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Sabrina Anlauf: Die pflegerischen Leistungen im Krankenhaus vergüten

Rezensiert von Prof. Dr. rer. pol. Hildebrand Ptak, 06.02.2014

Cover Sabrina Anlauf: Die pflegerischen Leistungen im Krankenhaus vergüten ISBN 978-3-8300-7038-2

Sabrina Anlauf: Die pflegerischen Leistungen im Krankenhaus vergüten. Am Beispiel von NANDA-International-Pflegediagnosen. Verlag Dr. Kovač GmbH (Hamburg) 2013. 68 Seiten. ISBN 978-3-8300-7038-2. D: 57,80 EUR, A: 59,50 EUR, CH: 76,90 sFr.
Schriftenreihe Gesundheitsmanagement und Medizinökonomie - Band 32.

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Thema und Zielsetzung

Die medizinisch orientierten DRG berücksichtigen seit ihrer Einführung im deutschen Krankenhauswesen zu wenig die pflegerelevanten Leistungen sowie Aufwendungen. Medizinische Leistungen bleiben als codierbare Leistungen das Richtmaß, während die pflegerischen Leistungen für abrechnungsrelevante Codierzwecke fast unberücksichtigt bleiben, bilden die DRG somit jedoch nur einen Teil der patienteninduzierten Inputs ab, die das Krankenhaus aufwendet. Dieses Schattendasein entspricht nicht den betriebswirtschaftlichen Anforderungen an die Berücksichtigung aller am Dienstleistungsprozess Gesundheit Beteiligten. Möglichst transparente Wertschöpfungsprozesse werden bisher nur unvollständig erfasst. Dies ist unbefriedigend und sogar auch unlogisch, denn neben medizinischen und therapeutischen Leistungen tragen auch Pflegeleistungen zur Gesundung eines Patienten bei, die jedoch bisher lediglich ungenügend erfasst werden können. Insofern besteht hierin ein Nachholbedarf der Pflege, um den erlöswirksamen Beitrag in der betrieblichen Krankenhauspraxis erfassbar und damit das interdisziplinäre Zusammenwirken adäquat sichtbar zu machen.

Die Autorin widmet sich mit ihrem Buch einer bisher zu wenig erforschten Ausgangsfragestellung, in dem sie das seit zwei Jahrzehnten genutzte US-amerikanische System der Pflegediagnosen nach NANDA-International und andere Systeme beschreibt sowie kritisch diskutiert. Dabei prüft sie, ob und in wie weit die in den USA angewendeten Pflegediagnosesysteme sich für eine Umsetzbarkeit in deutschen Krankenhäusern eignen. Dabei berücksichtigt sie die dazu notwendige Einbeziehung der NIC- (Pflegeinterventionsklassen) und NOC-(Klassifikation von Pflegeergebnissen) Klassifikationen. Schlussendlich rundet sie ihren Befund mit einer Beurteilung der dafür notwendigen EDV-technischen Erfordernisse ab.

Eine Online-Befragung von deutschen Krankenhäusern ermöglicht ein aktuelles Lagebild. Die Verfasserin fragt u.a., ob deutsche Kliniken überhaupt Pflegediagnosen nutzen und wenn ja welches Pflegediagnosesystem genutzt wird. Die Ergebnisse sind interessant und spiegeln die betrieblichen Situationen im Umgang mit Pflegediagnosen realistisch wider.

Es gelingt der Verfasserin, den notwendigen Paradigmawechsel in der Pflege deutlich herauszuarbeiten und zu belegen, um Leistungen des Pflegepersonals zu strukturieren, zu dokumentieren und damit zu erfassen, um sie letztendlich dem Patienten verursachungsgerecht zuordnen zu können. Ohne den Nachweis einer dokumentierten Erlöswirksamkeit wird der wertschöpfende Anteil des Pflegepersonals am gesamten Gesundungsprozess eines Patienten nicht annähernd adäquat abgebildet.

Herausgeberin

Frau Sabrina Anlauf, B.A. Pflegemanagement: Als berufserfahrene Krankenschwester (Krankenschwesterexamen 2002 in München) ist sie überwiegend in der Psychiatrie tätig, absolvierte in Berlin an der EHB den Bachelor Studiengang Pflegemanagement und vertieft momentan in einem Master-Studiengang ihr Wissen.

