Volker Heyse (Hrsg.): Aufbruch in die Zukunft (Schlüsselkompetenzen in Schulen und Hochschulen )
Rezensiert von Dr. Agnieszka Maluga, 19.01.2015

Volker Heyse (Hrsg.): Aufbruch in die Zukunft. Erfolgreiche Entwicklungen von Schlüsselkompetenzen in Schulen und Hochschulen. Aktuelle persönliche Erfahrungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Waxmann Verlag (Münster, New York) 2014. ISBN 978-3-8309-3052-5.
Herausgeber und Thema
Mit dem einleitenden Verweis auf die „künftigen Anforderungen und Herausforderungen der Risikogesellschaft“ (11) wird vom Herausgeber des Bandes, Volker Heyse, auf die Notwendigkeit von „Veränderungen in Bildung und Erziehung in Schulen und Hochschulen“ (11) hingewiesen. Um sich innerhalb dieser Gesellschaft mit all ihren Risiken, Undurchsichtigkeiten und Unvorhersehbarkeiten sicher und kompetent bewegen zu können, bedarf es einer Stärkung von auf das Leben vorbereitenden Schlüsselkompetenzen.
Sich auf die Expertise und praktische Erfahrung von 36 Autorinnen und Autoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz stützend, ist es u.a. das Anliegen des Buches „überfällig notwendige Schritte zur Schlüsselkompetenz-Entwicklung in Schulen und Hochschulen zu unternehmen.“ (24)
Aufbau
Das Buch gliedert sich in zwei Kapitel. Das erste Kapitel bespricht die Institution der Schule, das zweite Kapitel wendet sich der Hochschule als Bildungsraum zu.
Zu I.
Unter der Kapitelüberschrift „Entwicklung von Schlüsselkompetenzen in Schulen“ versammeln sich im ersten Kapitel – weiter ausstrukturiert innerhalb von drei thematischen Feldern (1-3) – insgesamt zehn Beiträge.
„Schulische Idealentwicklungen“ (1) Dieser ersten thematischen Auswahl widmen sich zwei Aufsätze, wovon der erste Beitrag die Leserschaft auf eine Reise in die ferne Zukunft mitnimmt.
Mathias Balliet und Udo Kliebisch skizzieren ihre Vision des guten Lehrers für das Jahr 2040. (31) Angereichert mit beispielshaften Szenarien aus der zukünftigen schulischen Praxis präzisieren beide Autoren anhand von vier Kompetenzbereichen des Lehrers ihre Vision, indem sie – je für einen Kompetenzbereich – beleuchten, was es erstens bereits schon für Entwicklung in diesem Bereich gibt und zweitens was es ihrer Meinung nach noch geben sollte. (34-61)
Gerald Hüther schließt mit einigen Überlegungen zur „Bedeutung der Lern- und Beziehungskultur für den Erwerb von Schlüsselkompetenzen“ als der Voraussetzung für gelingendes und motiviertes Lernen an. (66) Die Relevanz von positiven Emotionen im und am Lernprozess sowie die dafür notwendige Subjektorientierung der am Bildungsprozess Beteiligten skizziert Hüther anhand von neurobiologischen Implikationen. (67) Nicht die Erkenntnisse der Hirnforschung relativierend, sondern sie um einen wesentlichen Aspekt ergänzend, webt der Autor sozio-kulturelle Aspekte in seine Überlegungen ein. (69)
Matthias Braunisch, Daniela Pilger und Michael Schwager eröffnen mit ihrem Aufsatz die Diskussion um „Neue Konzepte und deren erfolgreiche Umsetzung im schulischen Alltag“ (2), beispielhaft erörtert an der Gesamtschule in Köln-Holweide. Ausführlich stellt das Autoren-Trio anfänglich das auf Partizipation und Inklusion beruhende Konzept „Team-Kleingruppen-Modell Köln Holweide“ vor (72-76). Die mit dem PISA-Schock verbundenen (organisationalen) Auswirkungen und Herausforderungen auf die Schule und das Kollegium münden, so die Autoren, schließlich in der Initiierung diverser Schulentwicklungsprozesse, die im Weiteren eingehend und transparent beschrieben werden. (79-83)
