Nico B. Rottke, Matthias Thomas (Hrsg.): Immobilienwirtschaftslehre. Bd. 1. Management
Rezensiert von Prof. Dr. Bernd Halfar, 11.05.2015
Nico B. Rottke, Matthias Thomas (Hrsg.): Immobilienwirtschaftslehre. Bd. 1. Management. Immobilien Manager Verlag IMV GmbH & Co. KG (Köln) 2011. 1040 Seiten. ISBN 978-3-89984-208-1. 159,00 EUR.
Autoren, Thema, Entstehungshintergrund
Bisher griff der an Immobilienökonomie Interessierte zum „Schulte“. „Der Schulte“ war das Standardwerk, schwergewichtig in jeglicher Hinsicht. Nico Rottke und Matthias Thomas, beide mit einem Bein in der Hochschule, mit dem anderen Bein in der Immobienpraxis, haben ein dreibändiges Werk zusammengestellt, das noch mehr wiegt (allein der hier besprochene Band umfasst, leinengebunden, über 1000 Seiten, teures, schweres Papier…) und auch das Zeug zum Standardwerk hat. Die Immobilienwirtschaftslehre mausert sich, auch durch dieses Werk, zu einem eigenständigen Arbeitsgebiet, das nicht mehr als Bindestrich-BWL an die Wirtschaftswissenschaft angehängt werden muss. Auch in der Sozialwirtschaft wächst die Bedeutung immobilienwissenschaftlicher Analysen; nicht zuletzt als Folge der Dezentralisierung von Einrichtungen, der Quartiersbezüge sozialer Arbeit und des Rückzuges der öffentlichen Hand aus der Objektfinanzierung.
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist ein Sammelband mit 31 Beiträgen, fast die Hälfte davon von Nico Rottke, und trotzdem ist das Werk alles anderes als ein Sammelsurium, sondern ein gut durchkomponiertes, hervorragend gegliedertes und systematisch aufgebautes Hand- und Lehrbuch.
Im ersten großen Teil finden sich neun Beiträge, allesamt von Nico Rottke, die sich mit theoretischen Grundlagen dieser relativ neuen Wissenschaftsdisziplin ebenso auseinandersetzen wie mit einem praktischen Überblick über die Lehre und Forschung im Arbeitsfeld „Immobilienwirtschaft“, es werden Übersichten über Zeitschriften, Verbände, Institutionen und Studiengänge geliefert, und auch Grundlegendes über die spezifische Funktionsweise des Immobilienmarktes und dessen immobilienwirtschaftlicher Geschichte mitgeteilt. Auch „unser“ Thema „Sozialimmobilien“ taucht auf, im Kapitel 5 „Immobilienarten“ als Unterpunkt zur Kategorie der „Sonderimmobilien“. Rottke beschränkt sich hier auf die definitorische Darlegung einiger Arten von Sozialimmobilien, begrenzt auf Krankenhäuser und Einrichtungen der Altenhilfe. Die Einordnung stimmt, aber in der Art der Behandlung in diesem Beitrag blinken eben alle Baustellenlampen auf: bitte weiterarbeiten, das Besondere der Sozialimmobilien erfassen, eigene Instrumente anpassen, womöglich: eigene Forschungen anpacken.
Mit Fragen des Immobilienmanagements, hier als „Führung“ überschrieben, befassen sich die Aufsätze, die im zweiten großen Abschnitt des Buches zusammengefasst sind. Steffen Metzner zeigt einen Überblick über verschiedene Planungsmethoden, die zwar dem Leser bekannt sein dürften, – Delphi, Monte-Carlo-Modelle, Relevanzbaum, GAP, Lebenszyklusanalyse, quantitative Prognosemodelle etc., die aber hier, richtig gut, an Beispielen des Immobilienmanagements durchdekliniert werden. Wie man Fragen des Immobilienmanagements in Ablauf- und Aufbauorganisationen organisieren kann, welche Organisationsmodelle aus Sicht der Prozessfunktionalität geeignet sind, und wie diese Organisationsformen mit den dargelegten Führungsmodellen korrespondieren, zeigt Metzner in einem weiteren Beitrag. Ausgezeichnet baut hierauf der Beitrag von Gerhard Faltermeier auf, der sich unter der Überschrift „Implementierung“ mit Aspekten der Projektorganisation auseinandersetzt. Wiederum ergänzt durch einen -folgerichtigen- Beitrag (von Metzner), der sich mit dem Immobiliencontrolling beschäftigt. Diese knapp 40 Seiten liefern einen sehr guten Überblick über das Immobiliencontrolling, und zwar mit dessen spezifischen Anforderungen und Ausprägungen, – beispielhaft gelungen. Spitz auf immobilienwirtschaftliche Aspekte konzentriert schreibt Baumunk über die IFRS-Rechnungslegung und beleuchtet für verschiedene Klassifikationen, z.B. Vorratsimmobilien, Eigennutzungen, im Bau befindliche Immobilien, Betreiberimmobilien oder Mischnutzungen die jeweiligen Auswirkungen auf GuV und Bilanz. Abgerundet wird dieser Abschnitt durch einen personalwirtschaftlichen Aufsatz von Thomas Flor, der wiederum ausgezeichnet einen Überblick über Verfahren und Methoden der Personalauswahl, Personalentwicklung und Personalstrukturen liefert, aber so kenntnisreich und nachvollziehbar die Besonderheiten von Immobilienunternehmen beleuchtet, dass auch sozialwirtschaftliche Entscheidungsträger die vorgestellten Überlegungen mit- und für ihre Belange weiterdenken können.
