegenden Arbeit nachgegangen. Der Fokus liegt hierbei auf der Analyse von Abkommen und Dokumenten der UN, der EU, des Europarates, des deutschen Strafrechts, von NROs sowie ergänzend, der aktuellen innenpolitischen Diskussion in Deutschland zum Thema Frauenhandel.

Die Autorin diskutiert hier schwerpunktmäßig den Menschenhandelsdiskurs auf UN-Ebene, das „Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau“ (CEDAW, 1979, in Kraft getreten 1981) inklusive aller deutschen Staaten- und Schattenberichte samt Kommentierung durch den CEDAW-Ausschuss. Deutschland hat bislang sechs Berichte eingereicht und NROs nehmen seit dem 4. Staatenbericht die Möglichkeit in Anspruch, diesen zu kommentieren und liefern somit auch für den CEDAW-Ausschuss zentrale Einblicke in die tatsächliche (leider nur mangelhafte) Umsetzungspolitik. Ausformulierte Forderungen der Schattenberichte bzw. des CEDAW-Ausschusses betreffen u.a. eine Ausweitung der Definition von Menschenhandel, eine Verbesserung der Gesamtsituation von OpferzeugInnen sowie die mangelhafte Unterstützung von betroffenen Frauen, die auch als mögliche Ursache für die Straflosigkeit von TäterInnen gehandelt wird.

In einem weiteren Schritt wird das „Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität“, das sogenannte Palermo-Protokoll (2000), einer kritischen Analyse unterzogen. In diesem hat die internationale Staatengemeinschaft erstmals eine einheitliche, weltweit gültige und völkerrechtlich bindende Definition von Menschenhandel gefunden. Huland stellt hierzu kritisch fest, dass das Strafverfolgungsinstrument als solches mit vergleichsweise schwachen Formulierungen hinsichtlich des Schutzes von Menschenrechten ausgestattet ist, zudem auch nur für grenzüberschreitenden Menschenhandel Gültigkeit besitzt. Ihr Fazit: „Diese Art des Menschenhandelsdiskurses stärkt […] die symbolisch kulturellen und die tatsächlichen Grenzen gegen solchermaßen dargestellte Angriffe von außen.“ (S. 102).

Dem Menschenhandelsdiskurs auf EU-Ebene nähert sie sich durch die Betrachtung vielfältiger Dokumente, hier u.a. die Brüsseler Erklärung von 2002, die EU-Richtlinie von 2011 und Stellungnahmen der Sachverständigengruppe Menschenhandel. Die Brüsseler Erklärung zur Prävention und Bekämpfung des Menschenhandels beispielsweise suggeriert nach Huland die Möglichkeit der Sicherheit des ‚Raums, der Freiheit und des Rechts‘ und verbirgt damit die Tatsache, dass diese – wohl erwünschte – Sicherheit illusorischer Natur ist. Tiefgreifende Opferschutzmaßnahmen werden vorgesehen, wurden aber bis heute kaum umgesetzt. Auch sieht die Brüsseler Erklärung eine Gefahr im Missbrauch des Opferstatus, was in Anbetracht des Dunkelfelds im Frauenhandelsbereich an Blasphemie grenzt. Huland stellt hierzu pointiert fest: „Ein Land wie Deutschland etwa dürfte auch wenn ein Betrug gelegentlich glückt, längst nicht an seine Belastungsgrenzen kommen. Letztlich ist es eine Frage der politischen Priorität.“ (S. 294)

Das „Übereinkommen des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels“ (2005) untersucht die Autorin vor allem hinsichtlich der fortschrittlichen Opferschutzmaßnahmen und stellt fest, dass dieses einem menschenrechtsbasiertem Ansatz wesentlich stärker gerecht wird. Kritikpunkt ist die geschlechterneutrale Darstellung. Huland bemängelt, dass damit „[…] die geschlechtsspezifische Verteilung von Tätern und Opfern in den unterschiedlichen Deliktsbereichen … verschleiert und strukturell unsichtbar“ (S. 315) gemacht würde.