Margret Rasfeld beleuchtet den Transformationsprozess in dem sich unsere Gesellschaft und die darin lebenden Bürgerinnen und Bürger zu behaupten haben. (90) „Was heute zu lernen für morgen wichtig ist“ wird zum Ausgangspunkt für ihre Überlegungen. Nach einer kritischen Bestandsaufnahme der aktuellen Bildungspolitik regt sie dazu an „die Dinge anzupacken und unsere Kinder zu stärken in ihrem Weg in eine ungewisse Zukunft.“ (93) Wie das gemeinschaftlich funktionieren kann, zeigt sie exemplarisch an der Evangelischen Schule Berlin Zentrum, in welcher Kindern das Selbstverständnis von Weltbürgern (96) gegeben wird und Schulen der Zukunft „sich transformieren können zu Biotopen von Wissens-Durst und Verstehens-Hunger.“ (98)
Eckehard Müller erschließt dem Lesepublikum die Schlüsselkompetenz-Debatte beginnend mit der Definition der Termini Wissen, Qualifikation und Kompetenz (101-104), um sich -rekurrierend auf den Schlüsselkompetenzrahmen der EU, welchen er knapp skizziert – drei Ankerbeispielen aus der schulischen Praxis zu widmen, „die drei Beispiele für ein Engagement in der Vermittlung von Schlüsselkompetenzen an Schulen“ beschreiben. (106)
„Ein Paradigma schulischer Begabtenförderung“ fordert Werner Esser in seinem Beitrag ein. Begabtenförderung stellt Esser in einen erläuternden Zusammenhang mit den Grundanliegen der Reformpädagogik. Ausbuchstabiert wird diese Korrelation (122) beispielhaft an den drei Reformschulen Schloss Salem, Landesgymnasium Sankt Afra zu Meißen und der Stiftung Louisenlund. (117)
Bert Xylanders Anliegen, „Herausforderungen schaffen und Verantwortung übertragen“, sieht er durch die Konzeption des Landesgymnasiums Sankt Afra realisiert. Die (hochbegabte) Schülerschaft wird u.a. durch die ausführlich beschriebenen konzeptionsimmanenten Services (138-143) – diese werden hervorgehoben als ein wichtiges Instrument der Persönlichkeitsentwicklung – bei der individuellen Persönlichkeitsentfaltung begleitet und unterstützt. (137)
Die „Stärkung der Motivation und der Schlüsselkompetenzen der Lehrer/innen“ (3) besprechen die drei Aufsätze von Olaf-Axel Burow, Regine Berger und Dietlinde Granzer sowie Wolfgang Scharl.
Olaf-Axel Burow fordert eine Positive Pädagogik ein, die anstelle „der Mehrdesselben-Strategie empirischer Bildungsforschung (mehr Daten und Fakten)“ wieder die am Bildungsprozess beteiligten Personen mit ihrem inneren Wissen in Beziehung und in den Blick nimmt. (150) Die bislang unternommenen Anstrengungen innerhalb der Bildungspolitik werden als ungenügend entlarvt. (151-154) Als möglicher Ausweg wird ein Zusammenspiel aus Salutogenese, Selbstbestimmung und Wertschätzender Schul- und Organisationsentwicklung vorgeschlagen. (158-163)
Regine Berger und Dietlinde Granzer wenden sich in ihrem Aufsatz onlinegestütztem „Feedback als Ausgangspunkt für (berufsbezogene) Kompetenzentwicklung im Klassenzimmer“ zu. Bezugnehmend auf eine Metastudie von John Hattie (166) wird das Konstrukt Feedback in seiner Vielschichtigkeit beleuchtet, um anschließend die Inbeziehungsetzung zur Kompetenzdebatte, beispielhaft am KompetenzAtlas von Heyse und Erpenbeck, vorzunehmen. (170-178)
Das erste Kapitel abschließend äußert Wolfgang Scharl „Neue Paradigmen im österreichischen berufsbildenden Schulsystem.“ Nach einführenden Gedanken zum Österreichischen Bildungssystem und dem Skizzieren der eingeleiteten Reformen (179-184), stellt Scharl die Lehrperson und ihre Aus- und Fortbildung in die Mitte seiner weiteren Überlegungen. Erst theoretisch analysiert (184-186), dann in die Praxis gespiegelt, wendet sich der Autor der Lehrerfortbildung zu.