Der dritte Buchteil enthält sechs Beiträge zum Thema „Lebenszyklus“. Die Auseinandersetzung mit den Lebenszyklen ihrer Immobilien wird für die Träger sozialer Arbeit eine Pflichtaufgabe. Eine äußerst lesenswerte Einführung in das Thema liefert der Beitrag von Kurzrock, der durch stadt-, regional- und quartiersplanerischen Überlegungen von Sabine Baumgart gut weitergedacht wird. Sie argumentiert von demographischen Entwicklungen aus, entwickelt raumplanerische Konzepte und liefert immobilienwirtschaftliche Steilvorlage für in der Sozialarbeit so beliebte Quartierskonzepte. Mit dem analytischen Schwerpunkt auf energetische Aspekte, auf Green Buildung und Energieeffizienz beschäftigt sich Thomas Herr mit dem Nachhaltigkeitsmanagement in der Immobilienwirtschaft. Wie man Immobilienprojekte konkret aufziehen kann, von der Standortanalyse über Projektkonzeptionen, Vermarktungen, Objektmanagement und Nutzungskonzepten und wie man daraus folgende Bauprojekte, vom Kostenmanagement über das Terminmanagement und Qualitätsmanagement methodisch in den Griff bekommen kann, schreibt Thomas Kinateder in zwei systematischen Beiträgen. Ganz nah an sozialwirtschaftlichen Aufgaben angesiedelt, wenngleich nicht explizit ausgeführt, ist das Facility Management, das von Lars Schöne in der Kürze hervorragend dargelegt wird. Die Fragen, auch für soziale Träger sind angeschnitten, die Handlungsmöglichkeiten geordnet, die Besonderheiten der Sozialimmobilien müssen von anderen angepackt und beschrieben werden.
Im vierten Buchkapitel dreht sich alles um die Immobilienstrategie. Haben unsere Träger sowas? Wie sieht es um den Aufbau eines Immobilien-Portfolio aus? Wie man sowas systematisch macht, welche Bewertungsmethoden des Portofolios im Immobilienbereich eingesetzt werden, quantitativ und qualitativ, lässt sich, besser kenne ich es nicht, bei Matthias Thomas et al. nachlesen. Die folgenden Beiträge über Real Estate Asset Management, Public&Corporate Real Estate Management und Private Real Estate Management sind für soziale Träger, zumindest im Moment, nicht relevant und bleiben unbesprochen.
Doch im letzten Themenblock des Bandes, die Überschrift lautet „Transaktion“, gibt es wieder einschlägige Vorlagen für die sozialwirtschaftlichen Entscheider. Kopiervorlagen, die auf die sozialwirtschaftliche Typik umgezeichnet werden müssen, aber in ihrer Grundstruktur ausgezeichnete Grundlagen bieten. Wie analysiert man Immobilien? Welche Methoden eignen sich hierfür? Der Beitrag von Björn Kurzrock ist so gründlich und inspirierend, dass auch in unsere Branche weiterreichende Überlegungen quasi automatisch aus der Lektüre springen. Und zu dieser Steilvorlage passen geradezu ideal die folgenden Überlegungen von Thomas et al. zur Immobilienbewertung. Die in der Wissenschaft anerkannten und in der Praxis eingesetzten Bewertungsverfahren werden hier gründlich und informativ dargestellt und nebeneinander gestellt, und das auf knappem Gelände. Ein ausgezeichneter Überblick! So auch Rottkes im Anschluss vorgenommene Darlegung der Investitionsstrategien, Immobilienanlageprodukte und – vor allem – Methoden der Investitionsrechnung. Lehrbuchmäßig, präzise, knapp. Und diese Kunst beherrscht Rottke auch in seinem Beitrag über Immobilienfinanzierung. Wie in einem Lexikon tauchen alle Finanzierungsformen auf, und lassen den Leser aus dem Sozialbereich gut informiert mit der Frage zurück, wie man nun vor dem Hintergrund der spezifischen Finanzierung von Sozialimmobilien ein entsprechendes Mix ausbilden kann. Aber man kennt jetzt die Zutaten. Und weiß, seit dem Ende des Kostendeckungsprinzips und der Objektfinanzierung, dass man sich auch mit Risikomanagement im Immobiliensektor beschäftigen muss. Auch hierzu ist Rottkes nächster Beitrag äußerst informativ und methodisch hilfreich. Abgerundet wird der Band durch Überlegungen zum Immobilienmarketing.
Fazit
Die Immobilienwissenschaft weiß „von uns“ nicht sehr viel, ABER: das hier besprochene Buch ist so fundiert, so methodisch und theoretisch abgerundet, so systematisch, so gut geschrieben, so gut illustriert (373 Abbildungen!) und gibt so viele Anregungen, dass es unverzichtbar für alle Entscheidungsträger in sozialen Organisationen ist, die sich schwerpunktmäßig mit Immobilien befassen (müssen/dürfen/sollen). Das Immobilienthema ist im Sozialbereich angekommen, und „DER ROTTKE“ liefert einen ausgezeichneten Einstieg.
Rezension von
Prof. Dr. Bernd Halfar
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Zitiervorschlag
Bernd Halfar. Rezension vom 11.05.2015 zu:
Nico B. Rottke, Matthias Thomas (Hrsg.): Immobilienwirtschaftslehre. Bd. 1. Management. Immobilien Manager Verlag IMV GmbH & Co. KG
(Köln) 2011.
ISBN 978-3-89984-208-1.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/16281.php, Datum des Zugriffs 08.09.2024.
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