Zuletzt untersucht Huland die Umsetzung internationaler Abkommen in nationales Strafrecht. Auch die aktuellen innenpolitischen Debatten und Zerwürfnisse zum Themenkomplex werden kurz skizziert. Hier verweist die Autorin u.a. auf die zunehmende gesellschaftspolitische Debatte um Verantwortlichkeiten von Freiern. Abschließend sucht die Autorin mit Exkursen zum Thema „Geschlechterverhältnisse - (strukturelle) Gewalt gegen Frauen“ sowie „Sexualität und Prostitution“ ein konsequentes Ende.

Diskussion und Fazit

Huland greift mit ihrer Forschung einen wesentlichen Themenkomplex und damit verbundene Diskursstränge auf. In prägnanten Worten stellt sie eine bedenkenswerte These zur Instrumentalisierung von Frauenhandel für benachbarte Politikfelder vor und begründet diese mit historischen aber auch gegenwartsorientierten Bezügen. So lassen sich in weiterer Folge vor allem zwei wesentliche „Instrumentalisierungspfade“ (S. 128) herausarbeiten: der Prostitutionsdiskurs und das nationale Normalisierungsfeld. Auch zeigt die Autorin die bislang sehr verwirrende Begriffsverwendung auf: „Formulierungen bleiben ungenau darüber, ob es sich um Prävention, Bekämpfung oder Nachsorge handelt und darüber, an welchem Ort und zu welchem Zeitpunkt der Tathandlung eine Intervention erfolgen soll, im Herkunfts-, Transit- oder Zielland, vor, während oder nach dem Grenzübertritt oder dem Eintritt der Ausbeutungssituation.“ (S. 13). Bedeutsame Zusammenhänge werden häufig – und dies auch von Anti-Trafficking-AkteurInnen – nur unterschwellig an- und nicht konsequent zu Ende gedacht.

Die dringende Notwendigkeit, die Problematik des Frauenhandels nicht aus singulärer Perspektive zu betrachten, sondern immer die Einbettung in ein breites Spektrum an „Polit-Um-Feldern“ mitzudenken, sollte folgerichtig auch im Fokus weiterer Forschungsbemühungen stehen. Der Einbezug aller relevanten Diskursfelder (u.a. Prostitutionsdiskurs, Ausländer- und Abschiebediskurse, Sicherheitspolitiken) dient der Sichtbarmachung von vermeintlich unklaren Zusammenhängen und bringt „Ordnung ins Chaos“.

Zwei kleine Wermutstropfen: Eine kurz gehaltene Zusammenfassung der „Empirischen Analyse von Primärquellen“ in Abschnitt III (wie sie auch in Abschnitt I & II enthalten war) hätte eine zusätzliche Orientierungsmöglichkeit im Dickicht der Berichte, Richtlinien, Papiere usw. geschaffen. Gerade die umfassende Präsentation der empirischen Ergebnisse hätte durch eine zusätzliche, überblicksartige Diskussion nur gewinnen können. Auch runden die schließenden Exkurse zu „Geschlechtsverhältnissen – (Strukturelle) Gewalt gegen Frauen“ und „Sexualität und Prostitution“ das Gesamtthema notwendigerweise ab, stehen jedoch ein wenig zu randseitig. Aufgrund der maßgeblichen inhaltlichen Bedeutung dieser beiden Exkurse für den vorliegenden Diskursstrang wäre aber möglicherweise eine kontinuierliche Integration in die drei Hauptabschnitte der Arbeit förderlich gewesen.

Abschließend bleibt festzuhalten: Huland wird der schwierigen Aufgabe, den Diskurs – trotz seiner offenbaren Komplexität sowie Überschneidungen mit anderen Diskursfeldern – in klarer Art und Weise interpretativ darzustellen, durchaus gerecht.

Rezension von
Mag.a Christina Frank
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit der Donau Universität Krems
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Zitiervorschlag
Christina Frank. Rezension vom 22.04.2014 zu: Annette Huland: Frauenhandel in Deutschland. Im Spannungsfeld von Abschiebungspolitik und Prostitution. Tectum-Verlag (Marburg) 2012. ISBN 978-3-8288-3027-1. [Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum-Verlag / Reihe Politikwissenschaften] Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum-Verlag, Reihe Politikwissenschaften - Band 54. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/16212.php, Datum des Zugriffs 02.12.2024.


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