Zu II.
Im zweiten Kapitel erörtern 17 Artikel -subsummiert innerhalb von 5 thematischen Bereichen (1-5) – die „Entwicklung von Schlüsselkompetenzen in Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen“.
Der „Stand der Entwicklung von Schlüsselkompetenzen“ (1) beschäftigt die erstenvier Inputgebenden des zweiten Kapitels.
Volker Heyse stellt sich die Frage, ob deutsche Hochschulen wirklich kompetente Fachleute ausbilden. Seine Ausführungen beginnend, konstatiert er es bestehe „ein gravierender Widerspruch zwischen den Kompetenzentwicklungs-Zusagen deutscher Hochschulen und dem tatsächlich Geleisteten“. (201) Warum „schaffen es Wissenschaftler nicht, bindende Kompetenzanforderungen in der Lehre umzusetzen?“ (204), fragt sich Heyse und gibt die Antwort in Form von acht kritisch untermauerten Kurzstatements.
Tobina Brinker bietet konkrete Hilfestellung für die Entwicklung von Qualitätskriterien zum Schlüsselkompetenzerwerb durch die Bereitstellung von „Qualitätskriterien für den Erwerb und die Förderung von Schlüsselkompetenzen an Hochschulen“ an. (230) Zuvor jedoch führt sie die Leserschaft in die verschiedenen Termini der Kompetenzdebatte ein (214-216), widmet sich daraufhin erst den schlüsselkompetenten Lehrenden und den damit einhergehenden hochschuldidaktischen Notwendigkeiten (216-219) zu, um dann die wesentlichen Rahmenbedingungen für schlüsselkompetente Lernende zu zeichnen. (219-222)
Peter Wex schreibt über die Kompetenzorientierung in der Lehre und in Prüfungsformaten der Hochschulen und stellt ernüchtert fest: „Für die Schlüsselkompetenzen muss die Bewältigung dieser Aufgabe in den meisten Fällen als misslungen bezeichnet werden.“ (235) Anhand von sieben Ankerbeispielen zeichnet Wex die Wege der Kompetenzaneignung an deutschen Hochschulen nach (239-247), um abschließend ernüchtert von einem „leeren Versprechen der universitären Kompetenzprüfung“ (249) zu sprechen.
Lothar Schäffner stellt den Nationalen Kompetenzorientierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) mit exemplarischen Lernzielbeispielen in die Mitte seiner „Ausführungen über Ansätze einer kompetenzorientierten Medizinerausbildung“. (259) Vorab jedoch, nach einführenden kritischen Worten zur Umsetzung des Bologna-Prozesses, beleuchtet der Autor die damit einhergehenden Einflüsse auf die Disziplin der Medizin. (252-260) An zwei ausgewählten Beispielen, einem aus der medizinischen Lehrpraxis und einem Handlungsszenario aus der medizinischen Fachliteratur (260-267), veranschaulicht Schäffner die Möglichkeiten einer kompetenzorientierten Medizinausbildung.
„Neue Konzepte und deren erfolgreiche Umsetzung im Hochschul-Alltag“ (2) bilden den Rahmen für die nachfolgenden vier Abhandlungen.