Entstehungshintergrund

Die Verfasserin beschäftig sich bereits seit über mehreren Jahren mit der Thematik, so auch in ihrer Bachelor-Thesis und danach bis heute.

Es ist ihr ein Anliegen, die komplexen und berufsgruppenübergreifenden Leistungsprozesse und -ketten im DRG-System pflegebezogen darzulegen und den Beitrag des Pflegepersonals auf Augenhöhe mit anderen Professionen zu belegen, um die Erlöswirksamkeit der pflegerelevanten personellen und sachlichen Ressourcen nachzuweisen. Dafür ist das Buch unverzichtbar und regt zu weiteren Forschungsansätzen an.

Aufbau …

Das Buch umfasst mit sämtlichen Verzeichnissen 126 Seiten. Es enthält elf hilfreiche Abbildungen sowie sechs Tabellen. Ein Glossar sowie die beiden Anhänge A und B sind am Buchende enthalten.

Das gut strukturierte Inhaltsverzeichnis enthält neben den üblichen Verzeichnissen acht unterschiedlich umfangreiche Kapitel sowie die Anhänge und Abbildungen. In Kapitel 2 werden die methodischen Begründungen dargelegt, denen sich im Kapitel 3 der IST-Zustand der Pflege, einschließlich der PKMS-Systematik und dem ICD-Katalog mit den pflegrelevanten Nebendiagnosen, im heutigen DRG-System anschließen. Am umfangreichsten ist das Kapitel 4 geraten, in dem die Pflegediagnosen, deren Aufbau sowie der Pflegeprozess und schlussendlich eine kritische Diskussion enthalten sind. In Kapitel 5, dem Empirieteil, wird die Online-Befragung von Krankenhäusern in Deutschland, einschließlich der Ergebnisse und der daraus abgeleiten Diskussion, dargelegt. Im Kapitel 6 transformiert die Autorin die bisherigen Ergebnisse auf das DRG-System und versucht, trotz systembedingter Schwierigkeiten, sie in das DRG-System zu integrieren. Eine Zusammenfassung im Kapitel 7 stellt die Untersuchungsergebnisse dar und gibt in Kapitel 8 einen Ausblick in die nahe Zukunft. Dabei mahnt sie u.a. die Pflegepraxis und die deutsche Pflegeforschung, sich intensiver mit einer schnelleren Umsetzung von handhabbaren Systemen zu beschäftigen und ein in sich geschlossenes Klassifikationssystem pflegerischer Leistungen zu schaffen, die eine verursachungsgerechte Abbildung der Pflegeleistungen, ähnlich der medizinischen Leistungserfassungen, ermöglicht.

… und Inhalt

Die Autorin führt unter Bejahung des aktuellen DRG-Systems im Kapitel 1 in die pflegefachliche Problematik ein, umreißt die mangelnde Berücksichtigung der pflegerischen Leistungen in den DRG und kommt dann zu ihren drei Ausgangsfragen für das Buch.

Im Kapitel 2, stellt sie dem Leser den Aufbau des Buches und ihr methodisches Vorgehen im Überblick vor.