Die Fachhochschule des Mittelstandes (FHM) wird im Beitrag von Walter Niemeier und Stefanie Lebsack zum Ausgangspunkt für eine erfolgreiche hochschulische Kompetenzorientierung, denn bereits „im Gründungsjahr der FHM (2000) wurde dem kompetenzorientierten Lernen und dem Erwerb von Schlüsselkompetenzen hohe Relevanz eingeräumt.“ (272) Nachfolgend wird vom Autorenteam die Realisierung dieses Anspruches an Hochschulbildung anhand ausgewählter Praxisbezüge illustriert. (272-281)
Christian Willems verankert die Diskussion um Schlüsselkompetenzen am Beispiel des Bachelorstudienganges Chemie der Westfälischen Hochschule (WHS) und konzentriert sich in seinen Ausführungen auf „Modelle und Vorgehensweisen zur fach- und studienganginternen (gekoppelten) Entwicklung von personaler Kompetenz (bzw. Schlüsselkompetenzen) und Fachkompetenz.“ (284) Beginnend mit allgemeinen theoretischen Ausführungen zur Kompetenzdebatte (285-291), spiegelt er diese in die Praxis des ausgewählten Studiengangs. (291-295)
Einen erneuten Blick über die bundesdeutschen Grenzen hinaus ermöglichen Cornelia Oertle und Monika Beck. Beide laden das Lesepublikum zu einem Rückblick und Ausblick über „Kompetenzförderndes Lehren und Lernen in den Gesundheitsberufen der Schweiz“ ein. Ein knapper Überblick zur Situation der Gesundheitsberufe in der Schweiz -hervorhebend den Pflegeberuf – leitet über zu den „Neuen Ausbildungsbestimmungen für Pflegeberufe NAB von 1992“ (302) und diskutiert die „Würdigung der NAB bezüglich Kompetenzförderung und Umsetzung an den Schulen.“ (305)
Mit Michael Mair führt die Reise von der Schweiz erneut nach Österreich, um dort am Beispiel des Fachhochschul-Studienganges Tourismus-Management, angeboten an der FH Wien, den Paradigmenwechsel von der Input- zur Outputorientierung zu zeichnen. Mair zeichnet den von ihm beschriebenen Lernkulturwandel an Beispielen aus der Studiengangpraxis nach. (318-333)
Der „Entwicklung von Schlüsselkompetenzen in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung“ (3) wenden sich vier Beitragende zu.
Gudrun Gaedke verortet wie der Vorautor Mair an der FH Wien, zeigt anhand des berufsbegleitenden Bachelorstudienganges Personalmanagement „den Zusammenhang zwischen outputorientierter Lehre und den Anforderungen eines berufsbegleitenden Studiums“ (335) auf. Die kompetenzorientierte Studiengangskonstruktion und der damit initiierte Erwerb von Schlüsselkompetenzen werden im Weiteren hinsichtlich der Umsetzung ausdifferenziert. (338-346)
Die Leser verbleiben mit den folgenden zwei Besprechungen weiter in Österreich. Monika Petermandl widmet sich der Weiterbildung. Dazu wählt sie den Universitäts-Lehrgang „Professional Teaching and Training“, angeboten an der Donau-Universität Krems, aus. Sie resümiert, dass die „Weiterbildungslandschaft bei näherem Hinsehen Defizite“ aufweist, die „eine umfassende Kompetenzentwicklung verhindern“. (348) Nach Benennung möglicher Gründe und Mängel, geht sie über zu „Forderungen nach einem ganzheitlichen Lernmanagement“. Diese führt sie nachfolgend am ausgewählten Studiengang vertiefter aus. (350-356)
Elke Gruber denkt darüber nach, wie man „Erwachsenenpädagogische Kompetenzen bilanzieren, validieren, zertifizieren und erwerben“ kann. (357) Nachdem der Sektor der Erwachsenenbildung/Weiterbildung angerissen wird (357-359), wendet sich die Autorin zwei Modellen zu, „die es den in der EB/WB Tätigen ermöglichen, erwachsenenpädagogisch professionell handeln zu können“, indem sie die „Schaffung eines anerkannten, standardisierten Abschlusses bei gleichzeitig flexibler Gestaltung des Ausbildungsweges“ ermöglichen. (359) Ausbuchstabiert wird diese Forderung am Beispiel der Weiterbildungsakademie Österreich und dem Universitätslehrgang Erwachsenenbildung/Weiterbildung.