Die Notwendigkeit der Untersuchung wird in Kapitel 3 nachgewiesen. So bleiben die Leistungen des Pflegepersonals als größte Berufsgruppe in deutschen Krankenhäusern zu wenig in den Umsatzerlösen berücksichtigt. Ebenfalls ist damit auch die Nutzenstiftung pflegerischer Leistungen weder auf betriebswirtschaftlicher noch auf volkswirtschaftlicher Ebene nur annähernd ermittelbar. Der Wert der Pflege bleibt unklar, ebenso bleibt der Wertschöpfungsprozess damit nur unvollständig. Im Rahmen von jüngeren Ansätzen, z.B. besonders aufwändige Patientenpflege zu erfassen (z.B. PKMS, ICD-, OPS-Systematik), wird nachgewiesen, dass inzwischen ein Instrumentarium zur Berücksichtigung von pflegerischen Leistungen geschaffen wurde. Dieses reicht jedoch noch lange nicht aus, da es u.a. nur auf eine sehr geringe Patientenzahl anwendbar ist. Die Bedeutung von pflegerelevanten Nebendiagnosen und von anderen Instrumenten wurde problematisierend diskutiert. Vertiefend wird danach auf ausgewählte Pflegeklassifikationssysteme (NDC, NIC, NOC und andere) eingegangen, die ihren Ursprung in den USA hatten und dort seit 20 Jahren angewandt werden. Auch werden das österreichische Pflegeklassifikationssystem und das System der europäischen Pflegebehandlungspfade (ENP) erörtert und es wurde deutlich, dass die Einführung von Pflegediagnosen als Nachweis des pflegerischen Handelns unerlässlich sind, um erlöswirksam kodieren zu können und um als gut qualifizierte Berufsgruppe ihren Anteil an dem Gesamtwertschöpfungsprozess zu belegen.

In Kapitel 4 werden die Pflegediagnosen kritisch begutachtet, begrifflich von medizinischen Diagnosen abgegrenzt und schlussendlich auf der Grundlage von NANDA-International in fünf verschiedene Arten von Pflegediagnosen unterteilt. Der Aufbau dieser Systematik wird in diesem Kapitel dem Leser gut und knapp erklärt. Die Pflegediagnose löst damit bestimmte kostenrelevante Pflegeleistungen aus. Insofern nimmt der Pflegeprozess, als Legitimation von Pflegeleistungen, eine herausragende Funktion ein. Der Pflegeprozess wird in seine ablaufbedingten Teilprozesse aufgeteilt und die einzelnen Schritte werden beschrieben. Das Kapitel endet mit einer kritischen Würdigung der vorher diskutierten Pflegediagnosen.

Die im Kapitel 5 dargelegte Empirie besteht aus einer Online-Befragung von 200 deutschen Kliniken im März 2012, dem Aufbau sowie der Methodik der Befragung. Am Ende stellt die Verfasserin die ernüchternden Ergebnisse vor und diskutiert diese. Dabei wurde u.a. deutlich, dass die Mehrzahl der Rücksendungen zum Zeitpunkt der Befragung noch keine Pflegediagnosen nutzten, jedoch eine wahrnehmbare Bereitschaft bekundet wurde, diese in der Zukunft implementieren zu wollen.

Im Kapitels 6 werden die Verflechtungen der Pflegdiagnosen mit dem DRG-System sowie die praktischen Codiergrenzen problematisierend und am Beispiel einiger Pflegediagnosen diskutiert sowie Lösungsansätze abgeleitet. Eine interessante Option wird in der ergänzenden Einführung eines Pflegefaktors gesehen, der die bei den DRG angewandten Merkmalen für den Eingruppierungsprozeß ergänzt. Weiterhin würden Nursing Related Groups die bisherigen ärztlichen Diagnosen pro Behandlungsfall ergänzen und somit pflegerelevante Kosten separat die Fallkosten zugeordnet werden können. Dadurch wird ermöglicht, dass Pflegeleistungen und medizinische Leistungen erfasst, abgebildet und verursachungsgerecht abrechenbar werden.

Die Zusammenfassung im Kapitel 7 rundet die Gesamtproblematik ab. Dabei wurde deutlich, dass es eines politischen Willens bedarf, die nicht unerheblichen Änderungen in der Verteilungslogik des deutschen Gesundheitssystems zu Gunsten der Pflege anzuschieben und dass es notwendig ist, unter Bejahung des aktuellen DRG-Systems, die Leistungen der Pflege genau so erlöswirksam in den DRG zu berücksichtigen, wie bei den medizinischen Leistungen auch.

Im Kapitel 8 skizziert sie, unter Berücksichtigung der demographischen Situation, die zukünftige Entwicklung und verweist auf das österreichische Gesundheits- und Krankenpflegegesetz. Die Eigenverantwortlichkeit für alle pflegeprozessbezogenen Tätigkeiten ist demnach in Österreich eine Selbstverständlichkeit.