Wieder in Deutschland, genauer in Nordrhein-Westfalen, wendet sich Susanne Krey-de Groote der Berufsbildung zu. Die Forderung nach der Entwicklung eines gemeinsamen Kompetenzverständnisses und dessen Realisierung (371-376) führt die Leser schließlich zu Ausführungen zur Kompetenzprofilentwicklung an einem Berufskolleg in Köln. Abschließend wendet sich Krey-de Groote Fragestellungen der Kompetenzmessung zu. (379-385)
Die „Befähigung zur Selbstreflexion“ (4) analysieren drei Aufsätze. Alice Fleischer und Susanne Czachs erschließen dieses Thema an der Beleuchtung eines auf dem systemisch-konstruktivistischen Lernparadigma beruhendem Lernmodell LENA (391) das von den Wirtschaftsinstituten der Wirtschaftskammern (WIFI) in Österreich entwickelt worden ist. Eigen ist diesem Modell gemäß dem Autorenduo, dass es „den Rahmen für ein erfolgreiches Lehren und Lernen beschreibt und genau diesem Zugang zu Kompetenzorientierung gerecht wird.“ (391) Aufgezeigt werden nun nachfolgend ein vom WIFI entwickeltes Trainerkompetenzmodell (394) und ein dreistufiges Evaluationsverfahren, um den Professionalisierungsanforderungen in der Erwachsenenbildung adäquat begegnen zu können.
Der Artikel von Rolf Arnold, Thomas Prescher und Sebastian Werle gibt „unter Rückgriff auf Erkenntnisse didaktischer Forschung Anregungen für die Umsetzung der Ermöglichungsdidaktik in Schulen“. (407) Nach einer theoretischen Verortung von (Schlüssel)kompetenz und Didaktik (407-411) im Allgemeinen, konstatieren die Autoren dass es kaum „systematische Forschungen zur Beschreibung der Ermöglichungsdidaktik“ (411) gibt. Mit der Durchführung von Sekundäranalysen zur „ermöglichungsdidaktischen Theoriebildung“ wurde diesem Desidarat begegnet. (414)
Anita Pachner schließlich stellt, nach anfänglicher theoretischer Verortung der Metakompetenz Selbstreflexion in „aktuelle Kompetenzraster, -kategorisierungen und -modelle“ (435), auszugsweise eine empirische Studie vor, die „die Kompetenz ‚Selbstreflexion‘ aus den Aussagen von pädagogisch Tätigen gegenstandsverankert entwickeln will.“ (440)
Die letzten beiden Artikel des Buches besprechen „Kompetenzfeststellung und -validierung – bewährte Methoden und Instrumente“ (5).
Auch der Beitrag von Heinz-Werner Wollersheim beginnt mit der Einführung in die Hintergründe der aktuellen Kompetenzorientierung. Mit der kritischen Bemerkung, dass sich die derzeitige empirische Bildungsforschung stark verkürzend auf die „kognitiven Leistungsdispositionen“ konzentriert und dadurch „motivationale, volitionale, einstellungsbezogene und sozial-kommunikative Aspekte von Kompetenz unzureichend berücksichtigt werden“ (452), leitet der Autor über zum Konzept der Schlüsselkompetenzen. An einem Master-Studiengang der Universität Leipzig beschreibt er exemplarisch Möglichkeiten der Kompetenzentwicklung. (455-460)
Stefan Ortmanns Ausführungen schließen den Band, der sich dem Aufbruch in die Zukunft der Schlüsselkompetenzen zuwendet, mit der Beschreibung gängiger „Konzepte und Einsatzmöglichkeiten computerbasierter Tools zu Kompetenzmessung an Schulen und Hochschulen.“ (462) Nach Skizzierung von fünf Verfahren (463-470) werden Möglichkeiten ihrer Anwendung angerissen, um abschließend an fünf Praxisbeispielen die konkrete Implementierung der vorgestellten Verfahren anzudeuten. (471-480)
Diskussion
Das Sammelwerk ist eine begrüßenswerte Stellungnahme und Einschätzung von Expertinnen und Experten, die sich -in Theorie und/oder Praxis zuhause – eingehend mit der Frage beschäftigen, wie sich Menschen heute und morgen innerhalb unserer pluralistischen, von Unsicherheit und Unbeständigkeit geprägten Gesellschaft, sicher und selbstbewusst bewegen können. Der Verantwortung für die Ausbildung von Schlüsselkompetenzen die für ein selbständiges Leben, das wesentlich durch Selbstreflexion und Verantwortungsbewusstsein gekennzeichnet sein sollte, von Nöten sind, stellen sich die Schreibenden und tragen mit ihren Gedankensplittern dazu bei, dass ein wieder ganzheitliches Personenverständnis in die Bildungsforschung Einzug hält. Der als überholt und abgenutzt geglaubte Begriff der Ganzheitlichkeit findet wieder Eingang in die Bildungsdiskussion. (Stellvertretend kann auf den Beitrag von Olaf-Axel Burow verwiesen werden.) Das Buch ist kein Anti-Buch zu den aktuellen und notwendigen Ausrichtungen einer empirischen Bildungsforschung, sondern eine notwendige Ergänzung zu dieser, um einer in die Irre führende Technologisierung des kompetenten Menschen zu widerstehen.