Diskussion

Es wird ein Buch vorgelegt, dass die in Deutschland bisher zu wenig beachteten Pflegediagnosen beleuchtet, die grundlegenden Probleme offenlegt, aber auch klare Lösungsansätze aufzeigt. Am Gesundungsprozess eines Patienten im Krankenhaus arbeiten Menschen unterschiedlicher Berufsgruppen und mit unterschiedlicher Intensität und Dauer mit. Dabei werden diverse Personal-, Sach- und Finanzmittel genutzt und verbraucht. Diese betriebswirtschaftlich interessante Situation ist bei komplexen Leistungen oder Leistungserstellungsprozessen nichts Neues. Die kardinale Frage bleibt nur, ob jeder Mitwirkende oder Berufsgruppe eine adäquate Vergütung für seine eindeutigen Leistungen erhält? -Bei den DRG geschieht eben diese Erlösverteilung allenfalls nur suboptimal. Hier gilt es politisch nachzubessern. Die Ergänzungen der DRG liegt also im Verantwortungsbereich von Bundespolitikern und Selbstverwaltungsorganen. Über die Instrumente und Wege kann man sich trefflich streiten. Das Buch zeigt jedoch sehr gut, dass es in anderen Ländern durchaus seit langer Zeit bereits Instrumente gibt, die Pflegeleistungen erlöswirksam zu berücksichtigen. Es ist erstaunlich, dass diese Problematik in Deutschland so lange unterbelichtet blieb, denn die Fakten sind allen lange bekannt. Das DRG-System feiert in 2014 immerhin sein 10-jähriges Bestehen, was in Dimensionen der Gesundheitspolitik eine lange Zeit ist. Umso mehr kann man der Autorin für ihr Buch danken und auch andere Fachleute, die aus der Pflege, der Politik und aus den Wirtschaftswissenschaften stammen, ermutigen, an diesen Fragestellungen konsequent weiter zu arbeiten und klare integrative Erhebungs-, Codier- und Abrechnungsverfahren zu entwickeln. Die Pflege, als eine leistungsstarke, -willige und unverzichtbare Komponente in dem berufsgruppenübergreifenden -jedoch patientennahen- Behandlungsprozess, hat Anspruch auf eine verursachungsgerechte Erlösbeteiligung im DRG-System. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist dies längst überfällig. Das hilfreiche Werk ist verständlich geschrieben und bietet zahlreiche Möglichkeiten, sich weiter in die Materie tiefer einzuarbeiten.

Fazit

Das Buch ist den Lesern zu empfehlen. Insbesondere sollten Studierende, Managementnachwuchs in Betrieben der Gesundheitswirtschaft, sowie am Gesundheitswesen Interessierte dieses Buch besitzen. Es setzt allerdings Kenntnisse des deutschen Gesundheitssystems, krankenhausbezogene betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse sowie fundierte pflegebezogene Kenntnisse voraus. Dass in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels, besonders beim gut ausgebildeten Pflegepersonal, diese Problematik noch andere Konsequenzen hat, zeigen Aus- und Abwanderungstendenzen von pflegerischem und medizinischem Fachpersonals aus Deutschland weg. Doch wohin? Nun, im Internetzeitalter, einem gesunden Maß an Neugier auf andere Länder sowie den unverzichtbaren Fremdsprachfertigkeiten, werden u.a. skandinavische Länder immer interessanter, aber auch das UK und die USA.

Rezension von
Prof. Dr. rer. pol. Hildebrand Ptak
Betriebswirtschaftslehre und Management im Gesundheitswesen
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Es gibt 10 Rezensionen von Hildebrand Ptak.

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Zitiervorschlag
Hildebrand Ptak. Rezension vom 06.02.2014 zu: Sabrina Anlauf: Die pflegerischen Leistungen im Krankenhaus vergüten. Am Beispiel von NANDA-International-Pflegediagnosen. Verlag Dr. Kovač GmbH (Hamburg) 2013. ISBN 978-3-8300-7038-2. Schriftenreihe Gesundheitsmanagement und Medizinökonomie - Band 32. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/16364.php, Datum des Zugriffs 23.01.2025.


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