Wünschenswert und hilfreich wäre es gewesen, diese zumeist positiven Erfahrungsberichte und Einschätzungen mit mehr kritisch-distanzierter Haltung anzureichern. Eine wohlwollend formulierte und transparente Offenlegung von möglichen Hürden und Schwierigkeiten bei der Entwicklung und Einführung der verschiedensten Konzepte in die Praxis der Häuser- die es sicherlich gab – würde zu einer Haltung verhelfen, die nicht fälschlicherweise suggeriert, dass es sich um einen Prozess handelt, der sicher berechnet und dann geradlinig implementiert werden kann.
Dankbar und Bescheidenheit einfordernd ist daher der Beitrag von Peter Wex, der sich ergebnisoffen die Frage stellt „Was können wir mit einer Prüfung von Schlüsselkompetenzen in Hochschulen feststellen?“ und sich nicht scheut sie anhand auch negativer Beispiele zu erläutern. Auch Volker Heyse erschließt die „Entwicklung von Schlüsselkompetenzen in deutschen Hochschulen“ kritisch, indem er auch auf die bestehenden Schwachstellen an deutschen Hochschulen deutet.
Solche wichtigen Hinweise auf die organisationalen und strukturellen Schwächen der Institutionen selbst sind geboten, um das einzelne Subjekt aus einer nicht immer angebrachten und auch überfordernden Selbstverantwortung zu entlassen, nämlich dort wo die Institution selbst versagt und nicht der Mensch, weil er nicht kompetent genug ist.
Fazit
Das Buch gibt einen Einblick in die aktuellen Diskussionsstränge um das Konstrukt der Schlüsselkompetenzen. Namhafte Autorinnen und Autoren erschließen das Thema anhand zahlreicher Praxisbeispiele, deren theoretische Verankerung und Ausrichtung zuvor erläuternd vorgestellt wird. Eine eingehende Diskussion aller 27 Beiträge ist freilich nicht möglich. Auch die vielen und vielfältigen Praxisbeispiele können nicht ausführlich beschrieben werden, aber die Leserschaft hat die Möglichkeit einer in die Breite ausdifferenzierten Orientierung und kann sich, je nach Interessenfeld, Informationen direkt bei den Beitragenden und den jeweiligen Häusern einholen.
Rezension von
Dr. Agnieszka Maluga
Vertretungsprofessur für Soziale Arbeit und Diversität an der Hochschule
Augsburg
Vorsitzende der Deutschen Korczak-Gesellschaft e.V.
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Es gibt 9 Rezensionen von Agnieszka Maluga.
Zitiervorschlag
Agnieszka Maluga. Rezension vom 19.01.2015 zu:
Volker Heyse (Hrsg.): Aufbruch in die Zukunft. Erfolgreiche Entwicklungen von Schlüsselkompetenzen in Schulen und Hochschulen. Aktuelle persönliche Erfahrungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Waxmann Verlag
(Münster, New York) 2014.
ISBN 978-3-8309-3052-5.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/16399.php, Datum des Zugriffs 07.06.2023.
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